In My Room

Tarantino1980

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In My Room
Für den freiberuflichen Kameramann Armin läuft es im Leben nicht gerade rosig. Er ist immer pleite, lebt von der Hand in den Mund und auch seine sozialen Kontakte sind nicht die besten. Bei einem Besuch seines Vaters, der zugleich auch Armins totkranke Oma pflegt, gerät er jedoch in eine für ihn lebensverändernde Situation.

Regisseur Ulrich Köhler inszenierte 2018 dieses Drama, welches aus meiner Sicht sich in keinster Weise vor den ganz großen Produktionen verstecken muss. Die ersten Minuten des Films wirken zwar noch etwas amateurhaft, was aber durchaus gewollt sein könnte, aber je länger der Film läuft desto stärker hat er mich in seine Welt gezogen. Leider hatte ich mich durch eine kleine Inhaltsangabe im EPG meines Receivers schon etwas zur Handlung gespoilert so das der Storytwist für mich dann nicht so überraschend kam, aber dennoch eine sehr eindrucksvolle Wirkung hatte. In My Room ist einer dieser Filme bei denen man am besten im Vorfeld sich nicht wirklich über den Film informieren und sich somit einfach auf ihn einlassen sollte. Ich könnte mir vorstellen da wenn man nicht auf den Storytwist wartet, so wie es bei mir der Fall war, dieser dann noch überraschender kommt, da durch das erste viertel des Filmes die Story und somit weitere Verlauf auch in eine ganz andere Richtung hätte gehen können.

Der Cast ist für mich hingegen recht beliebig. Hans Löw und Elena Radonicich haben zwar ihre Rollen gut gespielt, aber sie waren jetzt auch nicht so herrausragend das ich mir hier keinen anderen hätte vorstellen können. Was aber für mich allerdings gut war, da ich keinen der Beiden vorher kannte, das ich mich so mehr auf die Story konzentrieren konnte und somit auch keine Erwartungshaltung an den Film im Vorfeld hatte.

In My Room ist einer dieser Filme von dem ich im Vorfeld nichts gehört hatte, ihn nur durch zufall gesehen hatte und im Nachhinein wirklich positiv überrascht war. Natürlich ist er auch wieder ein sehr schönes beispiel das mittlerweile auch europhäische Produktionen auf einem sehr hohem Niveau in der Filmwelt mitspielen können.

Wertung: 7.5/10
 

Tarantino1980

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Ich kann den Film auch nur wärmstens empfehlen. Ein stiller, nachdenklicher Film, der sich trotz des Themas sehr realistisch anfühlt.

Mir war auf Letterboxd schon aufgefallen das Du ihn auch gesehen hattest ;), aber offenbar schon etwas länger her. Hattest Du ihn bei einem Festival gesehen oder lief er auch schonmal im TV? Ich hatte ihn auf arte entdeckt.

Ich fand es wirklich erfrischend anders einen Endzeitfilm zu sehen ohne jeglichen Hinweis warum die Menscheit offenbar nun weg ist. Keine Zombieapokalypse, keine Alieninvasion oder sonstige Naturkatastrophe ersichtlich. Oder ist es nur ein schlimmer Traum von Armin oder ist er sogar Tod und das war dann seine Vorstellung vom Leben nach dem Tod. Alles ist hier möglich und ich glaube die Frage des Warum stand hier auch nicht im zentralen Mittelpunkt von Ulrich Köhler bei seiner Inszenierung. Der einzige Kritikpunkt war für mich das der Sprung von "Mist was ist hier eigentlich los hin zu ich bin der neue Mr. Survival etwas zu krass, zumindest hatte man als Zuschauer nicht das Wissen wieviel Zeit inzwischen vergangen ist.

Aber der Film regt auch zum Nachdenken an. Wie würde man selbst reagieren und handeln. In den meisten Endzeitfilmen stellt sich diese Frage immer nur bedingt, da die überlebenden Protagonisten meistens eher mit dem Überlebenskampf beschäftigt sind als das sie sich darüber Gedanken machen können was mache ich mit der vielen Freizeit und was will ich mit meinem Leben anfangen. Aber Armin konnte sich diese Frage stellen und hat sich für einen beständigen Weg entscheiden, was auf Grund seinem vorherigen Lebenswandel zum einen verwunderlich für mich war, da ich eher damit gerechnet hatte, so wie es ja auch die Szene mit dem Polizeisportwagen andeutete, das er jetzt erstmal den Luxus genießt. Stattdessen hat er sich für ein beständiges und unabhängiges Leben entschieden. Er hätte ja auch, so wie es Kirsi dann später ja in die Tat umgesetzt hat, die Welt bereisen können, von Tag zu Tag bzw. Woche zu Woche einfach leben und sich überall neu durchschlagen können. Also wenn die Vorräte in der einen Region aufgebraucht sind, einfach in die nächste ziehen und das nächste Haus besetzen. Ich persönlich fand Armins Ansatz aber auch besser das er unabhängig sich seinen eigenen Stromgenerator gebastelt hat und somit alleine durch Wasserkraft und Solarenergie sein Haus versorgte. Lebensmittel baute er selber an bzw. hat er sich erbeutet.

Ich konnte aber auch gut den Standpunkt von Kirsi verstehen, die genauso wenig wie Armin wusste, was die Zukunft bringt, wie lange sie noch in diesem Zustand existieren können und sie dann halt jeden Tag quasi genießen wollte als wäre es ihr letzter. Wenn Geld und Zeit keine Rolle spielen, zumindest nicht in erster Konsequenz das Thema Zeit, hält ja niemand einen davon ab innerhalb Europas sich frei zu bewegen. Wenn man dann sogar mutig genug wäre sich das Schiffahren beizubringen könnten man sogar noch weiter Reisen und noch mehr von der Welt sehen. So hatte ich zumindestens Ihren Ansatz wie sie mit der Situation umgeht gedeutet und kann es wie gesagt auch sehr gut nachempfinden da viele Reisen ja meistens entweder aus finanzieller Sicht oder aber aus zeitlicher Sicht für einen selbst nicht realisierbar sind. In der Welt in der Armin und Kirsi lebten spielte dies aber keine Rolle. Worauf sie lust hatten konnten sie tun.

Wo natürlich das Filmfanherz höher schlug bei mir war die Szene in der sie in der Videothek nach Filmen suchten, wobei das schon eine Besonderheit war, weil 2018 war es schon schwer eine noch offene Videothek zu finden :nice:. Wobei die Szene auch sehr surreal für mich war. Zum einen sind sie zwei der offenbar letzten überlebenden Menschen, wohnen mitten im nichts in einem selbstgebauten Haus und schauen sich dann einen Hollywood Film an, der die Welt so zeigt wie sie vorher war. Ich glaube das wäre ein sehr krasser Blickwinkel. Unweigerlich kam bei mir ein aktueller Vergleich mit der Corona Pandemie. Wir leben damit zwar erst ein Jahr, aber ich ertappe mich auch immer mehr bei den Gedanken das es so, wie es vorher einmal war, wahrscheinlich so schnell nicht wieder sei wird, wenn es überhaupt nochmal so wird. Früher war es z.B. total normal das ich bekannte mit einem Handschlag begrüßt habe und enge Freunde sogar umarmt habe. Dieses Verhalten habe ich, wie wahrscheinlich die meisten zur Zeit, total abgelegt und im Moment kann ich es mir auch nicht wieder vorstellen das es mal wieder soweit kommt. Dennoch sehe ich sowas in jedem Film den ich mir ansehe wie sich sogar Fremde, nur aus Höflichkeit die Hände schütteln. Aktuell undenkbar, aber ich weiß noch wie es war und das es normal war. Dann spinnt man diesen Gedanken weiter und fragt sich was passiert mit der Menschheit wenn solche Verhaltensmuster sich durchsetzen und irgendwann als normal gelten und zukünftige Generationen es garnicht mehr anders kennen lernen. Wie die dann wohl auf solche Szenen reagieren.

Würde mich freuen wenn Du Willy, aber natürlich auch andere, ihre Gedanken zu dem Film mal niederschreiben würden. Er hat auf jedenfall ein gutes Potential um sich über ihn auszutauschen.
 

Willy Wonka

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Ich habe den Film damals direkt im Kino geschaut. Im Vorfeld bin durch Kritiken und natürlich durch meine Tätigkeit im Kino auf den Film aufmerksam geworden. Das Gesicht von Hans Löw war mir schon vertraut, aber ich hätte nicht auf Anhieb viele Filme mit ihm aufzählen können. Erst im Anschluss habe ich gesehen und wiederentdeckt, dass er bereits im wunderbaren „Hedi Schneider steckt fest“ mitgespielt hat. Er spielt in vielen Filmen den entspannten und lockeren Typen, der sich nur selten aus der Ruhe bringt und nicht dafür bekannt ist, zu theatral zu spielen. So habe ich ihn dann auch in natura erlebt, als er bei der Premiere von „All My Loving“ in der Lichtburg zu Gast war. Während Lars Edinger die klassische Rampensau ist bzw. spielt, ist Löw häufig ruhiger und hält sich mehr im Hintergrund auf. Das ist zumindest bislang mein Eindruck.

All diese Aspekte prädestinieren ihn für die Rolle in „In My Room“. Ein Moritz Bleibtreu oder Lars Edinger hätte ich mir beispielsweise in diese Rolle nicht vorstellen können.

Mir hat der Film vor allem wegen seiner Ruhe gefallen. Die vielen Menschen und die Hektik des Alltags fallen weg und die Reduzierung auf zwei Personen und ihr Verhältnis zur Natur rücken ins Zentrum. Hier ist es vor allem spannend, wie unterschiedlich die beiden Protagonisten (als moderne Version von Adam und Eva) auf die geänderte Situation reagieren. Während er das Land bestellt, Tiere hält, die Kraft der Natur nutzt und sesshaft wird, ist sie die ruhelose Person, die umherreisen will und sich eben nicht an einem festen Ort niederlassen möchte. Zwar könnte man dem Film vorwerfen, auch nur bestimmte Stereotypen und Klischees zu benutzen und auch alte Bilder von Mann und Frau zu zeichnen, aber durch die unaufgeregte Dramaturgie wird man als Zuschauer einfach ein Beobachter dieses Settings. Für mich ist das als Zuschauer entspannend und mir bereitet es viel Freude auf der Leinwand Menschen bei der Verrichtung von handwerklichen, körperlichen Tätigkeiten zuzuschauen.

Wo natürlich das Filmfanherz höher schlug bei mir war die Szene in der sie in der Videothek nach Filmen suchten, wobei das schon eine Besonderheit war, weil 2018 war es schon schwer eine noch offene Videothek zu finden :nice:.

Ich sehe hier auch klar die Referenz an „Der Omega-Mann“ (Charlton Heston schaut sich im Kino „Woodstock“ an) bzw. „I Am Legend“, wo Will Smith durch eine Videothek schlendert, um sich einen passenden Film auszusuchen.

Leider hatte ich mich durch eine kleine Inhaltsangabe im EPG meines Receivers schon etwas zur Handlung gespoilert so das der Storytwist für mich dann nicht so überraschend kam, aber dennoch eine sehr eindrucksvolle Wirkung hatte. In My Room ist einer dieser Filme bei denen man am besten im Vorfeld sich nicht wirklich über den Film informieren und sich somit einfach auf ihn einlassen sollte. Ich könnte mir vorstellen da wenn man nicht auf den Storytwist wartet, so wie es bei mir der Fall war, dieser dann noch überraschender kommt, da durch das erste viertel des Filmes die Story und somit weitere Verlauf auch in eine ganz andere Richtung hätte gehen können.

Als Story-Twist würde ich es nicht unbedingt bezeichnen, weil ja schon recht früh die Menschheit komplett verschwindet und die Endzeit-Stimmung anbricht. In allen Trailern, Bewerbungen und Texten zum Film wird direkt darauf Bezug genommen und das Alleinsein in der Welt ohne Menschen ist für mich eben das zentrale Thema des Films und soll nicht als Überraschungsmoment verstanden werden. Dennoch kann ich es natürlich verstehen, dass der Film beim ersten Schauen anders wirken könnte, wenn man einfach gar nichts zum Film weiß und dann diesen Übergang wirklich als eine Überraschung wahrgenommen wird.
 
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