AW: Passage Kino gerettet!
Ah ok interessant mal zu hören. Ich sehe halt nur immer wieder wie kleine Kinos leider immer mehr geschlossen werden.
Hier muss echt differenziert werden. Ich gebe Kinomensch zunächst mal vollkommen Recht bei all seinen Ausführungen, weil er weiß, wovon er hier schreibt.
Einem alten Jugendfreund von mir gehören mehrere Kinos in Essen. Ein anderer aus meinem Freundeskreis will ein Kino im Hamburger Randgebiet eröffnen, macht sich aber bislang keine Vorstellung darüber, was das letztendlich für ihn und seine Familie in der Praxis bedeutet.
Ich brösel das mal ein wenig auf für diejenigen hier, sich in der Kinolandschaft nicht ganz so gut auskennen.
Kleine Kinos gehen Pleite:
Viele kleine Kinobetreiber haben bereits seit Jahren nicht mehr modernisiert. Durchgesessene Sitze, schlechter Service von unmotivierten Mitarbeiter, mise Bild- und Tonqualität und ein unattraktives Programm (natürlich auf die unmittelbare Wohngegend und deren Besucher bezogen) schrecken jeden Zuschauer ab.
Inzwischen gehören sogar die "kleinen" Programmkinos immer öfter großen Kinoketten. Hier wird abgewogen. Sobald ein Kino nicht besonders gewinnbringend ist, wird es halt abgestoßen. Tradition hin oder her. Ein Kino muss schwarze Zahlen schreiben.
Kleines Kino selbst eröffnen:
Hier kann Kinomensch sicherlich noch mehr dazu beitragen, da er aktuell betroffen ist.
Zunächst einmal kommt ein kleines Kino mit unter 100 Sitzplätzen kaum an aktuelle Filme heran, weil eine gewisse Auslastung garantiert werden muss - u.a. durch Mindestabgaben an den Verleiher. Auch stellen Verleiher neuen Kinobetreiber Filme zunächst nur gegen eine relativ hohe Kaution zur Verfügung. Das können viele finanziell überhaupt nicht wuppen.
Arbeitszeiten:
Der Tag beginnt in der Regel um 10 Uhr. Büroarbeiten, Anzeigen gestalten, Filmprogramm erstellen, Buchhaltung, Filmprogramm planen und organisieren, usw.
Zwischen 3 und 4 Vorstsellungen sind täglich theoretisch möglich. Das bedeutet für ein 1-Mann-Betrieb Arbeit bis 2 Uhr morgend, wenn es eine Spätvorstellung gibt. Das dann an 7 Tagen in der Woche, auch an Sonn- und Feiertagen. Zusätzliches Personal muss bezahlt werden.
Einnahmen:
Etwa 50% der Eintrittsgelder gehen direkt an den Verleiher. Von dem Rest müssen Miete/Pacht, Personal, Strom, Wasser, Renovierung bezahlt werden. Zusätzlich stehen dafür die Einnahmen aus dem "Food"-Bereich und Getränke zur Verfügung - und zu letzt will man selbst auch noch Geld verdienen, um davon leben zu können.
Also muss man mal die Auslastung eines 100 Plätzekinos nehmen und durchrechnen, wieviel Karten pro Tag verkauft werden müssen, damit man eine scharze "0" schreibt.
Die meisen Kinobetreiber können von den Einnahmen gerade mal ihre laufenden Kosten (fix und variabel) decken.
Förderung:
Für ein gutes (Film)-Programm werden Kinos jährlich ausgezeichnet und bekommen dafür Geld. Das ist dringend nötig, um finanziell überleben zu können. Oftmals ist das Geld dann das "Gehalt" des Kinobetreibers - und mit 25.000 Euro sind wahrlich keine großen Sprünge drin.
Für Renovierung und Modernisierung stehen übrigens auch Fördergelder zur Verfügung. Die für viele Kinobesitzer relativ komplizierte Beantragung schreckt einige Betreiber aber ab.
Programm:
Das Programm muss den Menschen vor Ort gefallen. Im Univiertel ist eher "Arthaus" als Mainstream angesagt. Im sozialschwachen Randbereich eher aktuelle Blockbuster (die man in der Regel aber nicht zur Erstaufführung erhält). Kinderprogramm ist wichtig - funktioniert aber nicht überall.
Wichtig sind so genannte "Brot und Butter"-Filme, die das Überleben erst ermöglichen, selbst dann wenn eher Randthemen im Kino auf die Leinwand kommen.
Ausstattung:
Eine gute Soundanlage muss nicht viel Geld kosten. Für 5000 Euro bekommt man schon eine richtig gut klingende Anlage (von JBL oder KCS) für das kleine Kino. Aber selbst diese Ausgaben scheuen viele Kinobetreiber (leider!). Damit könnte sich das Kino beim Heimkino in den meisten Fällen deutlich absetzen.
Das Bild wird teuer. In einem 1-Mann Betrieb ist eine "Tellerprojektion" notwendig (auf die kommt der ganze Film inkl. Vorprogramm), um nicht alle 20 bis 50 Minuten (je nach Spulenkapazität des Projektors) einen Aktwechsel vornehmen zu müssen. Digitale Projektion fängt derzeit bei 60000 Euro an.
Kinositze kosten im Schnitt 250 Euro pro Sitz inkl. Einbau. Hinzu kommen Tresen, Teppiche, Leinwand, Kasse usw.
Kurz, so ein Kino kann je nach Ausstattung richtig viel Geld kosten.
Fazit:
Ein kleines Kino ist kaum wirtschaftlich zu betreiben und erfordert viel von der eigenen Freizeit. Mit einem abwechselungsreichen Programm, guter Bild- und Tonqualität, freundlichem Service, sauberen und gemütlichem Ambiente und den entsprechenden Zuschüssen kann es aber (knapp) wirtschaftlich funktionieren.