AW: Kung Fu Panda
Kung Fu Panda
Unterschätzte Moppelchen oder sonstige vom Idealbild eines Helden abweichenden Abnormitäten, die unerwartet zu großem Ruhm aufsteigen, sind eigentlich kein Motiv des Ostens alleine, sondern erheben den Anspruch, Allgemeingut zu sein. Sei es nun Artus, der das Schwert Excalibur mühelos aus dem Stein zieht, an dem sich zuvor vergeblich tausend starke Mannen versuchten, oder der typische Loser, der nach der “Vom Tellerwäscher zum Millionär”-Dramaturgie in Amerika seinen Traum findet - Geschichten über Underdogs, die zu Großem aufsteigen, gehören zur Natur des Menschen, der sich seit Jahrhunderten an solchen Legenden labt.
Östliche Kung Fu-Filme allerdings haben das Prinzip einstmals auf eine Schüler-Lehrer-Kampfausbildung angewendet und seitdem inflationiert bis zum Erbrechen. Spätestens in den 70er Jahren war der Siedepunkt erreicht. Die Storyline wurde ausgerechnet bei der geschichtsträchtigen Tradition des chinesischen Films zunehmend redundanter und irgendwann ging es nur noch um die Variation in der Technik der Martial Arts. Der Plot war sowieso immer gleich, warum also sich nicht ganz auf die Fights konzentrieren...
“Kung Fu Panda” schickt sich nun an, gerade diese erzählerischen Defizite zu persiflieren und schaut deswegen am nackten Skelett ebenso unoriginell aus wie seine offensichtlichen Vorbilder. Frech und fröhlich suhlt sich das Regieneulingsgespann Mark Osborne und John Stevenson in der Transparenz des eigenen Plots, dieser berechenbaren Abfolge von typischen Sequenzen - von den Tagträumereien des späteren Helden über die geheimnisvolle Einführung des anfangs noch schattenhaften Bösewichts hin zu der Skepsis der treuen Gefährten am angeblichen Heilsbringer (der nicht wie einer aussieht) und dem unvermeidlichen Finale. Ja, sie spielen mit der Banalität wie Kätzchen mit einem Wollfaden, und was für die Kinder im Publikum eine einfach nachzuvollziehende Geschichte ist, weiß der Erwachsene bereits als Parodie auszulegen.
Hilfreich dabei ist schon das trottelhafte Verhalten des dem Originalsprecher Jack Black nachempfundenen Pandabären Po, der nicht einfach ein x-beliebiger Filmschüler ist, welcher zum Helden aufsteigt - er ist vielmehr das langersehnte postmoderne Produkt eines Filmrollenklischees.
Wer die hilflosen Spirenzchen des unbeholfenen Klopses als bloße Slapstick abtut, verkennt die Doppelbödigkeit der hier präsentierten Theatralik: Übermut, Verweichlichung und Naivität werden nicht nur instinktiv dargestellt, weil es zur Rolle passen würde, nein, sie werden in Hinblick auf die Vorbilder mal so richtig schön auf den Arm genommen.
Und schon hierbei wird die eigentliche Stärke von “Kung Fu Panda” klar: es gelingt endlich mal wieder jemandem, neues Areal zu betreten. So allgemeingültig (und damit auch massenkompatibel) die Story auch sein mag, mit der Richtung des Zielfernrohrs auf alte Kung Fu-Schinken tun sich die “Madagascar”-Macher den Gefallen, darauf zu verzichten, es jedem recht machen zu wollen. Ein Wunder, denn gerade “Madagascar” krankte meines Erachtens genau an diesem Problem.
Doch hiervon ist nun nichts mehr zu spüren: wo das magere Story-Skelett schließlich Fettpölsterchen ansetzt, gewinnt der Film eine Farb- und Formenpracht, die ihresgleichen sucht. Die Animatoren können sich an einen kulturellen Stil anlehnen und diesen verarbeiten, wie es ihnen beliebt. Lange nicht mehr wurde mit einer solchen Hingabe animiert. Rein technisch bleibt Pixar immer noch einen Zacken weiter entwickelt, jedoch fällt mir auf Anhieb keine vergleichbare CGI-Welt ein, die alleine aufgrund ihres Layouts dermaßen gefesselt hätte. Farbenfrohe Feste, kulturelle Relikte, vor allem aber das Design der Charaktere lässt staunen im großen Stil. Die “Gefährten”, welche sich allesamt zugunsten des Pandas massiv zurückhalten, nach den klassischen Stilen (Kranich, Tiger, Schlange etc.) zu besetzen, ist zwar offensichtlich, aber zweckdienlich; ebenso sehr, wie den Protagonisten mit einer für ihre vermeintliche Faulheit und ihr drolliges Aussehen geliebte chinesische Bärenart zu besetzen.
Als wäre dem aber noch nicht genug, macht die Regie von Beginn an Volldampf und serviert die Dumplings wahrhaft heiß und fettig. Was den Actionanteil betrifft, besteht im Vorfeld eine große Gefahr der Unterschätzung - durchaus kann man “Kung Fu Panda” als ziemlich schnelles Actionspektakel begreifen, das die Langeweile in gigantischen Szenen wie dem schier unmöglichen Ausbruch des weißen Tigers aus dem Hochsicherheitsgefängnis in alle Richtungen vertreibt. Wobei zu sagen ist: so toll die Bilder in ihrer eleganten wie rasanten Bewegung auch aussehen mögen, gerade hier stolpert “Kung Fu Panda” möglicherweise über seinen eigenen Anspruch und vergisst, die oft sehr sterile, wenn nicht statische Kameraarbeit der Old School-Streifen als Persiflage mitzunehmen. Zu modern und gekonnt ist eben nicht nur die Choreografie, sondern auch die Inszenierung; an manchen Stellen hätte man sich gewünscht, Pos plumpe Art auch auf die Inszenierung übertragen gesehen zu haben. Immerhin jedoch wird ausgerechnet das ultimative Duell seiner traditionellen Heiligkeit beraubt und mit fröhlicher Musik im hellen Dorf ausgetragen, als wäre alles nur ein blöder Witz. Dass es zuvor noch ein, zwei ziemlich düstere Kampfsequenzen gibt, verstärkt die Wirkung dieses Witzes nur.
Anspielungen auf Klassiker verstecken sich in Details wie Namen (die Shaw-Brothers dürfen da freilich nicht fehlen), der Besetzung (Jackie Chan darf Master Monkey sprechen, was in der Originalfassung trotz der kleinen Sprechrolle mit dem gebrochenen Englisch sicher ein Riesenspaß ist; in der deutschen Fassung beehrt uns erfreulicherweise Stammsprecher Stefan Gossler) und speziellen Sequenzen wie der Ausbildungssequenz mit den Teigballen, die überdeutlich an das Duell zwischen Simon Yuen und Jackie Chan in “Drunken Master” mahnt.
Das macht “Kung Fu Panda” spielfreudig, kurzweilig und sehr pfiffig, ohne den Anspruch, vergleichbar mit “Happy Feet” einen tieferen Sinn oder eine besonders stark hervorstechende Botschaft aufzurichten, auch wenn am Ende klar und deutlich der Leitsatz “Die Kraft liegt in dir selbst” steht. Aber aufgrund des fernöstlichen Ambientes könnte man glatt meinen, das sei eine Frage der Philosophie und nicht etwa eine beißende Moral.
8/10