Tipping the velvet
Die britische TV Mini-Serie "Tipping the velvet" kann man auch getrost als Film konsumieren. Auf der DVD befinden sich zwar 3 Folgen, aber diese laufen jeweils nur ca. 50 Minuten und gehen fließend ineinander. Somit hat man einen 2,5 Stunden Film, der wie im Flug vorbei zieht.
Nancy arbeitet im Restaurant ihrer Eltern. Mit ihrem Freund ist sie nicht sonderlich glücklich und befürchtet das irgendwas mit ihr nicht stimmt. Als sie durch einen Freund der Familie einen Showabend in der Stadt besuchen, sieht sie die Künstlerin Kitty auf der Bühne, die auf sie eine magische Faszination ausübt. Von nun an befindet sie sich täglich in der Vorstellung, nur um Kitty auftreten zu sehen. Diese stellt die dauerhafte Präsenz natürlich fest und bittet sie in die Garderobe. Nach kurzer Zeit entwickelt sich eine tiefe Freundschaft und die beiden Frauen beschließen nach London zu gehen, ohne ihre tiefen Gefühle für einander zu offenbaren. Dies ist auch nicht ganz einfach, da lesbische Liebe gegen Ende des 19.Jahrhundert nicht gerade herzlich Willkommen ist. Trotzdem hat sich in der Großstadt dafür eine kleine Szene entwickelt, die ihren Neigungen nachgeht.
Die Autorin Sarah Waters hat die Literaturvorlage für diese BBC Verfilmung geliefert und wurde schon nach kurzer Zeit mit Preisen und Lobeshymnen überhäuft. Beurteilen kann ich die Werke allerdings nicht, da "Tipping the Velvet" die erste Berührung mit ihr war. Dafür aber den Film und der ist einfach fabelhaft.
Die Ausstattung des zu Ende gehenden Jahrhunderts, das Setdesign und auch die Garderobe lassen uns sofort mehr als 100 Jahre in die Vergangenheit zurück reisen. Das Straßenbld, die Märkte und die schäbig wirkenden Ecken sehen einfach fantastisch aus. Genauso hat man sich London zum ausgehenden Jahrhundert vorgestellt.
Glücklicherweise wird das zentrale Thema nie verkitscht und vertuscht. Keine blöden Ablehnungen um ins Klischee zu passen, sondern offener Umgang mit der Frauenliebe. Keine nervigen Hänseleien und auch kein "Kampffilm" der um Toleranz und Verständnis wirbt. Nein, es ist einfach die Geschichte einer Frau die eine Frau liebt und durch Höhen und Tiefen watet. Dabei wird die Inszenierung nie peinlich, nie voyeuristisch und trotzdem spürt man erotische Spannung. Die Kamera hält sich dezent im Hintergrund und erlaubt uns dennoch daran teilzuhaben. Die Geschichte ist hochinteressant und immer spannend. Man weiß nie was als nächstes passieren wird und sie hält einen konstant in Atem. Einen großen Anteil daran haben aber auch die Darsteller. Besonders Rachael Stirling ist einfach wunderbar und bietet eine Darbietung von der man gefesselt ist. Die anderen Darstellerinnen sind natürlich ebenfalls superb, aber sie hatte es mir besonders angetan. Wer jetzt denkt das dies ein reiner Frauenfilm ist, irrt sich gewaltig. Für Männer ist er genauso interessant, sofern man für mehr als Action und coole Sprüche etwas übrig hat.
Wer also ein bißchen die Szenerie dieser Zeit mag und auch an romantischen aber nie kitschigen Geschichten interessiert ist, muß sich "Tipping the velvet" unbedingt ansehen.