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Schön das Du hier auch dann zu Wort meldest!Ich habe den Film letztes Jahr auf der Filmkunstmesse Leipzig zum ersten Mal gesehen und obwohl seit der Sichtung echt viele Monate vergangen sind, ist mir der Film noch sehr präsent. Einfach weil er mich so tief beeindruckt hat.
Das ist richtig. Ich hatte bewusst diesen Aspekt etwas aus meiner Kritik herausgelassen, weil ich einfach die Angst hatte, das wenn ich da zu viel schreibe, ich zuviel von der Story spoilern würde. Was ich halt ausdrücken wollte ist halt ganz klar das die ganzen Querverweise und Erwähnungen für mich halt nicht so greifbar waren und diese vielleicht bei einem Klassikliebhaber noch mehr Glücksgefühle auslösen beim schauen dieses Films. Natürlich weiß ich wer Johann Sebastian Bach war, aber ich oute mich einfach mal und behaupte ich würde 98% seiner Lieder nicht erkennen zuschweige denn anhand ihres Namens zuordnen können das es eine Komposition von Bach ist. Und von diesen kleinen feinen Asnpielungen/Erwähungen gibt es schon einige im Film. Das wollte ich damit sagen. Das die eigentliche Musik nicht so prominent Platziert ist, wie z.B. in einem musikalichen Biopic, da gebe ich Dir vollkommen recht.In deiner Kritik verweist du viel auf die klassische Musik und den Klassikbetrieb, aber Klassikerfreunde können durchaus enttäuscht von dem Film werden. Zwar spielt der Film in der Klassik-Szene, aber klassische Musik hört man wenig und stattdessen werden die Hintergründe dieses Klassikbetriebs beleuchtet und hier insbesondere das Verhältnis von Macht und Einfluss.
Auf jeden Fall ein wenn nicht sogar das Haupthema des Filmes! Und ich glaube, egal in welcher Branche man unterwegs ist, es gibt den "Nasenfaktor". Als Führungskraft arbeitest Du natürlich mit gewissen Leuten lieber zusammen und mit anderen weniger. Die Kunst daran ist es dennoch zu erkennen welches Potentlial jeder Mitarbeitert hat und dieses individuell in der Firma bzw. Team so einzusetzen, das alle davon provitieren. Und die ganz große Schwierigkeit als Führungskraft ist es ja, gerade wenn es um Beförderungen geht, fair zu entscheiden wer sie am ehesten verdient hat, auf Grund von Leistung und Engagement, aber auch über neutral zu bleiben und Symphatie, zumindest wenn es um solche Entscheidungen geht, komplett außen vor zu lassen, zumindest wenn es sich um eine Firma handelt bei der ich selber nur die angestellte Führungskraft bin. Anders sehe ich das persönlich bei Firmen die vom Inhaber bzw. Inhaberin geführt werden. Da würde ich mir schon den Luxus gönnen in meinem engsten Umfeld nur Leute arbeiten zu lassen mit denen ich auch menschlich kompatibel bin. Klar muss das fachliche auch bei dennen passsen, aber wenn ich die Person wäre die das komplette unternehmerische Risiko trägt, würde ich da auf wichtigen Positionen auch nur Leute arbeiten lassen denen ich menschlich zu 100% vertrauen könnte. Weil sonst wäre es eine One Man Show und ich müsste ständig alles kontrollieren und mit alles meine ich wirklich alles! Und das kann auch nicht Sinn und zweck sein. Aber in dem Moment wo man sich in so einem Machtgefüge, wie es auch im Film vorhanden war, sich bewegt muss man meiner Meinung nach neutraler sein und wirklich nach Leistung und Kompetenz entscheiden. Daher, das war mir übrigens auch neu, fand ich diese "Blind Auditions" beim Vorspielen sehr fair weil man wirklich nur auf Grund der Leistung die Person bewertet hat und somit ja auch, in diesem Fall eine junge talentierte Chellistin den Solopart zugesprochen bekam. Wäre es ein Vorspielen gewesen wo man die Person gesehen hätte, bin ich mir sicher wäre die Wahl eine andere gewesen, weil eben viele "alt eingesessene" Leute in Machtpositionen eher ihre Stimme für die Leute die länger im Orchester dabei gewesen waren, abgegeben hätten. Auf jeden Fall ein spannendes Thema.Das Thema des Films ist für mich also klar Machstrukturen am Arbeitsplatz. Man hätte das Thema auch außerhalb des Klassikmilieus ansiedeln können. Also beispielsweise in anderen künstlerischen Milieus oder im Sportbereich. Die Stärke des Films ist für mich seine Ambivalenz bei der Abbildung von Macht und Autorität und mit welchem genauen Gespür der Film viele aktuelle Themen und Diskurse differenziert anspricht.
Ich glaube eine klare Seite sollte auch nicht bezogen werden. Sondern vielmehr sollte aufgezeigt werden, was ja leider auch in der Realität bestimmt kein Einzellfall ist, solange etwas nicht offiziell bekannt gemacht wird, bzw. eben durch eine Schwachstelle dann ans Tageslicht kommt, wird vieles in solchen Kreisen geduldet. Der Erfolg heiligt die Mittel. Ich bin mir sicher das es ein offenes Geheimnis war das Lydia die ein oder andere Affaire mit weiblichen Studentinen bzw. halt jungen Musikerinnen aus dem Chor hatte, solange es aber nie zum Problemfall wurde und ein Skandal im Anmarsch war, wurde es geduldet.Dabei war für mich nicht immer klar, ob der Film eine Seite bezieht oder wo genau die Intention des Regisseurs bzw. Drehbuchtautors liegt. Vieles bleibt für mich im Ungewissen und im Vagen und das bietet für mich im Anschluss des Films enorm viel Diskussionspotenzial.
Allein die Tatsache, dass es sich im Film um einen weiblichen Dirigenten handelt (in der realen Welt sind weibliche Dirigenten noch mehr unterrepräsentiert als im Regiefach) und dass diese ihre Macht ähnlich ausnutzt, wie wir es in der Wirklichkeit bei unzähligen Männern in Führungspositionen oder im Kunst- und Kulturbereich kennen, bietet enorm viele Anknüpfungspunkte zur weiteren Diskussion. Will uns der Film damit sagen, dass es bei Macht und deren Ausnutzung gar nicht auf’s Geschlecht ankommt?
Männer wie Frauen sind quasi zu allem fähig und des liegt nur an den Umgang mit Macht. Oder zeigt uns der Film eine Frau, die erst durch ihre Anpassung (Kleidung, Autorität Frau, Geliebte) ans vermeintliche männliche Ideal auch dessen negative Seiten übernimmt? Agiert sie noch als Frau oder wie ein Mann im Klassikbetrieb? Hätte sie überhaupt diese Karriere hinlegen und die Reputation aufbauen können, wenn sie nicht die vermeintlich typisch weiblichen Eigenschaften negiert hätte?
Tatsächlich habe ich mir mir diese Frage auch gestellt und habe versucht diese Frage etwas auf den Filmbereich zu übertragen. Und ich glaube schon das wenn, egal welcher, aktuell angesagte Hollywood Regisseur durch irgendeinen Skandal in Hollywood in ungnade fallen würde, sich dann aber quasi anbieten würde für deutlich weniger Geld aber mit der selben Leidenschaft eine Produktion irgendwo in Asien zu inszenieren, die auch wirklich nur auf diesem Markt dort vertrieben würde, also nicht für den internationalen Markt gedacht wäre, auf jeden Fall da einen Job bekommen würde.Und gen Ende des Films wird auch noch mal dezidiert das Verhältnis der westlichen Kulturwelt zum Rest der Welt abgebildet. Ist eine „gefallene“ Star-Dirigentin noch gut genug für den asiatischen Musikmarkt oder sind die asiatischen Länder in ihrem moralischen Urteil einfach zurückhaltender?
Und wird hier ein Karriereabstieg beschreiben und wenn ja wieso wird ein Karriereabstieg mit den Arbeiten in einem nicht westlichen Land gleichgesetzt? Werden wir uns dadurch nicht wieder gewahr, dass wir die westliche Kultur als die bessere bzw. hochwertigere Kultur wahrnehmen und die asiatische Musikkultur nicht als die Hochkultur begreifen, wie wir sie hier im Westen noch immer so stark hervorheben? Auch hier nimmt der Film keine klare Position ein, sondern zeigt Entwicklungen auf und lädt dazu ein, dass man als Zuschauer selbst einige Dinge reflektiert.
Auch die Szene in der Masterclass von der Julliard School war da für mich sehr bezeichnent. Ich glaube nicht das es das erste Mal war das Lydia so unprofessionell war und eine Person die ihr nicht symphatisch war vor allen so fertig gemacht hat. Genauso denke ich wird sie Leute die ihr symphatisch waren sehr gelobt und vielleicht bei weiblichen Studentinen auch offen umworben haben. Aber solange solch eine Szene nicht geleaked wurde, war es allen anderen die sie hätten in ihre Schranken weisen können, egal. Hier hatte sie halt nur das "Pech" das ihre in ungnade gefallene Assistentin halt, auch wenn es verboten war, das mitgefilmt hatte und es gegen sie verwendet hat.
Jedoch dann in der letzten Szene war es für mich nicht mehr die Frage westlich vs. asiatischer Markt sondern vielmehr die Tatsache was sie da dirigiert hat. Ich habe es anfangs nicht genau erkannt, da ich diese Szene auch sehr schlecht kenne, ich hatte aber so eine Vermutung zunächst Richtung Anime bzw. Cosplay aber es war dann wohl, zumindest haben das meine Recherchen ergeben, irgendein Computerspiel wo sie dann Quasi den dort vorkommenden Soundtrack mit einem Liveorchester nachspielte. Und das wiederum ist, wenn man wirklich ein Talent bzw. sogar ein Meister seines Faches ist, doch schon sehr erniedrigend. Ich habe mir das dann halt so vorgestellt als wenn ein Darren Aronofsky dann eine Soap wie Gute Zeiten Schlechte Zeiten inszenieren müsste.