Phantom im Paradies
Der mächtigste Musik-Mogul, den die Welt jemals gesehen hat, sucht etwas Neues. Er plant den ultimativen Tempel, das Paradise, benötigt aber zur Eröffnung noch die passende Musik. Dabei will er nicht auf Dinge zurückgreifen, die er schon hat, sondern sucht nach der Zukunft. Dabei hört er das Werk von Winslow Leach, der eine Pop-Kantate zu „Faust“ komponiert hat und spürt sofort das dies das Richtige ist. Allerdings will er nur die Musik und nicht den Künstler. Deshalb trickst er ihn aus und stiehlt seine Komposition, doch Winslow möchte sie wiederhaben. Allerdings wird ihm dabei so übel mitgespielt, bis er irgendwann völlig entstellt auf Rache sinnt und von nun maskiert, als das „Phantom of the Paradise“ durch die Katakomben streift.
Direkt vorweg: Ich liebe diesen Film! Brian De Palma inszenierte dieses Musical, ähm den Horrorfilm, die Satire? Pop-Oper? Komödie? Comic? Drama? Egal! Der Film ist einfach wunderbar und entstand im Jahr 1974. Er ist traurig, lustig, spannend, seltsam und unglaublich ideenreich. Im Grunde ist er natürlich als Kritik an die Plattenindustrie zu sehen, in der beschrieben wird, wie man mit Künstlern und ihrer Kunst umgeht, sie zerbricht, verändert und wieder zusammensetzt. Der Clou dabei ist aber eben auch der geschlossene Kreis, da sich De Palma natürlich auch bei „Phantom der Oper“, „Faust“ und „Das Bildnis des Dorian Gray“ komplett bedient und diese Kunstwerke in völlig veränderter Form darbietet. Eine persiflierende Referenz an „Psycho“ ist selbstverständlich auch enthalten. Allerdings in eine wundervolle Geschichte eingerahmt und mit wahnsinnig bunten Bildern des Glitter-Rock umgarnt. Als ich den erstmalig sah, konnte ich meinen Augen nicht trauen, was für wunderbare Einstellungen, Kamerafahrten und Kreativität am Werk war. Hinzu kommt natürlich die wahnsinnig brillante Musik von Hauptdarsteller und Komponist Paul Williams, der natürlich durch seine geniale Interpretation von Swan und seine mitreißenden Kompositionen, dem Film seinen Stempel aufdrückt. Kenner von Brian De Palma entdecken natürlich auch den Co-Hauptdarsteller William Finley, der hier einmal den misshandelten Komponisten Winslow Leach, aber eben auch das Phantom großartig spielt. Fans von „Suspiria“ kommen ebenfalls auf ihre Kosten, da Jessica Harper an Bord ist, die einmal durch ihr Schauspiel aber auch durch ihre gesanglichen Darbietungen das Publikum komplett in den Bann zieht. Im Film, aber auch zu Hause vor den Fernsehgeräten. Dazu gibt es auch noch weitere „De Palma Mitglieder“. Sissy Spacek, die er kurze Zeit später als „Carrie“ auf die Leinwand losließ, arbeitete hier kräftig am fabelhaften Set Design mit. Die Theatergruppe, die er bei „Dionysus 69“ filmte, lud er zusätzlich für das Finale ein und deshalb ist auch hier zu bemerken, dass er von dem Stück wohl wirklich sehr beeindruckt war. Obendrein verteilte De Palma auch Grüße an bisherige Wegbegleiter. Den Namen Winslow Leach für das Phantom zu verwenden, ist zum Beispiel eine Hommage an seinen ehemaligen Professor.
So wunderbar der Film, so entsetzlich die Probleme die kurz vor der Fertigstellung auf sie zukamen. Klagen seitens Universal, wegen der Verwendung von Phantom der Oper, die mit einer großen Zahlung beseitigt werden konnten, allerdings auch eine Klage aus der Led Zeppelin Ecke, da man dort gerade kurz zuvor ein neues Label gegründet hatte, was ebenfalls den Namen „Swan“ in sich trug. Um die Größe des Medienmoguls im Film darzustellen, war in fast jeder Szene ein Logo mit der Aufschrift „Swan Records“ zu sehen. Ein Neudreh der Szenen war deshalb unmöglich, weil es fast den gesamten Film betraf. Deshalb kaschierte man die Aufnahmen nachträglich mit schwarzen Balken und kürzte Szenen, die nicht zu kaschieren waren. Deshalb wirkt das neue Logo im Film manchmal etwas seltsam. In Zeiten von CGI wäre dies kein Problem gewesen aber 1974? Nachdem man diese zusätzlichen Kosten bewerkstelligen musste, floppte der Film dann auch noch völlig. Vor dem Ruin retteten ihn zum großen Teil die Zuschauerzahlen in Winnipeg und Paris, wo der Film wie eine Bombe einschlug. Bei seiner Zweitveröffentlichung wurde er dann aber dennoch etwas erfolgreicher, bis er sich im Lauf der Zeit zu einem absoluten Kultfilm entwickelte.