AW: Metal Gear Solid: Peace Walker
Ich pack das mal hier rein, da es keinen eigenen Thread für MGS4 zu geben scheint. Zuletzt gespielt:
Metal Gear Solid 4
Es bleibt dabei: Wenn es darum geht, Videospiele aus einer cineastischen Perspektive heraus zu lesen, macht Hideo Kojima immer noch allen etwas vor - sogar 90 Prozent der aktuellen Thriller- und Actionfilme. Die "MGS"-Reihe war immer zu gleichen Anteilen Film wie Spiel, weshalb man auch diesmal bei 20 Stunden Gesamtspielzeit wieder auf geschätzt 10 Stunden Videomaterial kommt, wobei einzelne Sequenzen auch gerne mal eine Dauer von 45 Minuten erreichen - vom "Herr der Ringe"-ähnlichen Epilog mal ganz zu schweigen. Warum man bei diesem gewaltigen Anteil an Passivität so geduldig bleibt? Vermutlich, weil man bei Filmen oft vermisst, was man bei den in hochwertigen Kameraperspektiven geführten Zwischensequenzen von Kojima geliefert bekommt - herausragend inszenierte und choreografierte Kämpfe in militärisch-fiktionalem Kontext, der an Science Fiction grenzt, gepaart mit Unmengen an Dramatik und Emotionen, aufgelockert mit gelegentlichen Einschüben von Humor. Darüber hinaus interagiert das Spiel immer wieder mit dem Zuschauer, so dass es zwischenzeitlich seine mediale Einordnung als Computerspiel verliert: Der Spieler wird als operierende Einheit, als Führer der Spielfigur immer mal wieder ironisch herausgehoben, indem ihm beispielsweise der Operator anweist, er solle die Disc wechseln - bevor ihm einfällt, dass das jetzt ja dank Playstation 3 gar nicht mehr nötig ist. Die PS3-Hardware wird damit als Teil der Geschichte dargestellt, zumal ein Bossgegner einmal sogar behauptet, den Controller beeinflussen zu können (und prompt beginnt die DualShock-Funktion an, zu summen). Einen derart selbstironischen Einbezug des Spielers direkt in die Storyline trauen sich nicht viele Spiele zu, aus Angst, lächerlich wirken zu können.
In diesem Punkt ist "MGS4" ohnehin wieder ein Unikat, bietet es doch einen alten Mann als Helden an, der kaum noch aufrecht stehen kann. Mit jeder Minute, die das Spiel voranschreitet, wird "Old Snake" spürbar schwächer - mitten im Schleichakt hält er sich plötzlich auch mal den Rücken, und das Finale versucht nicht wie tausende andere Spiele unserer Zeit mit Schnelligkeit und optischem Einfallsreichtum zu beeindrucken, sondern mit der puren Kraft der Entschlossenheit und der Intensität der letzten Züge.
Spielerisch ist dagegen nicht alles eitel Sonnenschein: Auf normaler Schwierigkeitsstufe konnte ich trotz einer wie immer überwiegend klug agierenden Gegner-KI fast nach Belieben durch die Gegnerhorden rumpeln und hatte meistens Erfolg damit, alles niederzuschießen, was mir in den Weg läuft - eine Taktik, die naheliegend immer der erste Versuch ist, wenn man noch ein Dutzend anderer Spiele warten hat. Mit dem ausgefeilten Stealth-System, das mich vor allem in "Metal Gear Solid 2" so beeindruckt hat (den ersten Teil auf der PSOne habe ich nie gespielt, allerdings gibt es in MGS4 eine Traumsequenz, in der man ein Kapitel in Originalgrafik nachspielen kann), hat das alles nichts mehr zu tun. Kein taktisches Vorgehen mehr nötig. Schade, zumal auch die Bossgegner diesbezüglich längst nicht mehr so fordernd sind wie früher.
So bleibt ein spielerisch zwiespältiges Erlebnis, dessen Schwächen durch die Story aber wieder ausgebügelt werden - zumindest, sofern man bereits Kenntnisse in der Franchise hat. Anderenfalls wird man nur rätseln können, was es mit "Liquid Snake" und "Solid Snake", mit "Foxdie", "PMC" und sonstigen Termini auf sich hat, die inzwischen bereits ein eigenes Fremdsprachenlexikon füllen könnten.
7/10