Merkel

Willy Wonka

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Merkel

Berichte, Reportagen und Dokus über Angela Merkel, ihre politische Laufbahn und ihre Kanzlerschaft gibt es viele, aber diese stammen überwiegend aus Deutschland und zeigen eine deutsche Sicht auf die Kanzlerin. Beim Dokumentarfilm „Merkel“, der 2023 in die deutschen Kinos kommt, handelt sich um eine internationale Ko-Produktion (Großbritannien, Dänemark, Deutschland), die vor allem die europäische und amerikanische Sicht auf die ehemalige Kanzlerin abbildet. Dementsprechend ist es ihre Außenpolitik und ihre Zusammenarbeit mit anderen Regierungschefs, die im Fokus des Films stehen. Insbesondere ihre Zusammenarbeit und Beziehung zu den unterschiedlichen amerikanischen Präsidenten von George W. Busch, über Barack Obama, Donald Trump und zum Schluss sogar noch kurz Joe Biden nimmt dabei viel Raum ein. Die stärksten Momente bilden im Film dann auch der letzte Besuch Barack Obamas in Deutschland, der Angela Merkel tatsächlich eine Träne in der Öffentlichkeit entlockt, und der schwierige erste Besuch bei Donald Trump im Weißen Haus, wo die Zusammenkunft extrem angespannt wirkte.

Die Basis des Dokumentarfilms bildet aber der eindrucksvolle Lebensweg Merkels. Ihr Weg aus der ehemaligen DDR mit all den damals verbundenen Restriktionen, über den Fall der Berliner Mauer und der damit gewonnen Freiheit und der daraus resultierende Schritt in die Politik entspricht aus internationaler Sicht einer märchenhaften, amerikanischen Erzählung. Eigentlich der ideale Stoff für Hollywood. So ist es nicht erstaunlich, dass der Dokumentarfilm im Vergleich zu vielen deutschen Filmen wesentlich pathetischer dieses Thema aufgreift. Deutsche Dokus oder Reportagen wirken dagegen häufig sachlicher und nüchterner.

Inszenatorisch greift der Film natürlich auf sehr viel Archivmaterial zurück, von frühen Interviews im Fernsehen (u.a. bei Stern TV in den 90ern), Nachrichtenbilder und vielen heutigen „sprechenden Köpfen“, wie man sie aus unzähligen Dokumentationen kennt. Dabei kommen neben deutschen Politkern, Journalisten und Personen des öffentlichen Lebens (u.a. auch Regisseur Volker Schlöndorff) auch einige internationale Politiker (wie Hilary Clinton, Tony Blair etc.) zu Wort.

Aus filmischer Sicht ist der Dokumentarfilm sicherlich kein Meilenstein und auch über die Schwerpunktsetzung und darüber, welche Themen wie viel Raum bekommen, kann man streiten, aber dennoch ist es spannend einen Dokumentarfilm über eine deutsche Kanzlerin zu sehen, der eben nicht aus der deutschen Perspektive erzählt wird. Während ihrer Kanzlerschaft und vor allem in den letzten Jahren, wo sie international mit sehr vielen Preise ausgezeichnet wurde, war die Sicht auf die deutsche Kanzlerin bereits sehr häufig positiver als im eigenen Land. Ein Schicksal, das sie mit vielen internationalen Regierungschef gemein hat, denn ein Macron oder Obama wird beispielsweise in Deutschland auch mehr geschätzt (oder gar gefeiert) als im eigenen Land.

Mit guten 90 Minuten ist es ein interessanter und kurzweiliger Dokumentarfilm über Angela Merkel geworden, der wichtige Stationen ihres Lebens und ihrer politischen Karriere abbildet.
 
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