Lichter der Vorstadt

Despair

Filmvisionaer
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
12.550
Ort
Somewhere in Hessen
Filmkritiken
61
AW: Lichter der Vorstadt

Lichter der Vorstadt

Nachtwächter Koistinen führt ein tristes Leben. Von den Arbeitskollegen drangsaliert und ohne Freunde träumt er von der Eröffnung einer eigenen Security-Firma. Plötzlich wird er von der blonden Schönheit Mirja umgarnt. Aus ganz speziellen Gründen, wie sich später herausstellen soll...

Rauchen und Starren – mehr bekommt man auf den ersten Blick in „Lichter der Vorstadt“ nicht geboten. Finnen gelten als in sich gekehrt und wortkarg, und Aki Kaurismäki liefert den filmischen Beweis dafür. Stoische Mienen, leere Blicke, Kippe in der Fresse, geredet wird nur das Nötigste. In Verbindung mit Bildern der kargen winterlichen Vorstadt kann das für den ein oder anderen depressiven Schub sorgen. Das scheint Koistinen gut zu kennen, begegnet er doch jeder Lebenslage stets gleich - mit unbeweglichem Gesicht und starrem Blick. Und das Leben hält einige Genickschläge für ihn bereit...

Fazit: finnisches Kino. Findet man langweilig oder faszinierend. Aufgrund der frostig-depressiven Atmosphäre und der kompakten Spielzeit von 75 Minuten tendiere ich zu letzterem. Genug der Worte.

9/10 Punkte
 

Farman

Kleindarsteller
Registriert
23 Juni 2008
Beiträge
140
Ort
Köln
Filmkritiken
2
AW: Lichter der Vorstadt

Klasse. Ein klitzekleiner (aber wirklich nur klitzekleiner) Einwand:

Fazit: finnisches Kino. Findet man langweilig oder faszinierend. Aufgrund der frostig-depressiven Atmosphäre und der kompakten Spielzeit von 75 Minuten tendiere ich zu letzterem. Genug der Worte.

Wenn du ihn faszinierend und nicht langweilig fandest, würde ich das empfehlen ohne "Einschränkung" (d.h. der Film ist ein "special taste", kann schnell interpretiert werden und wird unterbewusst schnell interpretiert als "bestimmt was für freaks"). Klar muss man auf verschiedene Geschmäcker Rücksicht nehmen, aber ich finde wenn man einen etwas "anderen" Film gut findet sollte man ihn einfach plump empfehlen. Die Leute haben ja schon genug Berührungsängste, das ein oder andere Mal bringts der Holzhammer mehr als der Samthandschuh ;)

Meiner Ansicht nach war der Film auch ganz gut zugänglich und hat imo einen immensen Charme. Ich liebe einfach auch den Typen auf dem Regiestuhl, ein Typ namens Aki Kaurismäki, dem man seine ernsthafte, extreme Liebe für das Kino einfach ansieht und das bereitet mir jedenfalls echt viel Freude. Der Film ist Chaplins "City Lights" als Film Noir, mit immensen Anleihen bei einem französischen Ausnahmeregiegott namens Robert Bresson, der ein wesentlich schwierigerer Zeitgenosse ist (Kaurismäki ist imo eine Art Bresson-Light), und ist ein sehr mitleidvoller und gleichzeitig ironischer Blick auf die globale und lokale Misere. Ich kann mich damit irgendwie voll und ganz identifizieren, weil ich das Gefühl habe, Kaurismäki versteht den Film Noir ähnlich wie ich immer gemeint habe, ihn verstanden zu haben: Kein Machoglamour, sondern Melancholie. Und die Farben alleine sind das Anschauen schon wert. Ein weiteres Beispiel, dass das klassische Hollywood in Europa fortgesetzt wurde. Wenn seine Amikollegen nur halb so viel Liebe für ihre Arbeit, für die Filmgeschichte und für den kleinen Mann von nebenan (und das alles gleichzeitig) durchscheinen lassen würden, wäre ich glücklich.
Kein Meisterwerk imo, dafür war einiges zu "normal", aber überhaupt gar nicht abgenutzt, wie einige Spinner in den deutschen Feuilletons, die man alle auf den Mond schießen kann, behaupten. Ich empfehle "Das Mädchen in der Streichholzfabrik" und "Ariel". Die ganz frühen Werke von ihm (und viele andere) muss ich selber noch sehen.
 

Despair

Filmvisionaer
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
12.550
Ort
Somewhere in Hessen
Filmkritiken
61
AW: Lichter der Vorstadt

Wenn du ihn faszinierend und nicht langweilig fandest, würde ich das empfehlen ohne "Einschränkung" (d.h. der Film ist ein "special taste", kann schnell interpretiert werden und wird unterbewusst schnell interpretiert als "bestimmt was für freaks"). Klar muss man auf verschiedene Geschmäcker Rücksicht nehmen, aber ich finde wenn man einen etwas "anderen" Film gut findet sollte man ihn einfach plump empfehlen. Die Leute haben ja schon genug Berührungsängste, das ein oder andere Mal bringts der Holzhammer mehr als der Samthandschuh ;)

Hast ja recht. Ich fürchte nur, dass eine uneingeschränkte Empfehlung meinerseits dem Film auch nicht mehr Aufmerksamkeit zuteil werden lässt. Aber trotzdem hier mein neues (noch wortkargeres) Fazit:

Finnisches Kino. Anschauen! :D

Von Kaurismäki habe ich leider viel zu wenig gesehen. Neben den Leningrad Cowboys, die wohl die meisten Leute kennen werden, hat mir "Der Mann ohne Vergangenheit" sehr gut gefallen.

"Lichter der Vorstadt" kommt ja gänzlich ohne Action daher - daher meine Befürchtung, dass viele Zuschauer den Film als langweilig empfinden könnten. Bezeichnend die Szene, als Koistinen die drei Typen in der Kneipe auf ihren draußen angebundenen Hund anspricht. Daraufhin verlassen sie mit ihm die Bar, die Kamera bleibt auf die geöffnete Tür gerichtet. Nächste Einstellung: Koistinen mit verbeulter Visage. Absolut großartig! :D
 

Farman

Kleindarsteller
Registriert
23 Juni 2008
Beiträge
140
Ort
Köln
Filmkritiken
2
AW: Lichter der Vorstadt

Hast ja recht. Ich fürchte nur, dass eine uneingeschränkte Empfehlung meinerseits dem Film auch nicht mehr Aufmerksamkeit zuteil werden lässt.

Das ist wahr, aber man sollte bekanntlich den Glauben nicht verlieren.
Aber trotzdem hier mein neues (noch wortkargeres) Fazit:

Finnisches Kino. Anschauen! :D

JA~WOLLL!
Von Kaurismäki habe ich leider viel zu wenig gesehen. Neben den Leningrad Cowboys, die wohl die meisten Leute kennen werden, hat mir "Der Mann ohne Vergangenheit" sehr gut gefallen.

Die Leningrad Cowboys habe ich leider noch nie gehört. Den Mann ohne Vergangenheit aber kenne ich und der ist ebenfalls klasse. Ich würde sagen ungefähr auf dem selben Niveau wie der hier, und das ist ein sehr hohes Niveau.

"Lichter der Vorstadt" kommt ja gänzlich ohne Action daher - daher meine Befürchtung, dass viele Zuschauer den Film als langweilig empfinden könnten. Bezeichnend die Szene, als Koistinen die drei Typen in der Kneipe auf ihren draußen angebundenen Hund anspricht. Daraufhin verlassen sie mit ihm die Bar, die Kamera bleibt auf die geöffnete Tür gerichtet. Nächste Einstellung: Koistinen mit verbeulter Visage. Absolut großartig! :D

dito. Das ist eine (nach meiner ebenfalls beschränkten Kenntnis) typische Kaurismäki-Szene.

Klasse als Einstieg wär es auch, wenn man "City Lights", einen der unantastbarsten Filme aller Zeiten, kennt und sieht, wie klasse er sich auf ihn bezieht, und ihn bizarrerweise als Film Noir interpretiert. Dazu könnte man ne Menge schreiben.
 
Oben