Frankenstein

Travis

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Gesamtübersicht aller Kritiken zu Frankenstein:

#02 03.12.08 Vince

Gesamtübersicht aller Kritiken zu Frankensteins Braut:

#04 04.12.08 Vince

Gesamtübersicht aller Kritiken zu Frankensteins Sohn:

#05 04.12.08 Vince

Gesamtübersicht aller Kritiken zu Frankenstein kehrt wieder:

#06 04.12.08 Vince

Gesamtübersicht aller Kritiken zu Frankenstein trifft den Wolfsmenschen:

#07 04.12.08 Vince

Gesamtübersicht aller Kritiken zu Frankensteins Haus:

Gesamtübersicht aller Kritiken zu Draculas Haus:
 
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Travis

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AW: Frankenstein (1931) + Sequals

Kritik von Vince

FRANKENSTEIN
Ausschnitte aus meiner ofdb-Kritik

Mit “Frankenstein” suggeriert man heute die Anfänge des klassischen Horrorkinos. Die Grundzüge der Geschichte sind ebenso gut bekannt wie konkrete visuelle Eindrücke von Boris Karloff, die Zeit und Veränderungen standhaft überdauert haben, erkennt man seine einprägsamen Gesichtszüge doch selbst in den verfremdetesten Karikaturen einer Frankenstein-Kreatur wieder - das ist die Macht des traditionell überlieferten Bildes, dessen sich ein Robert de Niro in diesem Fall nicht rühmen konnte. Wie auch...

Viele der besten Elemente des heute als Meilenstein und Meisterstück titulierten Werks entwuchsen dabei sogar Kompromissen. Genau genommen musste der ganze Film ein einziger Kompromiss sein, galt es für den Regisseur doch, ein Ding der Unmöglichkeit zu vollbringen: Der Roman Shelleys musste auf eine gute Stunde Filmerzählung komprimiert werden. Das funktionierte nur durch das immense Aussparen von Handlungssträngen, Handlungsorten und Charakteren. Die Verfilmung ist nurmehr ein Fragment des Romans und schon insofern zumindest über weite Strecken eine meisterhafte erzählerische Leistung. Eigentlich ist die Verfilmung gar noch mehr gebunden an die bereits komprimierten Theaterstücke, doch selbst diese wurden nochmals zu großen Teilen außer Acht gelassen, so dass der Film die Geschichte auf ganz neue Art erzählt.

Im Zuge dieser Neuerfindung wurden zugleich mehrere Archetypen erschaffen, wie sie uns noch heute immer wieder entgegenschlagen. Nicht nur das Bild von der maroden Burg bei Blitz und Donner hat viele Filmschaffende (unter anderem das Studio “Dark Castle”) inspiriert, auch Stereotypen wie der berüchtigte “Mad Scientist” (dessen Reinkarnation nicht zuletzt durch die an “Frankenstein” angelehnten “Re-Animator”-Filme Jeffrey Combs geworden ist) oder der bucklige Gehilfe wurden geschaffen.

Besonders erwähnenswert ist nun in diesem Rahmen die komplexe Darstellung der Kreatur, deren Darstellung die US-amerikanische Presse zu Jubelstürmen und Superlativen hinreißen und das Publikum zu Massen in die Kinos strömen ließ. Massenpsychologie war zu Beginn der Dreißiger Jahre im Zuge der Großen Depression ein aktuelles Thema, und zeitgenössische Kritiker sahen in “Frankenstein” gar im Gesamten einen Film, der zum psychologisch perfekten Zeitpunkt in die Kinos kam. Die Wirtschaft war in ausweglose Zwangslagen verankert und der Bevölkerung ging es schlecht. Dieses Umfeld ließ Verständnis aufkommen gar für eine zwar gepeinigte Kreatur, die aber immerhin mehrere Menschen im Film tötet - ein Novum in der Filmgeschichte. Hieraus resultiert die eigentliche Komplexität der Filmfigur Frankenstein, womit der Film also auch in Wechselwirkung mit der damaligen wirtschaftlichen Situation interpretiert werden kann - als ein Produkt von ihr, als ein Produzent von ihr.

Wenn auch einiges bei mir die Höchstwertung verhindert, so ist “Frankenstein” doch unverkennbar ein Meilenstein des Horrorfilms, der zu Recht diesen Namen trägt. Nicht nur hat er viele Archetypen und Ikonen hervorgebracht, auch wartet er mit einer Charakterzeichnung auf, wie man sie bei einem als “Monster” präsentierten Geschöpf noch nie gesehen hat. Weiterhin handelt es sich um einen der ersten Filme, bei denen ganz bewusst sehr gute Schauspielleistungen zu erkennen sind, die sich durch den Situationen angemessenen Verhaltensweisen auszeichnen und die letzten Spuren des overactenden Stummfilmkinos von sich abschütteln konnten. Inszenatorisch perfekt und dramaturgisch auf höchstem Niveau, stören lediglich wenige, dafür massive Schnitzer, die ein wenig der ansonsten ausgefeilten Grundlage zuwiderlaufen, mit der dieser frühe Klassiker in aller Regel so bravourös operiert.
8/10
 

Travis

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AW: Frankenstein (1931) + Sequals

Klasse. Habe mich schon gefragt, wann du deine geniale Doktor-Arbeit zu der Monster-Legacy-Box auf Forumsformat zurechtgeschnitten hier einzustellen beginnst. Deiner Kritik ist auch aus meiner Sicht nichts hinzuzufügen. Du hast alles wesentliche angesprochen und selbst das Kunststück vollbracht, deine Langfassung so zu kürzen, daß deren Grundaussage punktgenau erhalten bleibt. Klasse Leistung und mein größter Respekt.
Am beeindruckensten war für mich an dem Film, wie Whale seine Kreatur dem Zuschauer präsentierte und damit ambitionierte Filmmacher bis in die heutigen Tage inspirierte. Er erschlug den Zuschauer nicht mit der sofortigen Offenbarung der kompletten Kreatur, sondern offerierte diese zuerst häppchenweise, was die Spannung und den Effekt in damals so nicht gekannten Ausmaß steigerte. Absolut genial. Ich würde bei der Wertung des Films, wenn man alle revolutionären Elemente und Innovationen für die damalige Zeit miteinbezieht, sogar auf ein 9 /10 erhöhen. Und das auch nur, um nach Luft für den Nachfolger zu lassen. Aber da will ich deiner sicher noch kommenden Kritik nicht vorgreifen. Bin ja wirklich gespannt, ob sich aus diesem Thread zu der wohl neben "Dracula" stilbildensten Horror-Ikone eine Diskussion über den "alten" Horrorfilm ergeben wird. Wäre schön.
 

Travis

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AW: Frankenstein (1931) + Sequals

Kritik von Vince


FRANKENSTEINS BRAUT
Ausschnitte aus meiner ofdb-Kritik

Das Sequel zum Horrorklassiker “Frankenstein” gilt unter vielen Experten als ein solches aus der seltenen Gattung derjenigen Sequels, die ihren Vorgänger zu übertreffen vermögen. Dieser Einschätzung kann man sich durchaus anschließen, ist “Bride of Frankenstein” doch alles in allem spritziger, einfallsreicher, aufwändiger, komplexer und themenübergreifender als sein großer Bruder.

Handlungstechnisch hat man sich inzwischen ziemlich weit von der ursprünglichen Idee der Entstehung des Monsters und den daraus resultierenden faszinierenden Diskursen gelöst. Der wissenschaftlich begründete Grundgedanke des Romans steht nicht mehr länger im Vordergrund. Die erneut von Boris Karloff hervorragend verkörperte Kreatur sollte sich im zweiten Teil weiterentwickeln und die Eierschalen ihrer Entstehung abstreifen, um sich nun mit der Welt und ihren Schikanen auseinanderzusetzen. Das Monster steht diesmal vollkommen im Zeichen der Wandlung, provoziert durch die Umwelt. Whale zeigt ein für allemal, wie ein Lebewesen durch sein Umfeld zu bestimmten Handlungen gedrängt wird, nicht durch seine genetische Beschaffenheit.

Für Karloffs Figur entwickelt sich die Geschichte beinahe zu einer frühen Form eines Road Movies, wird sie von den Drehbuchautoren doch hinaus in die Welt geschickt, um dort Erfahrungen zu sammeln, was selbstverständlich für die obig angesprochene Grundidee positiv zum Tragen kommt. Bewusst wird das Monster von seinem Schöpfer und damit von seinen Ursprüngen durch eine parallele Erzählweise abgetrennt, um eigene Erfahrungen mit der Welt zu machen und nicht unter künstlichen Bedingungen das von ihm eigentlich ungewollte Leben (“I love dead... hate living”) zu schmecken. Der Grundtenor bewegt sich deutlich gen Sozialanalyse und gleicht streckenweise gar schon einer Kaspar Hauser-Situation. Das tragische Wesen des Monsters tritt stärker ins Bewusstsein des Publikums, wann immer sich Frankensteins Kreatur lächelnd und gutmütig hinterrücks einem unbedarften Menschen nähert, um diesen anschließend durch sein reines Äußeres zu Tode zu erschrecken und damit abgewiesen zu werden - was im Endeffekt den Gemütszustand der Wut hervorruft. Dabei verurteilt Whale nicht etwa blind die Menschen, die eine solch unbegründete Furcht vor dem Monster zeigen. Die vermeintlichen “Opfer” des Monsters sind in Motive der Unschuld gehüllt - der Vater ist nur ein trauernder Mann, der Rache für sein Kind will, und das junge Mädchen im Wald hegt keinerlei düstere Gedanken, als es voller Lebensfreude mit ihren kleinen Zieglein durch das Grün spaziert.

Die “Bride of Frankenstein” kommt über weite Strecken nur als theoretischer Gedanke vor, bis sie am Ende auf Drängen des Monsters in die Praxis umgesetzt wird. Dieses Drängen folgt aus den Erfahrungen, die es bei seiner Reise durch die Landschaft machte, als ein Resultat der Feststellung, dass es “gute” und “böse” Dinge auf der Welt gibt. Die Tatsache, dass das Monster aus seiner eigenen Lage nicht gelernt hat und stattdessen nur ein weiteres Exemplar seiner unglücklichen Gattung fordert, macht die vollkommene erzählerische Genialität dieses Films aus, welche “Frankenstein” an bestimmten Stellen noch fehlte.

Was mich betrifft, ist “Bride of Frankenstein” deswegen im Vergleich mit “Frankenstein” der noch bessere Film, weil er nicht nur optisch attraktiv und auf höchstem Niveau umgesetzt wurde, sondern auch erzählerisch in Sphären vorstößt, von denen man noch vier Jahre vorher wohl kaum zu träumen gewagt hätte. Massive Ungereimtheiten sind eigentlich kaum zu finden, und am Ende fügt sich alles mit einer Harmonie zusammen, die “Frankenstein” noch gefehlt hatte. Der jedoch hat in Sachen Atmosphäre sicherlich die Nase vorn, präsentiert er das Monster doch deutlich mysteriöser und gewissermaßen auch faszinierender. Man sollte selbst entscheiden, welche Richtung man bevorzugt.
9/10
 

Travis

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AW: Frankenstein (1931) + Sequals

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FRANKENSTEINS SOHN
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Das Jahrzehnt, das mit “Frankenstein” begann, sollte durch die Beendigung der Trilogie auch wieder mit ihm ausklingen. Acht Jahre nach der ersten Adaption des Stoffes von Mary Shelley kam mit “Son of Frankenstein” 1939 der dritte und zugleich letzte Teil in die Lichtspielhäuser, an dem auch Boris Karloff als Monster mitwirkte. Herausgekommen ist letztendlich ein Film, der sich in erster Linie bemüht, den Mythos “Frankenstein” unsterblich zu machen, anstatt eine intelligente Fortführung der von James Whale so eindrucksvoll dirigierten Geschichte anzupeilen. Rowland V. Lees Arbeit ist ein selbstbezogenes, auf die Wirkung seiner Figur vertrauendes Werk, das nichts weiter versucht als während des laufenden Filmes zu unterhalten - ohne, dass im Anschluss besonders viel beim Betrachter zurückbleiben würde.

Leider hat das fatale Konsequenzen für Karloffs Figur. Denn die herrlichen Fortschritte, die in “Bride of Frankenstein” erzielt wurden, werden nun einfach ignoriert. Die Konsequenz ist nun die, dass das Monster diesmal so farblos bleibt wie nie zuvor. Und das liegt daran, dass die Rolle des Monsters durch seine unverzeihliche Reduzierung auf ein reines Werkzeug ihm auch das nimmt, was eigentlich verstärkt in den Vordergrund gestellt werden sollte: seine mysteriöse Ausstrahlung, sein faszinierendes Wesen, seine Ikonenhaftigkeit. Davon ist nichts mehr zu spüren, seit das Monster zu einem unsterblichen Geschöpf erklärt wurde, seit es seine innere Zerrissenheit verlor.

Es bleibt hinzuweisen auf die gelungene Darstellung der Situation im Dorf, die mit surrealen Momenten um sich wirft. Die Tatsache, dass man bei Universal die Wirkung des Stoffes auf das Publikum erkannt hat und dies in die Dialoge einbauen ließ, klingt auch gar nicht so ungeschickt, so dass “Son of Frankenstein” wenigstens noch ein ansprechend strukturierter und mit interessanten Charakteren ausgestatteter Gruselfilm geworden ist, der durchaus seine Momente hat. Nichtsdestotrotz muss man sich im Klaren darüber sein, dass das Niveau einen Kopfsprung macht und ins Bodenlose fällt, und mit ihr die Faszination für das Monster - denn wo “Frankenstein”, um mal etwas abstrakt zu werden, das Telefon erfand und “Bride of Frankenstein” das Handy, da hantiert “Son of Frankenstein” wieder mit zwei Dosen und einer Schnur.
6/10
 

Travis

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FRANKENSTEIN KEHRT WIEDER
Ausschnitte aus meiner ofdb-Kritik

Im schön gleichmäßig schlagenden Rhythmus schlenderte die “Frankenstein”-Franchise durch die ganzen Dreißiger, um sogar noch den Vierziger Jahren einen Besuch abzustatten. Drei Jahre ließ man sich bei Universal Zeit, den Mythos auszudehnen... und langsam wird’s wirklich dumm.

“Ghost of Frankenstein” ist eine wilde, unharmonische Mischung der unlogischen Trashanteile aus “Son” und dem Anspruch aus “Frankenstein” und “Bride”. Erle C. Kentons Werk ist durch und durch eine unausgegorene Angelegenheit geworden. Die Vorgabe von Universal lautete wiederum, es solle einen Film fürs große Publikum geben, keinen für die Kritikerschar. Doch im Plot sind Spuren von intendiertem inhaltlichen Niveau zu finden, die so gar nicht zu der im Vergleich mit den Vorgängern eher minderwertigen Endresultat passen mögen.

Der Platz der Kreatur (erstmals nicht mehr von Karloff gespielt, sondern Lon "The Wolfman" Chaney Jr.) in der Order of Appearance und der Wichtigkeit für den Plot gleichermaßen wurde massiv eingeschränkt. Viel mehr noch als “Son” verweigert sich “Ghost”, das Innere des Wesens zu beleuchten. Die Kreatur wird endgültig zum Handlanger degradiert, während Bela Lugosi den Film an sich reißt. Ygor ist der neue Fokuspartikel im Gefüge, der alle Aufmerksamkeiten auf sich lenkt.
Vom sich einstmals entwickelnden Bewusstsein des Monsters selbst ist derweil nicht mehr viel übriggeblieben. Das einzige Zeichen hierfür ist der Wunsch, das Gehirn des kleinen Mädchens implantiert zu bekommen, um mit ihr eins zu werden (weil sie das einzige Lebewesen ist, dass ihm freundlich und vorurteilslos gesonnen war). Dieser Einschub ist aber so schmal und isoliert vom eigentlichen Plot, dass er trotz vielversprechender Grundidee als unausgegorener Versuch gewertet werden muss, überhaupt noch irgendwie das Bewusstsein der Kreatur mit einem “Hallo, ich bin noch da!”-Ruf zu versehen.

Mögen sich die individualpsychologischen Ansätze auch noch so vielversprechend anhören, im Gewand des B-Movies sehen auch sie nur aus wie ein in Lumpen gehüllter Bettelmann. Logisch ist rein gar nichts an diesem Film, und optisch hält man sich dann doch besser an “Son of Frankenstein”. Die Mischung aus Niveau und Naivität funktioniert nicht. Dass zu allem Überfluss auch noch Lon Chaney ohne jede Chance ist, die Leistung Karloffs zu kompensieren, macht die Sache auch nicht viel besser. Freilich ist der Gedanke, ein riesiges Monster trage das Hirn eines kleinen Mädchens, oder ein kleiner Giftzwerg verfrachte seinen eigenen von bösen Gedanken geprägten Denkapparat in eine potenzielle Killermaschine, schon von sich aus bizarr. Der Film intensiviert diesen gruseligen Gedanken aber leider nur unzureichend.
4/10
 

Travis

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Kritik von Vince


FRANKENSTEIN TRIFFT DEN WOLFSMENSCHEN
Ausschnitte aus meiner ofdb-Kritik

Franchise-Crossovers wie das vorliegende Aufeinandertreffen zwischen Frankenstein und dem Wolfsmenschen liefen trotz nicht zu leugnender Qualitätsabfälle in den 40ern immer noch erfolgreich genug, um die Reihen hiermit nicht etwa zu beenden, sondern gar noch weitere “Meetings” zu arrangieren, die dann die ganzen Vierziger Jahre beherrschten: hiernach folgten noch “Frankensteins Haus” (1944) und “Draculas Haus” (1945), zwei Filme, denen die Logik inzwischen vollkommen egal geworden zu sein schien. Im vorliegenden Fall ist aber noch ein Bemühen zu erkennen, wenigstens ein bisschen auf eine harmonische Zusammenführung der Handlungsstränge aus der “Frankenstein”- und der “Wolfman”-Franchise zu achten. Beauftragt mit dieser Aufgabe wurde Curt Siodmak, der zuvor schon das Skript zum “Wolfman”-Original sowie zweier Sequels aus der Reihe mit dem “Unsichtbaren” zu verbuchen hatte. Nicht nur dies war ein Grund, auf eine ordentliche Zusammenführung der beiden Reihen zu hoffen; immerhin musste Siodmak sich hier nur mit zwei Monsterreihen aufhalten, während Universal ja bekanntlich später in den Eintopf-Wahn verfiel und alles, was nicht bei drei auf den Bäumen war, in einen Film stopfte. Außerdem sollte ihm zugute gekommen sein, dass die diachronische und örtliche Eingrenzung sowohl beim Wolfsmenschen als auch bei Frankenstein zumindest teilweise im Unklaren gelassen wurde, was es deutlich erleichterte, die beiden Monster aufeinandertreffen zu lassen.

Was geschah mit dem Frankensteinmonster? Hinter dessen Maske verbirgt sich nun eine kleine menschliche Tragödie: Bela Lugosi, der noch zwölf Jahre zuvor aus Stolz und Eitelkeit die Rolle des Monsters abgelehnt hatte, quält sich nun in der bis dato schwächsten und streckenweise wirklich schon peinlichen Frankensteinmonster-Interpretation durch den fünften Teil einer qualitativ abfallenden Reihe, an der er eigentlich niemals teilhaben wollte - während Karloff mit der Rolle zum Star wurde und sie rechtzeitig ablegen konnte, bevor sie an Würde verlor. Obwohl Lugosi in den zwei vorhergehenden Prequels Ygor spielte, dessen Gehirn in “Ghost” in den Schädel des Monsters verpflanzt wurde, ist Lugosi eben leider nicht die erhoffte gute Wahl des Studios, weil er schon rein körperlich nicht für die Rolle geeignet ist, und schauspielerisch wird ihm inzwischen die Motivation vergangen sein, sich in den abgetragenen Schuhen Karloffs nochmal zu Höchstleistungen zu zwingen. Es liegt aber nicht nur an Lugosi, dass der Frankenstein-Part des Films nicht funktioniert. Man merkt auch, dass Curt Siodmak in diesem Bereich nicht allzu sehr bewandert war. Enorme Brüche mit den Vorgaben aus “Ghost” bestimmen die Szene vor Ort, minimale Anteile des Monsters an der Screentime bestimmen die Handlung. Der Trend, das Frankenstein-Monster zur Kulisse zu degradieren, wird hier erstmals klar spürbar, setzte sich dennoch in den darauffolgenden Filmen fort. Karloff hatte also seinerzeit durchaus gut daran getan, seine Arbeit niederzulegen. Es scheint so, als wisse Universal nach vier “Frankenstein”-Filmen nicht mehr so recht etwas mit seinem Monster anzufangen, so dass es inzwischen kaum mehr als ein Mittel ist, die Intentionen anderer, so scheint es wichtigerer Monster zu bedienen. Der unaufgeklärte Nonsens, dass der Wolfsmensch überhaupt bei Frankenstein eine Heilung sucht, bestätigt nur, dass der ganze Frankenstein-Plot überhaupt nicht nötig gewesen wäre, um die Geschichte um Chaneys Figur weiterzustricken.

Zurück bleibt die Frage, weshalb sich die Horrorfilme der Vierziger Jahre vollends von den expressionistischen Gedanken löste, die gesellschaftlichen Zustände zu umreißen, um relativ sinnfreie Unterhaltung auf primitivem Niveau zu fabrizieren - ausgerechnet während des Zweiten Weltkriegs. Unterhaltung ist dabei wirklich das Höchste, was man den 40er-Jahre-Horrorfilmen Universals unterstellen kann. Dank Siodmaks Skript erreicht zumindest der Wolfsmensch-Abschnitt dieses niedere Ziel, während Frankensteins Monster, und mit ihm zusammen auch Bela Lugosi, langsam seine Faszination und seinen Schrecken verlor.
5/10
 

2moulins

Filmgott
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Frankenstein

Nach der ausführlichen sehr guten Rezension von Vince :hoch: bleibt eigentlich nicht mehr viel zu sagen. Vielleicht deshalb hat der Thread hier seit 2008 keine weiteren Einträge mehr aufzuweisen ....

Dennoch ein paar Anmerkungen nach meiner aktuellen Sichtung:

Neben „Dracula“ gehört „Frankenstein“ zu den Klassikern des Horror-Genres. Der Name „Frankenstein“ steht seither oft für ein Monster und wurde zweckentfremdet bis zur Bezeichnung von Riesen-Echsen in japanischen Godzilla-Filmen. Dabei handelt es sich ja um einen Menschen namens Frankenstein, ein Arzt bzw. Wissenschaftler, der ein „Monster“ erschaffen hat. Das „Monster“ selbst ist namenlos.

Die Ur-Geschichte spielt sich tatsächlich in Bayern ab, was in den wenigen Außenaufnahmen des bald 90 Jahre alten Films in dörflichen Szenen zu erkennen ist: ein rustikales Dorf mit in Trachten gekleideter Bevölkerung, welche sich beim Hochzeitsfest beim „Schuhplatteln“ amüsiert, Hinweise und Straßennamen sind in Deutsch geschrieben.

Ansonsten wurde der Film ausschließlich im Studio aufgenommen und wartet mit teilweise sehr schönen Schwarz/Weiß-Aufnahmen aus interessanten Perspektiven auf. Ein gutes Beispiel sind hier bereits Friedhofsbilder zu Beginn des Films.

Der Film ist mit rd. 70 Min. kurz und knackig und bringt die Story ohne große Umschweife auf den Punkt. Dabei ist in der Laufzeit noch eine Warnung an die Zuschauer im Auftrag des Produzenten enthalten, bei der man (heute) nicht weiß, ob man sie ernst nehmen muss oder ob sie süffisant gemeint ist.

Ich kann mir gut vorstellen, dass der Film 1931 doch einige erschreckte. Die Tatsache, dass aus gestohlenen Leichen, sei es aus Gräbern oder gerade mal am Wegesrand am Galgen abgeschnitten, unter Beigabe eines konservierten Hirns ein „neuer Mensch“ zusammengebastelt und dann zum Leben erweckt wird, war sicherlich Neuland.

Wenn Frankenstein nach der Erweckung ausruft, dass er sich nun vorstellen kann, wie es ist, Gott zu sein, sieht man in der deutschen Fassung übrigens lediglich, dass er etwas sagt - jedoch, ohne es zu hören. (Bei Umschaltung ins Englische ist dieser Satz enthalten.)

Das erschaffene „Monster“ ist nicht wirklich böse, sondern eher kindlich naiv und bemitleidenswert, was insbesondere im Spiel mit einem kleinen Mädchen deutlich wird und tragisch endet. Deshalb ergreift man als Zuschauer auch Partei für das Wesen und ist am Ende traurig, wie es endet.

Boris Karloff, der im Vorspann noch gar nicht genannt, sondern nur mit einem Platzhalter (‚?‘) bedacht wurde, begründete mit dem Film seine Karriere und war wohl seither stets mit dem „Monster“ aus „Frankenstein“ verhaftet.

Den Film sollte jeder, der etwas für Kino übrig hat, einmal gesehen haben.

9/10
 

2moulins

Filmgott
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Frankensteins Braut

Vor 85 Jahren, 4 Jahre nach „Frankenstein“ entstand die Fortsetzung „Frankensteins Braut“. Wir sehen Mary Shelley (offensichtlich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts), die Autorin der Romane, bei der Handarbeit, wie sie sich mit ihrem Mann und einem Freund, Lord Byron, über die Frankenstein-Geschichte unterhält und diese nochmal Revue passieren lässt. Heute würde man sagen: „Was bisher geschah“. Sie erzählt im Folgenden die Fortsetzung, die genau am Ende des ersten Films an der niedergebrannten Mühle aufsetzt.

Ziemlich schnell gibt es neue Opfer des „Monsters“, welches den Brand leicht verletzt überlebte. Es gelingt den Dorfbewohnern zunächst, die Kreatur in den Kerker zu sperren. Allerdings kann sie sich recht schnell befreien. Danach beginnt eine kleine Odyssee des „Monsters“. Es trifft Menschen und stößt (wieder) auf Ablehnung und sorgt für Entsetzen und Angst. Bei einem Blinden findet es vorübergehend Unterschlupf und Freundschaft, lernt sogar etwas sprechen, und zeigt zunehmend menschliche Züge.

Derweil tritt Dr. Prätorius in Erscheinung, um den jungen Baron Frankenstein zu einer Mitarbeit zu bewegen, um erneut ein Wesen aus Leichenteilen zum Leben zu erwecken. Prätorius ist noch verrückter als Frankenstein und schreckt vor Mord (durch bezahlte Handlanger) nicht zurück, um an das notwendige „Material“ heranzukommen. Er will dem „Monster“ eine ebenbürtige Braut erschaffen. Diese erscheint erst etwa 5 Minuten vor Schluss. Aber auch die Begegnung zwischen „Monster“ und Braut endet traurig ......

Die Fortsetzung erscheint in Machart und Optik wie aus einem Guss zum ersten Film. Wieder gibt es schöne S/W-Aufnahmen in sehr schönen und aufwendigen Settings. Durch die Entwicklung der Kreatur entsteht zunehmend Tiefgang. Und mit Prätorius erscheint eine wahrhaftige Horrorgestalt, blendend dargestellt von Ernest Thesiger. Boris Karloff wird entgegen erstem Film gleich mit großen Lettern im Vorspann angekündigt, wobei man sich aber auf „Karloff“ beschränkte und den Vornamen unterschlägt. Ich deute das so, dass Karloff durch seine Rolle so bekannt wurde, dass diese Angabe ausreichte - ähnlich, wie wenn man von der Garbo sprach und jeder wusste, welche gemeint war. Im Übrigen wird diesmal weder im Vorspann noch im Nachspann gezeigt, wer Frankensteins Braut spielte. Dies war eine echte Überraschung, denn es war die gleiche Schauspielerin, die am Anfang des Films als Mary Shelley auftrat: Elsa Lanchester. Einige wiederkehrende Rollen aus dem ersten Film werden diesmal von anderen Darstellern gespielt.

Tricktechnisch hat der Film für die Entstehungszeit einiges zu bieten: Miniatur-Menschen aus der Produktion von Dr. Prätorius. Diese sorgen auch für leichtes Schmunzeln in der ansonsten ernsten Geschichte. Die musikalische Umrahmung war eine weitere Neuerung im Bereich des frühen Horrorfilms.

Wie ich jetzt nachlas, kam der Film bei uns nie in die Kinos. Erstmals war er 1970 im Fernsehen zu sehen.

Ich muss sagen, dass die beiden Frankenstein-Filme echte Meilensteine der Filmgeschichte sind und dass mir die Sichtung und Befassung mit dem Thema Freude machte.

10/10
 

BladeRunner2007

Filmvisionaer
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49
Oh ja, ich kann dir bei beiden Filmen nur zustimmen. Auch was die Bewertungen betrifft. Zwei absolute Meisterwerke und Meilensteine. Geniale Reviews von dir!
 
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