Die Sünderin
Skandal! Damals und heute. Heute allerdings nur deshalb, weil sich kaum noch jemand mit dem Film beschäftigt. Dabei hat er es absolut verdient.
Marina, die hier von einer überragenden Hildegard Knef verkörpert wird, steht direkt zu Beginn des Films dem Ende ihres kurzen Glücks gegenüber. Zu diesem Zeitpunkt wissen wir noch nichts von ihrem Leben. Wir können nicht einmal erahnen, was sie an diesen Punkt gebracht hat. Wenn wir den ersten Auftritt ihres Geliebten sehen, sind wir gar eine Spur fassungslos, was diese junge attraktive Frau mit diesem Säufer will. Der 74 Jahre alte Film von Willi Forst schafft es also auch heute noch spielend, diese immer noch existierende Denkweise zu entlarven. Wir urteilen schnell, ohne die Geschichte des Menschen zu erkennen, die hinter seinen Entscheidungen steht. Um uns zu helfen, erzählt Marina ihre Geschichte und nimmt uns durch Rückblenden mit. Dies reicht aber nicht, weshalb sie diese Stationen mit weiteren Sprüngen in die Vergangenheit erklärt.
"Ich ahnte nicht, dass ich mit dem Kleid das Schönste wegwarf. Meine Kindheit!"
Diese Herangehensweise ist absolut innovativ und die Mischung aus Dialogen und Erzählstimme im Jahr 1951 schon wirklich imposant. Klar, gab es das in ähnlicher Form im "film noir", allerdings wurde dies hier noch einmal anders angelegt. Wer aber dieser Sparte des Films zugetan ist, hat hier quasi Heimspiel. Die hochinteressante Geschichte, die keine Minute langweilig ist, mischt tragische und glückliche Momente und präsentiert uns ein eindringliches Gesamtbild. Die zu Beginn des Films herrschende Verständnislosigkeit, verwandelt sich von Minute zu Minute mehr ins Gegenteil. Ohne dabei zu suggerieren, dass ihr Weg ein guter Weg ist, sondern man beginnt ihn nachzuvollziehen. Er wirbt nicht für eine Nachahmung, sondern für Akzeptanz. Dies war im Erscheinungsjahr auch sein großes Problem. Klar, es gibt Nacktaufnahmen der Knef, was natürlich schon für Aufregung sorgte, aber das lief letztendlich bei den anderen Themen eher unter dem Radar. Durch Inhalte wie Prostitution, Inzest, Sterbehilfe, Religion und Suizid gab es hier ganz andere Baustellen. Demonstrationen mit über 1000 Menschen gegen den Film zeugten davon. Die FSK zerbrach fast daran, weil die Absegnung des Films Austritte der Kirchen aus dem Gremium zur Folge hatte. Kinosäle wurden mit Stinkbomben sabotiert und selbst der Erzbischof rief dazu auf, dass alle Katholiken den Film meiden sollen. Dar war richtig Wallung im Land. Das ist noch echte Filmgeschichte!
Das einzige Manko ist für mich, dass Hildegard Knef ihre Marina auch als Jugendliche verkörpert. Das passt nicht wirklich perfekt, ist aber trotzdem vertretbar, da man dadurch nicht den Bezug verliert, was zu diesen Zeitpunkten im Film, durch ein neues Gesicht möglich gewesen wäre. Dabei ist diese Episode aus ihrem Leben immens wichtig und beinhaltet unbewusst auch einen Fingerzeig zum nachfolgenden Film mit ihr, nämlich "Alraune". Trotz oder durch die Skandale, war der Film wahnsinnig erfolgreich und spielte einiges in die Kassen ein. Hildegard Knef meinte in späteren Jahren dazu: "Ich hatte die Schande, sie das Geld".
Für mich auch heute noch ein unverzichtbarer Film und Meilenstein des deutschen Kinos, den jeder Filmfan mal gesehen haben sollte.