Die Gustloff
Am 30. Januar 1945 gab es das bis heute größte Schiffsunglück mit den meisten Todesfällen. Die Wilhelm Gustloff wurde mit ca. 10300 Passagieren von drei russischen Torpedos versenkt. Lediglich 1239 Menschen konnten gerettet werden. Über 9000 versanken in der eiskalten Ostsee.
Der Film "Die Gustloff", welcher 2008 als Zweiteiler von Joseph Vilsmaier mit über 180 Minuten Gesamtspieldauer gedreht wurde, thematisiert den Untergang des Schiffes. Bei der Spieldauer war die Hoffnung sehr groß, dass man umfassend über diese tragische Nacht informiert wird, allerdings verbleibt diese Chance völlig ungenutzt. Sogar das Gegenteil ist der Fall und man begibt sich ins Fahrwasser der Fiktion. Dies ist aus heutiger Sicht doppelt ärgerlich, da man im Entstehungsjahr eine Menge darüber wusste, aber stattdessen erfindet man einen Kapitän und seine Liebesgeschichte. Ganz schrecklich sind obendrein noch die Texteinblendungen kurz vor dem Abspann, die dem Zuschauer den weiteren Lebensweg der Personen schildern, so als ob sie existiert hätten. Wer nicht viel über diese Epoche weiß, wird dadurch ganz schnell aufs Glatteis geführt. Der fiktive Kapitän Hellmuth Keding vertritt im Film sogar die gegensätzlichen Entscheidungen, die der echte Kapitän Friedrich Petersen in der Realität traf. Diese stellten sich hinterher als Fehlentscheidungen heraus, weshalb man diese Entscheidungen dann den an Bord befindlichen Nazis übergibt. Das ist einfach ganz mieser Umgang mit der echten Geschichte und somit auch den Überlebenden, die sich im Entstehungsjahr den Mumpitz nun im TV anschauen konnten. Dafür verplempert der Film dann seine Zeit mit einer Liebesgeschichte und einer Sabotage auf dem Schiff, die es nicht gab. Eine Lovestory hat zwar auf der "Titanic" bestens funktioniert, aber die betraf nicht die realen Entscheidungsträger, weshalb sie hervorragend in den realen Kontext eingebettet wurde. An dieser Stelle hätte man also definitiv besser die Vorlage von James Cameron kopiert.
Das Schiff selbst wurde allerdings toll inszeniert und auch mit vielen originalgetreuen Details versehen. Da kann man absolut nicht meckern aber die Tragweite der Flüchtlingsströme und deren Schicksal auf der Gustloff, wird aus meiner Sicht kaum erreicht. Die schrecklichen Ereignisse auf dem Promenadendeck werden beispielsweise nur angerissen und wieder ist es der Super-Kapitän, der hier die Menschen befreien will. Die Liebesgeschichte ist zudem nicht wirklich interessant gestaltet und auch die Nebenschauplätze bleiben eher klischeehaft und sorgen kaum für ein tiefergehendes Augenmerk. Insgesamt kann ich den Film tatsächlich nicht empfehlen.
Bei der Doppel DVD liegt noch eine Dokumentation von Guido Knopp dabei, die in 45 Minuten den Untergang ein wenig beleuchtet. Insgesamt eine gute Idee diese beizufügen, wundert man sich spätestens jetzt über den Inhalt des eigentlichen Films. Aber auch diese Doku ist nicht sonderlich tiefgehend und bedient eher die Zuschauer von Histotainment. Falls man also etwas tiefer in diese Zeit eintauchen möchte, sollte man sich eher nach der Doku "Triumph und Tragödie der Wilhelm Gustloff" des umstrittenen Karl Höffkes ansehen, die in jedem Fall mehr Informationen liefert. Zusätzlich den Film "Nacht fiel über Gotenhafen" von Frank Wisbar, der zumindest die Tage der Flucht bis zum Untergang deutlich eindringlicher verfilmt hat. Allerdings bereits 50 Jahre vorher, was die neure Verfilmung umso erbärmlicher aussehen lässt.