Gefühlt liegt meine letzte Sichtung des Films nur ein paar Jahre zurück, aber als ich dann meine damalige KK laß musste ich mit großem erschrecken feststellen das da 13 Jahre vergangen sind

. Wo ist bitteschön die Zeit hin? Meine damalige Sichtung war sogar noch auf DVD, ich hatte mir dann zwar "brav" das Mediabook geholt aber ihn dann nie in HD gesehen. Letztes Jahr kam dann ja die 4K VÖ von Capelight raus und die ist wirklich super. Das Bild hat mir sehr gut gefallen, aber da ich das BD Mediabook verkauft habe würde mich noch interessieren,ob udn wie groß der Bildunterschied ist. Reine Neugierde. Aber auf jeden Fall war es eine richtige Entscheidung das wunderschöne und Qualitativ hochwertige MB von Capelight mit der 4K zu kaufen da sowohl das Booklet informativ ist, als natürlich auch das Bonusmaterial, welches ich jedoch noch nicht gesichtet habe.
Als ich ihn damals das erste mal im TV gesehen habe war es für mich ein durchschnittlicher Horror Film. Ich wusste natürlich auch nicht das Brian De Palma Regie geführt hat und selbst wenn hätte es nichts daran geändert da mir damals natürlich auch dieser Name nichts gesagt hätte. Es war mir lediglich bekannt das es sich um eine Stephen King Verfilmung handelt und ich habe John Travolta als Darsteller erkannt. Das war meine Erstsichtung von dem Film. Ich hatte ihn als recht durchschnittlich in Erinnerung obwohl einige Szenen damals schon recht ordentlich gezündet hatten. Aus heutiger Sicht muss ich gestehen das es zum einen sehr interessant war von De Palma einen Horrorfilm zu sehen und zum anderen natürlich zu sehen wie die Story von ihm zelebriert wurde.
Direkt hier muss ich nun meine Aussage revedieren.
Carrie ist eher ein Hybrid aus Horror aber viel mehr Drama bzw. sogar Jugenddrama, so wie deadly es in seiner sehr schönen Kritik treffender weise formuliert hat! Aber bevor ich diese gelesen hatte, habe ich eben nochmal meine mir durchgelesen und musste wirklich mit dem Kopf schütteln. Auch wenn es sich hier um eine Story von
Stephen King handelt, ist der Horroranteil dieses Films sehr gering und darauf hat aber De Palma auch nicht den Fokus gelegt, dazu aber gleich noch mehr.
Zu Anfang wird der Zuschauer komplett in Sicherheit gewogen, man könnte meinen man würde einen typischen Highschool Teenie Film aus dieser Zeit sehen. Alleine dafür muss man schon den Hut vor De Palma ziehen das er diesen Spagat so gut hinbekommen hat. Man merkt nämlich als Zuschauer doch recht schnell das mit dieser Carrie White irgendetwas nicht stimmt. Man erhählt Einblicke in ihr Umfeld und kann dadurch sehr gut nachvollziehen warum diese junge Frau anders ist als ihre Mitschülerinnen.
Das was ich damals als Spagat bezeichnet hatte ist für mich nun ganz eher ein anderes Narrativ was verwendet wurde. Sicherlich hat die Story gewise Mystery Elemente und zum Schluss hin auch ein paar horrorfilmtypische Charakteristiker, aber dreivirtel des Films ist es defintiv ein Jugenddrama das dem Zuschauer sehr schnell in diese Zeit seiner eigenen Schulzeit zurückholt. Jeder hat eigene Erfahrungen während der Schule gesammelt und in verschiedenstensten Ausprägungen glaube ich hatte jeder einmal in seinem Leben eine Carrie White als Mitschülerin die etwas schüchterne introvertiere, die vielleicht sogar durch ihr Elternhaus geprägt so ist und daher definitiv anders war. Und diesen Zustand hat De Palma hier wirklich phantastisch, auch mit viel Bildsprache wieder, inszeniert. Alleine wieviele kleine Anspielungen oder in direkte Mobbing Beispiele sich hier im Film verstecken, wie oft man Beleidigungen, welche an Carrie gerichtet sind, im Film wieder sieht, ohne das man sie vielleicht auf den ersten Blick erkennt, ist schon sehr heftig. Und natürlich auch alleine der Anfang wie eine gesamte Mädchenumkleide sich gegen eine Mitschülerin stellt und sie emotional auf das übelste mobbt. Das sind schon sehr heftige Bilder, die im direkten Kontrast zu der zuvor sehr lockeren, leichten und auch freizügigen Darstellung in dieser Mädchenumkleide steht. Ich hatte es damals 2012 als Softporno Element bezeichnet. Heute würde ich es eher als zwar freizügig aber eben auch unbeschwert bezeichnen. Natürlich sieht man die ein oder andere nackte Tatsache, aber dank des wunderschönen Scores von
Pino Donaggio, der für mich gerade im Rahmen der Filmographie von
Brian De Palma einen sehr wichtigen Stellenwert einnnimmt, wirkten diese Bilder auf mich wirklich wie aus einem sehr schönen Italo Film entsprungen. Ich daher sofort in der Italo Stimmung und hatte nicht mehr das Gefühl mir eine US Produktion anzuschauen.
Brian De Palma schafft es hier den Film sehr langsam aber keineswegs langweilig zu inzenieren. Dem ein oder anderen könnte diese Art der Inzenierung als zu langweilig erscheinen, aber für mich war es stimmig. Man bekommt wieder ein paar sehr schöne Bilder präsentiert und Szenen die sich in das Filmauge regelrecht einbrennen. Obwohl meine Erstsichtung bestimmt schon 15 Jahre wenn nicht noch länger zurück liegt, kamen mir gewisse Szenen noch sehr vertraut vor. Damals war es in sofern eine interessante Sichtung weil sie auf einem dieser damaligen "Videoabende" stattgefunden hatte und Carrie in der Kategorie Horrorfilm gezeigt wurde. Das damalige ausschlaggebende Argument für die Wahl war wohl die Tatsache das es eine King Verfilmung ist und in den 90er Jahren dieser doch eine recht hohe Beliebtheit und Aufmerksamkeit erfuhr, jedenfalls war das in meinem Freundeskreis so. Ich weiß noch das es damals diverse Schockelemente gab die an dem Abend für eine gute Stimmung sorgten. Die waren natürlich heute nicht mehr da, da man schon einiges mehr gesehen hat. Dennoch besitzt der Film auch heute noch eine sehr solide Atmosphäre und in Zusammenklang mit dem Score wirklich sehr schön anzusehen.
Hier muss ich mich auch etwas neu ausdrücken! Das Wort solide in Bezug auf
Carrie ist definitiv fehlplatziert. Der Film mag vieles sein, aber keineswegs solide. Er ist phänomenal. Wunderschöne Bilder und auch hier wieder eine perfekte Sympiose zwischen Score und Bild. Auch wenn es hier keine oppulenten Aufnahmen einer Stadt oder ähnliches gab, so waren es absolut tolle Bilder die zur Handlung passten. Im übrigen, was mir noch nie so aufgefallen war, die wohl extremste Darstellung des gekrezuigsten Jesus die ich bisher gesehen habe. Er hing dort ja nicht an einem Kreuz sondern an der Wand und es war eine Darstellung die sich auf die Wunden, welche bei der Kreuzigung zugeführt wurden, in den Mittelpunkt stellte und was mich am meisten fasziniert hat, mit sehr eindringlichen weit aufgerissenen Augen. Das war für mich nochmal ein sehr tolles Element welches De Palma nutze um die Glaubensbessessenheit der Mutter von Carrie zu veranschaulischen. Generell war das ganze Auftreten von Ihr und die damit verbundenen Elemente im Elternhaus sehr gut gewählt. Hier sind wir wieder bei dem Punkt das De Palma eine sehr sprechende Bildsprache in seinen Filmen nutzt.
Der Cast ist auch recht gut wie ich finde. Man bekommt eine hervorragende Sissy Spacek zu sehen, die die Rolle der Carrie wirklich sehr gut spielt. Aber auch Piper Laurie als Carries Mutter hat ihre Sache gut gemacht! Es ist natürlich auch interessant einen jungen John Travolta oder eine junge Nancy Allen in diesem Film zu sehen. Beides Schauspieler mit denen offenbar De Palma gerne zusammen gearbeitet hat. Der restliche Cast war aus meiner Sicht recht austauschbar, aber haben ihren Job recht passable gemacht. Aus heutiger Sicht würden wahrscheinlich ein paar größere Namen mitwirken um den Zuschauer in die Kinos zu locken, aber mich stört es nicht, im Gegenteil.
Dem kann ich auch heute noch zustimmen. Der Cast ist wirklich sehr gut und
Nancy Allen hat De Palma wohl so sehr überzeugt das er sie ein paar Jahre später sogar geheiratet hat, auch wenn die Ehe nicht lang anhielt. Das war mir tatsächlich so auch noch nicht bewusst und ist mir dann im Rahmen der Retrospektive jetzt eben aufgefallen. Ich würde aber auch noch gerne meine Aufzählungen um den Namen
Betty Buckley erweitern, die im Film auch eine wichtige Rolle als Lehrerin von Carrie eingenommen hat, aber eben dies auch gut gespielt hat.
Selbstverständlich aber eben auch an Brian De Palma, der einmal auf technischer Ebene ganz große Kinomomente abliefert, aber zeitgleich seinen Charakteren eine wundervolle Annäherung ans Publikum gestattet. Tatsächlich sind wir unglaublich dicht an Carrie dran, finden sie trotz aller Merkwürdigkeiten total sympathisch und würden ihr verdammt gerne die helfende Hand reichen. Egal wie oft man den Film schaut, man hofft immer wieder, dass man doch nur einmal den Film ohne Zwischenfall sehen könnte und sie einfach dabei begleitet, wie sie zum ersten Mal in ihrem Leben einen schönen Abend bis zum Morgengrauen durchlebt und einfach fröhlich nach Hause geht.
Oh ja da sagst Du auch was und tatsächlich, auch wenn das die Buchvorlage natürlich nicht hergegeben hat, glaube ich schon das der Film auch dann funktioniert hätte wenn es eben "nur" ein Jugenddrama gewesen wäre das zeigt wie eine Außenseiterin die gemoppt wurde später dann sogar zur Prom Night Queen gekührt wurde und im besten Fall sogar ihren Traumprinzen gefunden hätte. In der Art wie De Palma uns hier die Charaktere nahe gebracht hätte, hätte er dies auch mühelos inszenieren können. Dadurch das die Buchvorlage selbstredend eine andere war und man dadurch auch wusstte das dies leider nicht eintreten wird und durch die Handlungen der anderen in ihrem Umfeld man auch schon bereits herbeiahnen kann, das dieser kurze Moment der Glückseeligkeit für Carrie auf dem Abschlussball leider nicht von langer Dauer sein wird.
Das war bei De Palma in diesem Fall nicht drin. Das Finale ist unerbittlich, kraftvoll und verstörend. Geradezu sensationell konsequent. Es gibt hier keine Auswahl an Opfern, hier gibt es nur Opfer! Ich denke einfach mal, dass damals niemand heiter lächelnd den Kinosaal verlassen hat. Dieses Finale wirkt nach und beschäftigt einen in seiner kompletten Dramaturgie und Entschlossenheit.
Inszenatorisch ist das Finale wirlich meisterlich. Sehr bedrückend, phantastische Nutzung des Split Screens und Szenen die einem Albtraum entsprungen sind. Dann nochmal das kurze "aufatmen" als man kurz sieht das zumindest Sue überlebt hat, auch wenn sie eine der Personen waren die es eigentlich auch nicht verdient hatte zu überleben, aber dennoch bekommt der Zuschauer einen kurzen Moment von Sicherheit und "alles wird irgendwie wieder gut" bis dann wirklcih die Albtraumsequenz nochmal gezeigt wird. Ganz stark!
Die Bilder dazu werden fantastisch durch die Musik von Pino Donaggio unterlegt, der den einzelnen Szenen immer die richtige Emotionalität zuordnet. Eigentlich war dafür natürlich wieder Bernard Herrmann im Gespräch, der allerdings kurz zuvor verstorben ist. Dennoch ist er zu hören. Wenn Carrie ihre telekinetischen Schübe bekommt, werden sie nämlich von einem sehr bekannten Geigenklang unterlegt, den jeder Mensch aus der Duschszene aus „Psycho“ kennt. Wundervoll auch die Dosierung davon. Bei den ersten Szenen, natürlich in der Dusche, gibt es nur kleine Kostproben ihrer Kräfte zu sehen, weshalb der Klang nur kurz angerissen wird, der Kenner ihn aber sofort registriert. Als sie das Verbot bekommt, zur Prom Night zu gehen, ertönt es richtig und spätestens jetzt weiß der Zuschauer, dass es nicht bei einer Warnung bleiben wird. Dies ist aber nicht die einzige Hommage an Alfred Hitchcock, denn der aufmerksame Zuschauer bekommt auch mit, das Carrie und ihre Mitschüler auf die Bates Highschool gehen. Bei De Palma mag ich nicht nur diese vordergründigen Hommagen, sondern auch seine Art Dankbarkeit zu zeigen.
Auch wieder sehr schön zusammengefasst. Die Hitchcock Elemente waren auch für mich deutlich, was aber jetzt erst bei dieser Sichtung der Fall war. 2012 hatte ich diese so noch nicht wahrgenommen und ich bin bei Dir sowohl die musikalischen, aber eben auch so kleine Homagen wie z.B. das es die Bates Highschool war, zeigen einfach das De Palma ein sehr detailverliebter Regisseur ist!
Mit einem Schmunzeln konnte man dann auch die Hommage an sich selbst wahrnehmen, da er hier auch eine Szene aus "Greetings" in den Film einbaute, was ich natürlich jetzt erstmalig erkannte.
Das ist wirklich der Wahnsinn deadly! Als ob wir den Film zusammen geschaut haben. Ich vermute einmal Du spielst auch auf die Szene an als die drei Jungs im Modehaus sich nach Smokings für den Abschlussball umsahen. Ich musste auch sofort an
Greetings denken. Das war so toll und ich musste mehr als schmunzeln, ich hatte ein Dauergrinsen im Gesicht bei der Szene!
Für mich ist der Film ein großartiges Beispiel, wie man Drama und Horror so verbinden kann, dass die Charaktere und nicht der Gorefaktor die wichtigste Rolle spielt. Die deutlich bessere und auch intelligentere Art das Grauen darzustellen. Für mich ein Meisterwerk und auch einer meiner Lieblinge von Brian De Palma. Eigentlich war er vorher ein 9er Kandidat. Aber auch durch das Bonusmaterial und die neuen Erkenntnisse über den Film, gehe ich auf die 10 rauf.
Ein 10er ist es für mich nicht, es ist "nur" eine 9/10, aber bei meiner letzten Sichtung war es noch eine 7.5/10, also ein deutlicher Sprung. Auch wieder ein sehr schönes Beispiel das nicht nur Filme wachsen durch mehrmalige Sichtungen sondern eben auch wenn man sich tiefer mit Ihnen und dem Regisseur beschäftigt.