Brügge sehen... und sterben?

kelte

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Brügge sehen... und sterben?
10/10

Brügge sehen... und langweilen dachte ich, als ich das erste Mal den Titel hörte und die Story gelesen hatte.
Ray und Ken versemmeln einen Auftrag und der Boss der beiden Profikiller schickt beide nach Brügge, um dort weitere Anweisungen abzuwarten. Bis irgendwann der Befehl kommt, das Ken Ray dort "entsorgen" soll...
Soweit liest sich die Story nach Schema F und die Gefahr besteht, das eine Guy Ritchie Kopie in den Player eingelegt wird. Nichts gegen Guy Ritchie aber zwei von diesem Schlag wäre einer Zuviel.
Brügge geht zum Glück direkt von Anfang an einen eigenständigen Weg, man erkennt zwar einen britischen Style im Humor, der Gelungen und Schwarz ist, aber hier steht eine Poesie hinter dem Film die auf mehr aus ist, als auf gelungene Kalauer. Selten verschmelzte Story, Darsteller und Location mitsamt brillanten Dialogen, skurrile Einfälle zu einem bittersüßen Comedy-Drama.
Beginnt alles noch recht Nett und mit einem augenzwinkern, so offenbart diese Geschichte ab dem Punkt wo der Grund des Aufenthaltes geschildert wird, eine Zerrissenheit der Protagonisten die sich auf den Zuschauer überträgt. Colin Farell (Ray) hat diesen melancholischen Blick, der diesmal zum Film beiträgt und ihm hilft,- als wenn Colin nur für diese Rolle Schauspieler geworden wäre, präsentiert er ein fantastisches Spiel wo man mitleidet.
Ebenso sein väterlicher Freund Ken (Brendan Gleeson) der plötzlich mit einer Situation konfrontiert wird, wo Prinzipien keine Macht mehr besitzen. Prinzipien die auf seine Arbeitsweise beruhen, die er sonst immer Kalt befolgt verschwinden auf einmal. Man spürt wie Dinge neu geboren werden im Denken der Figuren.
Ganz im Gegensatz zu ihrem Boss (Ralph Fiennes), dem Prinzipientreue das wichtigste im Leben ist und wo er eine Nibelungentreue auf dieses Dogma schwörrt, bis hin zum Untergang wenn es sein muss. Ralph Fiennes spielt seine Rolle Gnadenlos runter, das es ein Fest ist diesem Bösewicht in seinem Tun und Denken zu beobachten.
Prinzipien sind es auch die zu einem Finale führen welches mich in den Sessel presste. Dazu dieser magische Ort Brügge, der in seiner steingewordenen Symbolik einen Hauptteil der Geschichte einnimmt aber es ist auch jener Teil der Geschichte, den man nicht sofort erkennt, der nicht wirklich gezeigt wird aber zur Charakterbildung beiträgt.
Der Film fordert den Zuschauer auf mitzugehen, zu einem Ort der nach Langeweile klingt aber wesentlich mehr zu bieten hat wenn man die Augen öffnet.
 
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Evil_Gonzo

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AW: Brügge sehen... und sterben?

Ich denke diesen Film muss man mal gesehen haben. Ich hatte gestern das Glück.
Die beiden Hauptdarsteller können unterschiedlicher nicht sein. Während sich der eine zuerst langweilt, ist der andere glücklich in Brügge.
Alleine deshalb gabs schon einige Szenen in den ich schmunzeln musste.
Richtig geil war die Szene mit den dicken Amerikanern.
Von diesen lustigen Szenen war ich positiv überrascht.
An sich handelt es sich um einen unterhaltsamen Film mit ner Menge (schwarzem) Humor. Die Schauspieler machen ihre Sache wirklich gut. Von mir gibts 8/10 Punkte
 

Despair

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AW: Brügge sehen... und sterben?

So, nach dem zweiten Anschauen gehe ich noch einen halben Punkt hoch und lande bei 9,5/10 Punkten. Denn auch ohne Überraschungseffekt funktioniert der Film hervorragend und wird überhaupt nicht langweilig.
 

deadlyfriend

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AW: Brügge sehen... und sterben?

Ich kann mich nur einreihen. Ich hatte mir was wesentlich schlechteres vorgestellt und bin ohne große Kenntnisse des Inhalts an einen klasse Film geraten. Die Dialoge sind echt der Hammer, die Darsteller spitzenmäßig und die Kulissen traumhaft. Wie in einem Märchen;) Der wandert definitiv ins Regal!
 

tikiwuku

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AW: Brügge sehen... und sterben?

Also bei solchen Wertungen muss ich mir den auch ansehen! :)
 

Vince

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Brügge sehen... und sterben?

Wenn die Werbeabteilung wieder mit dem Spruch "In der Tradition von Pulp Fiction und Snatch" ankommt, musste man ja fast schon zwangsläufig positiv überrascht werden. Das Etikett stinkt nämlich inzwischen gewaltig nach altem Fisch, "In Bruges" dagegen ist knackfrisch, weil von einer Andersartigkeit, die man lange suchen muss. Der Regisseur bemüht sich nach Leibeskräften, dem Genre neue Facetten abzugewinnen, was ihm auch gelingt, denn bemüht wirkt da nichts.

Wären da nicht die Ungereimtheiten im Skript, die unerklärlichen Handlungsverläufe, und könnte man auf etwas mehr Sorgfalt in der Herleitung der Situationen zurückgreifen, dieser nicht von ungefähr an Simon Pegg'sche Kleinstadtkarikaturen ("Hot Fuzz") erinnernde Ausflug nach Belgien hätte etwas gewaltig Großes werden können, nicht nur ein Rührstück über die unentdeckten Flecken dieser Erde, auch jene Flecken im menschlichen Gewissen, die uns seit dem klassischen Suld-und-Sühne-Bühnenstoff faszinieren. So wirkt es doch hin und wieder etwas überladen und dann auch selbstzweckhaft, was dem Aha-Effekt jedoch keinen Abbruch tut.
7.5/10
 

kelte

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AW: Brügge sehen... und sterben?

Wären da nicht die Ungereimtheiten im Skript, die unerklärlichen Handlungsverläufe
7.5/10
das find ich ok, das du den film nicht auf anhieb verstanden hast und dies so nett umschreibst *grins
ne. mal im ernst. bei dem skurillen nebenstrang, sei es mit dem zwerg etc. geb ich dir recht,- den hab ich bewusst irgendwie sooo beim schauen ignoriert, das (obwohl es gar nicht mal so übel ist) der zauber des films mir erhalten blieb. Ich mochte Collin Farrel vorher so gut wie überhaupt nicht. mittlerweile freu ich mich schon auf die dvd von Gesetz der Ehre mit ihm und Norton.
der film ist für mich ein kleines, böses drama in einer märchenhaften umgebung. alleine die bildqualität der dvd ist schon hammer.
 

Vince

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AW: Brügge sehen... und sterben?

Mir geht's da hauptsächlich nicht mal um die Zwergengeschichten etc. (das wäre dann vielleicht das, was ich an dem Film "selbstzweckhaft" nennen würde), sondern vielmehr um das Dreieck Fiennes - Farrell - Gleeson. Vor allem Fiennes und Farrell spielen Comicfiguren, die zwar lustig sind - keine Frage - sich mit dem Arthaus-Effekt des Filmes (diese ganze Schuldfrage mit dem erschossenen Kind etc.) aber irgendwie beißen. Um da wirklich in die Tiefe zu gehen, so wie es das Drehbuch eben erfordert, sind die beiden zu unvollständig geschrieben. Im Gegensatz zu Brendan Gleeson, der mir sehr gut gefallen hat.

Guter Film auf jeden Fall, auch in Geheimtippnähe (obwohl inzwischen doch zu bekannt, um wirklich als Geheimtipp durchzugehen), aber dass McDonagh auf Biegen und Brechen die Genremechanismen aushebeln und was ganz Neues machen wollte, ist schon irgendwie zu spüren. Leider, denn sowas sollte man nicht spüren dürfen.
 

kelte

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AW: Brügge sehen... und sterben?

mhnnnjaaa...so Comichaft finde ich die Figuren Fiennes und Farell gar nicht. Fiennes ist ein Choleriker mit Herz und Prinzipien. Farell ist der Sunnyboy mit den Knopfaugen, dem es irgendwie immer leicht gefallen ist, durchs Leben zu schlendern und dabei moralisch eventuell längst Bankrott war, daher auch seine Berufswahl,- bis das mit dem Pfarrer passiert ist. Die Rolle von Fiennes bekommt erst gegen Ende den tragischen Schlusspunkt. Farell dagegen ist ausgehebelt worden und dies spielt er in seiner Rolle recht Gut. Ausgehebelt im Sinne seiner Rolle das erst gegen Mitte genau geklärt wird warum er diesen melancholischen Touch hat. Dann und wann bricht seine Alter Ego durch aber letztlich ist er bei seinem letzten Auftrag mitgestorben.
Vielleicht interpretiere ich auch deshalb so in den Film rein, weil mir im Leben derartige Characktere oft begegnet sind (also keine Auftragskiller,- aber vom roten Faden des Charackters her gleich)
Gleeson .. da sind wir einer Meinung. Er hat das Väterliche in diesem Spiel entwickelt...
 

Vince

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AW: Brügge sehen... und sterben?

Vielleicht interpretiere ich auch deshalb so in den Film rein, weil mir im Leben derartige Characktere oft begegnet sind

Du lebst in einem Comic? Wie ist es denn da so? Bunt? ;)

Klar versucht der Regisseur, auch den beiden menschliche Facetten anzueignen, aber die bewegen sich doch im Gegensatz zu vielen anderen Aspekten des Films ganz deutlich in der Tradition der Charaktere aus den Filmen von Guy Ritchie. Alleine schon das Telefonat zwischen Fiennes und Gleeson... komm schon! Da hat selbst Gleeson den Hörer blöd angeguckt, weil er dachte, er spricht mit Dagobert Duck. ;)
 

kelte

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AW: Brügge sehen... und sterben?

Du lebst in einem Comic? Wie ist es denn da so? Bunt? ;)

Alleine schon das Telefonat zwischen Fiennes und Gleeson... komm schon! Da hat selbst Gleeson den Hörer blöd angeguckt, weil er dachte, er spricht mit Dagobert Duck. ;)
Naja...also ich bin schon derb Bunt wenn Du so fragst. Was ich im eigentlichen Sinne aber meinte ist,- das es immer Menschen gibt die unbekümmert durchs Leben gehen, einen Charakter haben der Sonne versprüht und dann passiert etwas...was alles verdunkelt.

Was das Telefonat betrifft...Du solltest mich mal erleben wenn mir der Hut hochgeht...jaja,- es ist leicht überzeichnet im Film aber ich kanns Nachempfinden :) auch den Blick von Gleeson *g
 

kelte

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AW: Brügge sehen... und sterben?

aberrrr...es kann auch sein, das Brügge mich mit verzaubert hat. Wie der Ort eingefangen wurde. Ich war Platt wie fantastisch die Bauwerke dort sind und die gepflasterten Wege/Strassen angelegt sind. Ne,- es kann nicht nur sein es ist einfach so. Sonst hat man immer dreckige Hinterhöfe oder einen Grossstadtdschungel,- von dem Aspekt her, hat der Film schon was eigenartiges erschaffen (für mich zumindest)
 

Vince

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AW: Brügge sehen... und sterben?

Fand ich auch. Hier versteht sich der Film ja auch als - wie heißt es so schön im Film? - "Hommage... nein, das wäre zu viel, als Verbeugung vor "Wenn die Gondeln Trauer tragen"."
Tatsächlich erinnert die Art, wie Brügge hier eingefangen wird, ein wenig daran, wie Nicolas Roeg damals Venedig inszeniert hat.
 

deadlyfriend

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AW: Brügge sehen... und sterben?

Göttlicher Film den ich mir auch mal wieder anschauen könnte. Allerding hätte ich niemals bei "Brügge...." an "Wenn die Gondeln trauer tragen" gedacht aber trotzdem ist der Vergleich absolut treffend. Ist mir aber erst jetzt aufgefallen wo du es erwähnst. Nur ob das bewußt war vermag ich nicht zu sagen.
 

Vince

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Nee, als Farrell mit der Blonden am Set von dem Film mit dem "Gnom" redet, da sagt sie, der Film sei eine Hommage, nein eine kleine Verbeugung an "Wenn die Gondeln Trauer tragen". Und die Rolle des Gnoms bezieht sich natürlich auf das kleine "Mädchen" mit der roten Kapuze.

Edit: Aber die Bootsfahrt wie ja überhaupt das ganze Brügge-Flair gehört selbstverständlich zu der "Verbeugung vor Wenn die Gondeln Trauer tragen" dazu.
 

deadlyfriend

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AW: Brügge sehen... und sterben?

Mann, Mann - Da hat Käthe Alzheimer erbarmungslos zugeschlagen. Jetzt erinnere ich mich wieder. Solche Dinge fallen mir, wenn ich im Film richtig drin bin, erst beim zweiten mal auf. Jetzt wo du es sagst ist es sonnenklar und ich frage mich wieso mir das halt nicht sofort aufgefallen ist. Aber wie gesagt, wenn ich in der Story oder der Atmosphäre gefangen bin, muß schon ein LKW mit Aufschrift durchs Bild fahren, damit ich einen Querverweis registriere. Beim zweiten mal fallen mir dann solche Dinge erst auf, weshalb ich einen Film auch nicht gerne beim ersten Schauen bewerte. Da ich beim zweiten Sehen den Verlauf kenne, schaue ich mich immer um, was es denn sonst noch so gibt.
 
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