Spiel auf Zeit
Der etwas zwielichtige Cop, Rick Santoro, der auch mal gerne durch Nebenerwerbe sein Leben finanziert, hat die Chance bei einem Meisterschaftsboxkampf in der ersten Reihe zu sitzen, da er von seinem besten Freund Kevin Dunne dazu eingeladen wurde. Dieser ist an dem Abend gleichzeitig der Sicherheitschef, da der Verteidigungsminister als Ehrengast vor Ort ist. Ihm fällt eine attraktive rothaarige Frau in der ersten Reihe auf, die sich verdächtig benimmt. Sie scheint sich nämlich nicht für den Kampf zu interessieren. Er beschließt sie zu überprüfen, was sich als Fehler erweist, denn genau in diesem Moment findet ein Attentat statt. Da sein Freund Santoro, sowieso gerade in der Halle ist, beginnt dieser zu ermitteln. Einmal um seinen Freund aus der Schusslinie zu bringen, aber auch weil ihm während dem Attentat ein paar seltsame Ungereimtheiten aufgefallen sind.
Brian De Palma begab sich 1998 wieder einmal in das Genre des Thrillers, verlässt aber das gewohnte Konzept und liefert eher eine Art Echtzeit-Krimi ab, welcher sich fast komplett in der Arena abspielt. Wenn man ihn sich aus Unterhaltungsgründen anschaut, wird man vortrefflich bedient. Der Film ist absolut spannend und äußerst wendungsreich und vermag den Zuschauer durchgehend zu fesseln. Allerdings muss man sich zunächst an den etwas nervigen Charakter von Nicolas Cage gewöhnen, der völlig überdreht in den Film eingeführt wird. Dies gibt sich aber nach einer Weile. Schwächen gibt es zudem noch im Finale, welches aus meiner Sicht hätte, besser verlaufen können. Der Feierabend-Konsument wird dennoch sehr gut bedient und kann sich an einem gelungenen Thriller erfreuen, der neben Nicolas Cage zusätzlich mit Gary Sinise und einigen perfekt besetzten Nebenrollen aufwartet. Besonders erfreut war ich über Carla Gugino, die ich bereits in der Sitcom „Chaos City“ fest in mein Herz geschlossen hatte.
Schaut man den Film allerdings aus der Sicht eines Brian De Palma Fans, kommt man aus dem Staunen nicht mehr raus. Auch wenn die Story wirklich spannend und unterhaltsam ist, verschwindet sie hinter der Kamera. Tatsächlich kann man den Film auch als eine Art „Best of visuals“ bezeichnen. So wie eine erfolgreiche Band, nach ein paar Jahren ein „Best of“ Album auf den Markt bringt, mit allen Hits aus den Anfangstagen bis zum heutigen Tag, kann man auch „Snake eyes“ betrachten. Von „Murder a la mod“ aus dem Jahr 1968 bis hin zu „Mission Impossible“ von 1996, ist hier alles vertreten, denn von seinem ersten Thriller, hat er hier beispielsweise die Erzählung des gleichen Moments aus verschiedenen Perspektiven übernommen und phänomenal eingesetzt. Vom letztgenannten „Mission Impossible“ natürlich die ganzen Monitore, die auch hier der Überwachung dienen. Nachfolgend natürlich auch die „Überfahrt“ über die verschiedenen Hotelzimmer, die er in ähnlicher Form, bei „Get to know your Rabitt“ verwendete. Selbstverständlich muss man natürlich auch die Masse an Plansequenzen erwähnen, die er durch spektakuläre Kamerafahrten begleitet, was er ja schon sehr früh in sein Repertoire aufnahm. Echtzeitkrimi im Verbund mit Plansequenzen? Klar, hier ist auch Hitchcock dabei, denn natürlich erinnert sich der geneigte Fan an „Cocktail für eine Leiche“ zurück, der hier möglicherweise als Fundament Pate stand. Allerdings gehen die eigenen Selbstreferenzen noch weiter. Inhaltlich gibt es Verwebungen zu „Blow out“ und allein aus dieser Sicht bleibt der Plot spannend, weil man bei De Palma nie vorher weiß, wer den Film überleben wird. Die Panikszene im Publikum, direkt nach dem Attentat, verweist auf „Carrie“ und die Splitscreens gehen natürlich auf „Dionysus“ zurück, bei dem er sie erstmalig in dieser Form verwendete. Wenn man sich also mit dem Regisseur tiefgehend beschäftigt hat, bekommt man hier im Minutentakt einige Sehenswürdigkeiten geboten, die dennoch selten so offensichtlich sind, dass man sie als Kopie bezeichnen würde. Ganz im Gegenteil, durch die Machart des Films hat er seine eigenen, bereits bestehenden Ideen, zu etwas Eigenem zusammengesetzt. Hinzu kommt noch die musikalische Untermalung von Ryuichi Sakamoto, mit dem er hier zum ersten Mal zusammenarbeitete, die aber den Ton in jeder Szene trifft. Wenn der Charakter von Cage zu Beginn nicht so nervig und das Finale etwas ausgefeilter verlaufen wäre, hätte ich ihn insgesamt aber noch höher bewertet. Angeblich hat wohl auch ein anderes Finale existiert, in dem der Hurricane eine größere Rolle gespielt hat, welches aber wohl nicht gut ankam. Das hätte ich wirklich gerne gesehen. Noch ein Tipp: Beim Abspann nicht abschalten, sondern den Blick unter die Buchstaben richten.