Irreversible

SAB

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Gesamtübersicht aller Kritiken zu Irreversibel:

#02 20.06.08 SAB
 
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SAB

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AW: Irreversibel

Irreversibel


Geschichte:
Die Handlung beginnt in einem schmutzigen Pariser Hinterhof-Sadomaso-Club, in dem zwei Freunde (Vincent Cassel, Albert Dupontel) den Vergewaltiger der Frau (Monica Bellucci) einer der Männer stellen wollen. Als sie den vermeintlichen Täter finden, wird ihm, weil es zur Schlägerei kommt, mit einem Feuerlöscher der Schädel eingeschlagen. Nach dieser Szene sehen wir die beiden Freunde plötzlich auf der Straße wieder und sehen wie sie eine Prostituierte fragen, wo denn der Club "Rektum" sei.
Nun ist dem Zuschauer klar, das wir diese Rachegeschichte rückwärts erzählt bekommen. Wir sehen sowohl den Rachefeldzug, die Vergewaltigung als auch, wie die drei Personen den Tag begannen.

Wertung:
Wie bereits erwähnt, wird die Geschichte des Films rückwärts erzählt, was eigentlich als Nachteil gewertet werden sollte, da wir so schon den Ausgang der Geschichte kennen. Doch ist dies gerade der Reiz, da man so noch viel gespannter sein kann, wie es zu diesen tragischen Ereignissen kommen konnte.
Dramaturgisch gesehen ist Gaspar Noes Film tatsächlich grandios. Auch alle Darsteller brillieren in ihren Rollen und spielen grossartig.
Der Film beginnt sehr hektisch und düster, lediglich mit Handkamera gedreht. Doch wird er im Verlauf immer ruhiger und statischer. Wird vor all den Gräueltaten sogar überraschend farbenfroh.
"Irreversible" lässt den Zuschauer nach seinem Ende über ein vermeintliches Schicksal, sprich über Vorherbestimmung seiner Person nachdenken. Der abschließend gezeigte Satz "Die Zeit zerstört alles" ist hierbei bezeichnend.
Doch leider macht sich Noe bei seiner Inszenierung auch einiges kaputt indem er zwei unerträglich brutale und abscheuliche Szenen einbaut. Zum einen die oben genannte Szene mit dem Feuerlöscher in der der Kameramann voll auf das Gesicht des am Boden liegenden Opfers hält und wir als Zuschauer jeden einzelnen Schlag in das Gesicht zu sehen bekommen. Die zweite Szene ist die knapp neun minütige Einstellung der Vergewaltigung von Monica Belluccis Figur.
Die eindeutig gewollte Provokation hätte man auch subtiler ereichen können.
Ohne diese übertriebenen Gewaltätigkeiten (diese Szenen anzureißen oder gar off-screen geschehen zu lassen, wäre ausreichend gewesen) hätten dieses Machwerk bestimmt eine größere Menge Zuschauer gesehen.

Fazit:
Es hätte ein grossartiger Film werden können, so bleibt aber leider ein fader Beigeschmack, der ein wirkliches Film"vergnügen" schlicht unmöglich macht!
Eine etwas konventionellere Herangehensweise hätte dem Film gut getan!

Bewertung: 5 / 10 Punkten
 
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Willy Wonka

Locationscout
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AW: Irreversibel

Eine konventionellere Inszenierung hätte die Wirkung des Films vollkommen zerstört.

Schon bei den ersten Bilder erkennt der Zuschauer hier stimmt was nicht, denn der Film beginnt mit dem Abspann und dieser beweget sich auch sehr merkwürdig und dreht und verschiebt sich. Die Töne untermalen diesen bizarren Eindruck dann vollkommen.

Bei den ersten richtige Einstellung des Films sieht man zwei Männer, welche sich unterhalten, aber diese liefern der nachfolgenden Geschichte prinzipiell nicht wichtiges. Erst später habe ich erfahren, dass es sich um Personen handelt aus einem früheren Film von Gaspar Noe, welchen ich jetzt unbedingt sehen will.

Die Kameraarbeit ist eine völlig andere und in den Clubszenen erkennt man immer nur Bruchstücke. Hinzu kommt noch ein heftiges Dröhnen was die aggressiven Impulse der Charaktere noch hervorhebt. Für mich die verstörendesten Sequenzen des Films.

Später werden die Szenen länger und die Kamera bleibt relativ ruhig. Vor allem beim Höhepunkt, die Katastrophe, wenn man sie denn so nennen will.
Die Vergewaltigung ist unerbittlich hart und realistisch eingefangen worden, doch das Merkwürdige ist, dass ich sie als gar nicht so hart empfand, ich habe kaum etwas gefühlt.
Ein Zeichen das ich abstumpfe oder schon vollkommen abgestumpft bin?
Durch das rückwärtige Erzählen hat der Zuschauer noch gar keinen Bezug zu Alex.
Sie ist mehr oder weniger eine Fremde. Genauso wie der Fremde, welche die Vergewaltigung aus der Entfernung sieht, aber kurz darauf wieder verschwindet.
Durch den weiteren Verlauf lernt der Zuschauer immer mehr über Alex und ihre Freunde und sie wirkt nicht mehr so fremd, aber im Hinterkopf hat man immer noch die Vergewaltigung, welche später unausweichlich stattfinden wird.
Es ist bedrückend wenn Alex und ihre Freunde so offen über Sex und den Höhepunkt reden, wobei das Thema erst langsam von Alex enttabuisiert wird.

Erst durch die Vorstellung der Personen begreift der Zuschauer die schrecklichen Ereignisse welche noch Folgen werden und vor allem wenn man kurz vorm Ende des Films erfährt, dass Alex schwanger ist.

Der Film endet im Park, wo Alex in Ruhe ein Buch liest und sehr glücklich zu sein scheint. Dann dreht sich die Kamera aus der Vogelperspektive unaufhörlich um einen Rasensprenger und Kinder die darum laufen.
Zum Schluss wird alles hell und helle Blitze flackern über den Fernseher. Wenn man intensiv hinguckt, auch wenn die Augen langsam anfangen zu tränen, meint man den Weltraum zu erkennen. Ist das Ende also der eigentlich Beginn der Geschichte der Zusammenstoß zwischen Anfang und Ende? Das unausweichliche? Schicksal? Übersetzt heißt Irreversibel nichtumkehrbar und das ist einer der zentralen Punkte der Geschichte.

Ich sehe in dem Film noch eine weitere Botschaft und zwar wollte der Regisseur mit dem Film ein Tabu brechen.
Und zwar das die heutige Gesellschaft trotz der harten Szenen von der Vergewaltigung nicht ganz mitfühlen kann oder gar nicht mitfühlt. Erst durch die Details wie, das die Frau nett und lieb ist, gutmütig und auch schwanger ist nimmt die Katastrophe einen größeren Ausmaß an.
Als man das Erfahren hat, ist die emotionale Reaktion des Zuschauers doch viel größer. Doch hat eine schwangere Frau mehr Mitgefühl verdient als eine Frau, welche wir nicht kennen?
Für mich ist es die Entfremdung der Gesellschaft die Noe anprangert und diese ist wahrscheinlich auch Irreversibel also nicht umkehrbar.
 

King-of-Leon

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AW: Irreversibel

Schöner Text, willy, und ich kann dir da auch nur zu 100% zustimmen.

Jede andere Herangehensweise, wäre ein Fehler gewesen.
 

SAB

Filmgott
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AW: Irreversibel

Tolle Kritik von dir, willy! :hoch:

Mit der konventionelleren Herangehensweise meinte ich, das der Film halt so wesentlich "erträglicher" gewesen wäre! Aber Noe wollte ja gar kein Film"vergnügen" erschaffen sondern eine zutiefst erschütternde Geschichte erzählen, was nun mal nicht ohne diese Szenen gegangen wäre!
 

deadlyfriend

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AW: Irreversibel

Ich habe den Film bei der Vergewaltigung abgeschaltet. Mir war das eindeutig zu plakativ. Zu viel " Seht her was das für ein harter Film ist". Wenn er ein wirklich guter Filmemacher ist hätte er die gleiche Wirkung auch auf anderem Wege erzeugen können. Aber aufgrund von der Rezension von Willy komme ich ein wenig ins Trudeln ob ich ihn mir vielleicht doch nochmal anscahuen sollte. Irgendwie verspüre ich aber wenig Lust mich da nochmal durchzuquälen.
 

Willy Wonka

Locationscout
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AW: Irreversibel

Danke für euer Lob. :kiss:


Ich habe den Film bei der Vergewaltigung abgeschaltet. Mir war das eindeutig zu plakativ. Zu viel " Seht her was das für ein harter Film ist".

Es ist wirklich plakativ, aber ich denke es ist so gewollt, aber nicht weil er einen harten Film machen wollte, sondern er wollte es detaliert zeigen und den Zuschauer fragen fühlt ihr was?

Und ich musste dann irgendwie an das Lied "An Tagen wie diesen" von fettes Brot denken:

Eine Million bedroht vom Hungertod nach Schätzungen der UNICEF
Während ich grad gesundes Obst zerhäcksel in der Mulinex
Seh ein Kind in dessen traurigen Augen ne Fliege sitzt
Weiß dass das echt grausam ist doch scheiße Mann ich fühle nix
Was ist denn bloß los mit mir, verdammt wie ist das möglich?
Vielleicht hab ich's schon zu oft gesehen man sieht's ja beinah täglich
Doch warum kann mich mittlerweile nicht mal das mehr erschrecken
Wenn irgendwo Menschen an dreckigem Wasser verrecken?

Die täglichen Nachrichten sind genauso plakativ wie dieser Film in der Vergewaltigungsezene.

Aber aufgrund von der Rezension von Willy komme ich ein wenig ins Trudeln ob ich ihn mir vielleicht doch nochmal anscahuen sollte.

Würde mich sehr freuen, wenn du ihn dir nochmal ansiehst, denn vielleicht nimmst du den Film wirklich ganz anders wahr.
Und was mir auch an dem Film gefällt ist, dass er eben so ein gutes Diskussionsmaterial bietet, weil er einfach mal anderes ist und nicht so oberflächlich wie viele andere Filme.
 

SAB

Filmgott
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AW: Irreversibel

Und was mir auch an dem Film gefällt ist, dass er eben so ein gutes Diskussionsmaterial bietet, weil er einfach mal anderes ist und nicht so oberflächlich wie viele andere Filme.

Oh ja! Und deshalb hoffe ich, das hier noch einige mehr Leute mitdiskutieren und sich bald zu Wort melden!
 

Tarantino1980

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Oh ja! Und deshalb hoffe ich, das hier noch einige mehr Leute mitdiskutieren und sich bald zu Wort melden!

Viele Jahre ist es nun her das ich das erste Mal von diesem Film gehört habe. Damals bei Erscheinung wäre er definitiv nichts für mich gewese. Zu dem Zeitpunkt war mein Filmgeschmack noch viel zu Mainstream lastig als das ich mit diesem Film etwas anfangen hätte können.

Als dann letztes Jahr der Film dann erstmals in Deutsch auf Blu-ray erschienen ist wurde es Zeit das ich ihn mir als Blindkauf in die Sammlung gestellt habe. Eins vorweg ich habe den Kauf nicht berreut.

Daher also nochmal rückwirkend vielen Dank an SAB und Willy, den ohne diesen Thread wäre ich damals wohl nicht neugierig auf den Film geworden. Ob ich einen Blindkauf gewagt hätte nur wegen Vincent Cassel und Monica Bellucci weiß ich nicht. Ich mag Beide zwar sehr, aber ich kann es schlecht einschätzen. Aber durch diesen Thread hier war der Film vor Jahren schon in meinen Fokus gerückt und gestern war dann endlich auch der Abend wo ich ihn mir angeschaut habe.

Bevor ich ins Detail gehe möchte ich wirklich nochmal klarstellen das der Film ein richtig tiefer Schlag in die Magengegend ist und ich mir auch bei zwei Szenen ernsthaft die Frage gestellt habe ob man es unbedingt in dieser Detailiertheit hätte zeigen müssen. Die erste Szene, ich nenne sie einfach mal Gesichtszertrümmerung mit einem Feuerlöscher hätte aus meiner Sicht defintiv nicht so detaliert gezeigt werden müssen. Ich glaube hätte man hier einen Schlag gesehen, dann aus einer etwas weiterem Blickwinkel einen total in Rage agierenden Pierre der noch mehrfach drauf einhaut und dann zum Schluss nochmal ein kurzer Cut auf den zertrümmerte Kopf, hätte meiner Meinung nach vollkommen ausgereicht um dieselbe Wirkung zu erzeugen. Da brauchte ich keine extreme Nahaufnahme.

Bei der zweiten Szene bin ich aber auch absolut der selben Meinung wie Willy. Nicht das ich diese Szene genossen habe mir anzusehen und ich fand sie auch sehr extrem und verstörend, aber auch hier gebe ich Willy recht den zweiten, auch aus meiner Sicht viel tieferen Härtegrad, erreicht sie erst nach den weiteren Szenen in denen man Alex richtig kennen lernt. Zuvor war es nur eine sehr aufreizend gekleidete Frau ohne Hintergrund. Das soll natürlich keine Vergewaltigung rechtfertigen, sowas geht absolut garnicht und aus meiner Sicht sind die Strafen hierfür wirklcih zu milde. Aber das ist ein anderes Thema und sowas blende ich bei Filmen auch immer aus, da Filme für mich Kunst sind und nicht die Realität darstellen. Und ein Kunstwerk hat Gaspar Noé hier erschaffen.

Ich sehe in dem Film noch eine weitere Botschaft und zwar wollte der Regisseur mit dem Film ein Tabu brechen.
Und zwar das die heutige Gesellschaft trotz der harten Szenen von der Vergewaltigung nicht ganz mitfühlen kann oder gar nicht mitfühlt. Erst durch die Details wie, das die Frau nett und lieb ist, gutmütig und auch schwanger ist nimmt die Katastrophe einen größeren Ausmaß an.
Als man das Erfahren hat, ist die emotionale Reaktion des Zuschauers doch viel größer. Doch hat eine schwangere Frau mehr Mitgefühl verdient als eine Frau, welche wir nicht kennen?
Für mich ist es die Entfremdung der Gesellschaft die Noe anprangert und diese ist wahrscheinlich auch Irreversibel also nicht umkehrbar.

Eine wirklich tolle Analyse dieser Szene. Das sehe ich ähnlich. Wie bereits oben erwähnt war die Szene für mich, als ich noch nichts über Alex wusste, lediglich das sie offenbar die Freundin von zwei total durchgeknallten Typen (Marcus und Pierre) ist. Von daher war das Gesehene natürlich hart für mich, aber nicht emotional.

Die zweite und somit auch tiefere Wirkung kam bei mir wirklich erst nach der ersten ausgiebigen Szene zwischen Ihr und Marcus in der die beiden sehr verliebt wirkten und zumindest der Zuschauer auch erfahren hat das Alex schwanger ist. Wobei ich finde das hier Gaspar Noé auch etwas manipulativ unterwegs war :D. Gäbe es diese Szene nicht und man hätte nur die Alex von der Party kennen gelernt hätte man, so war zumindest mein Empfinden, nicht so einen tiefen Schlag versetzt bekommen wie nach der zweiten langen Szene zwischen Alex und Marcus. Auf der Party wirkten nämlich beide auf mich noch sehr unsymphatisch. Er der obwohl er an der Seite einer wunderschönen Frau ist, nichts besseres zu tun hat als jedem Rock der dort ist hinterherzusteigen und sich mit Drogen dort zudröhnt und sie schien da auch nicht die Unschuld vom Lande zu sein in dem Kleid und so aufreizend wie sie getanzt hat, noch dazu auch mit ihrem Ex Pierre, der ja offenbar noch was für sie übrig hatte, geflirtet hat. Übrigens auch eine Eigenschaft die, so zumindest meine Meingung, kein Mann wirklich toll finden würde mit dem Ex Freund der Partnerin zusammen auf so eine Feier zu gehen. Den das war ja klar ersichtlich das es Alex war die wollte das sie gemeinsam mit Pierre dahin gehen und Marcus glaub ich davon nicht so richtig angetan war, es eher ihr zum gefallen getan hat. Und es ist ja auch noch ein Unterschied ob man auf einer Party ist wo zufällig der Expartner auch da ist oder ob man, so wie es hier der Fall war, sogar gemeinsam mit dem Expartner auf diese Party hingeht/fährt.

Also wäre die erste Szene in der Wohnung von Alex und Marcus nicht gewesen glaube ich nicht das ich zu den beiden dieselbe Bindung aufgebaut hätte, da sie mir wie gesagt auf der Party noch unsymphatisch waren.

Es ist wirklich plakativ, aber ich denke es ist so gewollt, aber nicht weil er einen harten Film machen wollte, sondern er wollte es detaliert zeigen und den Zuschauer fragen fühlt ihr was?

Von daher schließe ich mich dieser Meinung an und spreche damit auch hier gerne eine Warnung aus an alle die sich diesen Film nur auf Grund der Gore Szenen anschauen. Nur aus Sicht von Gore wird der Film nicht funktionieren. Man muss da schon mehr sich mit dem Film beschäftigen um ihn zu mögen.


Eine konventionellere Inszenierung hätte die Wirkung des Films vollkommen zerstört.

Das sehe ich auch so. Es gibt bereits unzählige Revenge Filme. Hätte er hier eine andere Inszenierung gewählt wäre der Film im Meer der Vergessenheit untergegangen.


Die Kameraarbeit ist eine völlig andere und in den Clubszenen erkennt man immer nur Bruchstücke. Hinzu kommt noch ein heftiges Dröhnen was die aggressiven Impulse der Charaktere noch hervorhebt. Für mich die verstörendesten Sequenzen des Films.

Allerdings. Ich glaube alleine die Clubszene müsste man sich noch mehrere Male ansehen um wirklich alle Details warzunehmen. Alles ist sehr hektisch aber dadurch auch sehr gut inszeniert, weil es eben mit einer Handkammera gefilmt wurde und genau das vermittelte wie es in einem Club ist. Man hat dort, wenn man nach jemanden sucht, keine 360 Grad Kammerafahrtübersicht, wie es sonst so immer abläuft. Man muss sich durch Menschenmassen drängeln, es ist laut und meistens auch sehr dunkel. Das es da zu einer Verwechslung kommt ist mehr als normal, wenn hier auch wirklich fatal da ja noch nichtmal der richtige erwischt wurde.


Der Film endet im Park, wo Alex in Ruhe ein Buch liest und sehr glücklich zu sein scheint. Dann dreht sich die Kamera aus der Vogelperspektive unaufhörlich um einen Rasensprenger und Kinder die darum laufen.
Zum Schluss wird alles hell und helle Blitze flackern über den Fernseher. Wenn man intensiv hinguckt, auch wenn die Augen langsam anfangen zu tränen, meint man den Weltraum zu erkennen. Ist das Ende also der eigentlich Beginn der Geschichte der Zusammenstoß zwischen Anfang und Ende? Das unausweichliche? Schicksal? Übersetzt heißt Irreversibel nichtumkehrbar und das ist einer der zentralen Punkte der Geschichte.

Auch sehr schön zusammen gefasst! Wobei ich gestehen muss das helle Flackern fand ich schon sehr extrem und es wundert mich auch das auf der Hülle bzw. vor Start des Films keine Epilepsi Warnung kommt, denn wer da ein gesundheitliches Problem hätte würde spätestens hier bestimmt einen Anfall von bekommen. Ich bin ehrlich ich musste auch weg schauen weil es mir zu heftig wurde.

Für mich hat Gaspar Noé jedoch einen inszenatorischen Fehler begangen. Und zwar sah man zwar wie Alex abtransportiert wurde und nach oben erwähnter Szene denke ich mal stehen ihre Überlebenschancen auch sehr schlecht, aber das weiß man natürlich auch nur als Zuschauer. Marcus sah sie nur kurz und bekam den Hinweis das sie im Koma ist, aber wie es genau mit Ihr weitergeht und das sie Schwanger war wusste er nicht. Hier wäre eigentlich, Rache hin oder her, bei jedem doch die normalste Reaktion gewesen erstmal mit in das Krankenhaus zu fahren um dort von einem Arzt eine genaue Einschätzung zu erfahren um dann vielleicht sogar zu erfahren das sie Schwanger war. Das hätte zwar seinen irren Rachefeldzug nicht gerechtfertigt aber es etwas nachvollziebarer gemacht. Ich vermute Mal Gaspar Noé hat solch eine Sequenz aber bewusst nicht gedreht, da sie natürlich die Dynamik des Films zerstört hätte. So war quasi die gezeigten Szenen einfach nur irre hektisch und wahnsinnig. Ohne Sinn und Verstand ist er diesen zwei komischen Vögeln gefolgt, hat einen unschuldigen Taxifahrer seines Taxis entledigt und dieses später auch noch ordentlich demoliert und ist eben wie eine Axt im Wald in den Gay Club reingestürumt und hätte dort jeden der sich ihm in den Weg stellt angegangen. Ironischer Weise war hinter seiner Wut offenbar nicht viel Power hinter, den es dauerte ja nicht lange bis er relativ schnell außer Gefecht gesetzt wurde und dann als Überraschung der bis dahin noch vernüftig wirkende Pierre dann wie von der Terantel gestochen dazu kam. Klar Marcus war auf Koks, das darf man auch nicht vergessen, aber Pierre war es nicht. Was ich damit sagen will dafür das Marcus wie ein Irrer auf Rache aus war, ist da wenig gekommen. Man denke da nur an so Charaktere wie den Punisher oder Bryan Mills aus 96 Hours (Taken), die hätten den Club komplett auseinander genommen wenn es notwenig gewesen wäre, hätten aber auch den richtigen gefunden. ;)

Irreversible ist ein Film bei dem ich zwar nicht zur Höchstnote greife, aber ihn dennoch für sehenswert finde und der mich wirklich gefesselt hat. Die etwas mehr als 90 Minuten vergingen wie im Flug.

Wertung: 8.5/10

Ich habe mir übrigens die Kinoversion angesehen. In dem Steelbook ist zwar auch der Strait Cut enthalten, irgendwie bezweifele ich aber das der Film genauso funktionert wenn man ihn sich in der chronologisch richtigen Reihenfolge der Szenen ansehen würde. Wobei es natürlich interessant wäre wie er dann wirken würde, da man dann so ja quasi mit den beiden Charakteren anfangen würde, sie besser kennen lernen würde und dann halt in der Mitte schon diesen extremen harten Schlag abbekäme. Mal sehen ob ich ihn mir auch nochmal im Strait Cut ansehe, aber wenn werden erstmal ein paar Monate/Jahre vergehen den zum einen gibt es noch genügend andere Filme und zum anderen ist es ein Film der mich zwar sehr mitgenommen und begeistert hat, aber den ich zugleich auch so schnell nicht wieder sehen will da er eben sehr extrem ist.
 

deadlyfriend

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Seit meinem Posting vor 12 Jahren hier im Thread hat sich nichts geändert. Ich habe den Film bislang nicht mehr gesehen und schätze, das sich das nicht ändern wird. Meine Abneigung gegen diese Art von Gewaltdarstellung hat eher noch zugenommen. Das ist aber eher kein Urteil über diese Filme und Szenen, sondern einfach eine persönliche Abneigung.
Aus diesen Gründen habe ich bereits die "Saw" Reihe bei Teil 3 abgebrochen, weil mich das eher nervt. Klar ist "Irreversible" damit nicht zu vergleichen, aber die gleiche Form der Abneigung tritt bei mir dann eben in Kraft. Ich denke immer, das man nicht alles zeigen muss. Und falls doch, muss es nicht so ausschweifend sein. Da ist bei mir oftmals der Grundsatz "Weniger ist mehr" vorhanden. Man kann auch im Zuschauer eine Wirkung erzielen, ohne das man es deutlich zeigt. Bestes Beispiel ist der nie gezeigte Kopf in "Sieben", den trotzdem viele gesehen haben. :)

Aber die Einstellung kann bei mir auch in der Vergangenheit liegen. Ich habe das Rape and Revenge Genre bereits früher gehasst und mochte Filme wie "Last house on the left" überhaupt nicht. Auch wenn er von Wes Craven war. Auch "Ich spuck auf dein Grab" ist von mir eher in der filmischen Verdammnis.
 

Willy Wonka

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Vielen Dank für deine ausführlichen Eindrücke zum Film. Das war echt interessant zu lesen und in vielen Dingen haben wir anscheinend auch ähnlich bei dem Film empfunden.

Ich habe mir gerade noch einmal alle Beiträge in diesem Thema durchgelesen und ich kann es gar nicht fassen, dass mittlerweile so viele Jahre vergangen sind, seitdem ich den Film gesehen habe. Mir geht es nämlich, wie deadly, dass ich in den letzten Jahren den Film nicht erneut gesehen habe. Dennoch ist mir der Film immer noch sehr präsent und die ausführlichen Beschreibungen in den vorherigen Beiträgen habe zudem viele Erinnerungen an den Film aufgefrischt.

Als ich damals den Film gesehen und meinen Text verfasst habe, war ich 17 Jahre alt und noch in der Schule. Jetzt bin ich 30 und im Berufsleben. :eek: Das ist echt heftig. Irgendwie komme ich darauf gerade gar nicht klar. :gaga:
 

deadlyfriend

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Als ich damals den Film gesehen und meinen Text verfasst habe, war ich 17 Jahre alt und noch in der Schule. Jetzt bin ich 30 und im Berufsleben. :eek: Das ist echt heftig. Irgendwie komme ich darauf gerade gar nicht klar. :gaga:

Das ist jetzt tatsächlich ziemlich abgefahren. Ich selbst, der in den letzten Tagen hier wieder viel gestöbert hat, musste schmunzeln wenn ich alte Beiträge gelesen habe. Ich konnte mich oftmals noch genau erinnern und mit einem Blick auf das Datum des Beitrags, wurde mir dann ein wenig schwindelig. Der Sprung von 17 auf 30 ist dann allerdings nochmal ein völlig anderes Kaliber :lol:
 

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Freut mich sehr zu sehen, das der Thread nach über 12 Jahren neu belebt wurde!

Nachdem ich nun alle Beiträge nochmal gelesen habe, war es mega spannend die unterschiedlichen Aspekte des Films nochmal durchleuchtet zu bekommen.
@Tarantino1980 : Top Kritik, die toll zu lesen war!

Zeit für eine Zweitsichtung!
 

Tarantino1980

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Ich habe Gaspar Noés “Skandalfilm” gestern Abend tatsächlich zum ersten Mal gesehen. Und die erste wird wohl auch die letzte Sichtung bleiben. Aber keineswegs, weil der Film schlecht oder skandalös wäre, denn das ist er in meinen Augen nicht. Stattdessen ist er brutal, radikal und erbarmungslos. Sowohl inhaltlich, als auch in seiner Inszenierung. Ich war mehrfach kurz davor, im ersten Drittel abzubrechen. Nicht wegen der angeblichen Schwulenfeindlichkeit (die sehe ich nicht) oder der harten Gewaltdarstellung, sondern wegen der ständig taumelnden Kamera in Verbindung mit extrem unangenehmen Soundeffekten. Doch kurz bevor ich den Film mit dem Prädikat “Prätentiöse Kunstscheiße” versehen und abhaken wollte, änderte sich ein klein wenig die Tonlage, und ich blieb dran. Plötzlich machte diese seltsame Art und Weise der Darstellung etwas mehr Sinn. Das sollte mir im weiteren Verlauf noch desöfteren passieren, denn obwohl die Inszenierung zunehmend zugänglicher ausfällt, so bleibt der Grundton immer ein sehr unangenehmer. Die grausame, angeblich skandalöse Schlüsselstelle des Films (die Vergewaltigung in einer Unterführung) ist nach meinem Empfinden weder voyeuristisch, verharmlosend oder gar verherrlichend, sondern einfach nur schonungslos realistisch und brutal dargestellt. Wie soll man eine solche Szene denn bitteschön auch sonst inszenieren? Gleichzeitig hat man zum Opfer aufgrund der rückwärts ablaufenden Erzählweise keinen wirklichen Bezug und fühlt sich daher nicht persönlich involviert. Man wird quasi in die Rolle der Person im Hintergrund versetzt, die die Tat beobachtet, aber nicht eingreift. Derart den Spiegel vorgehalten zu bekommen ist natürlich alles andere als angenehm. Ich denke mal, darum ging es Gaspar Noé hauptsächlich.

Es wundert mich nicht, dass sich an “Irréversible” die Geister scheiden. Ich würde den Film weder in die Horror- noch in die Torture Porn oder Rape & Revenge-Schublade packen. Ich sehe den Film eher als aufrüttelndes, sicherlich auch provokantes Drama mit unkonventioneller Erzählweise und gewöhnungsbedürftiger Inszenierung. Quasi der fiese und hässliche kleine Bruder von Nolans “Memento”, mit fast ausnahmlos unsympathischen Charakteren und dreckiger Atmosphäre. Wer einfaches Unterhaltungskino erwartet oder sich gar die Befriedigung primitiver Gelüste erhofft, der ist hier an der völlig falschen Adresse. Ebensowenig würde ich Noé billige Provokation zwecks Erregung maximaler Aufmerksamkeit unterstellen. In diesem Fall spricht es meiner Meinung nach für die Qualität des Films, dass ich ihn kein zweites Mal sehen möchte.
 
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Willy Wonka

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Sehr lesenswert! Für mich ist es auch interessant, dass du den Film auch zum ersten Mal gesehen hast. Irgendwie bin ich davon ausgegangen, dass den Film viel mehr Leute gesehen haben.
 
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