AW: Flags of our Fathers & Letters from Iwo Jima
Kritik von Vince
LETTERS FROM IWO JIMA
Jeder Krieg hat zwei Seiten und Eastwood scheint der Einzige zu sein, der das wirklich begriffen hat. Die Tatsache, dass er selbst mit propagandistischen Kriegsfilmen aufgewachsen ist, die nur Gut und Böse kannten, kennzeichnet ihn als intelligenten, selbst denkenden Menschen aus, denn seinen eigenen Wurzeln stemmt er sich nun entgegen und erschafft mit "Letters from Iwo Jima" nun ein einzigartiges Epos, das wohl als einziges Vollständigkeit für sich beanspruchen kann. Erst mit diesem zweiten Werk, das aus Sicht der Japaner und im Originalton erzählt wird, erreicht der vorangehende "Flags" seine wirkliche Klasse, denn von nun an komplettieren sich beide Filme, nehmen interdisziplinär aufeinander Bezug, kausal handlungstechnisch und ideologisch und endlich setzt es sich zusammen, das im Vorfeld erwartete Meisterwerk.
Denn nun sind es die Amerikaner, die dämonisiert werden: Saß man in "Flags" noch mit in den US-Soldaten in den auf Iwo Jima andockenden Schiffen und wurde hinterlistig aus Tunnelgewölben heraus beschossen, stellt sich jene Armada aus US-Kriegsfahrzeugen nun als androhende Gefahr da, denn man sitzt nun auf der Insel und muss mit ansehen, wie sich das Meer am Horizont mit graumetallenen Flecken deckt.
Die Dialoge sind wohl das Erhellendste an "Letters", denn sie verraten zum einen die unterschiedlichen Ideologien der Japaner und Amerikaner (alleine der erste gesprochene Satz fühlt sich schon bemerkenswert in die japanische Kultur ein), und doch sind sie alle Menschen mit den gleichen Bedürfnissen, eine Erkenntnis, die auch mancher japanische Soldat im Laufe des Filmes zu realisieren beginnt. Rückblenden veredeln den menschlichen Faktor und die Rangordnung der japanischen Armee sorgt für einen Spannungsbogen, wenn Männer unterschiedlicher Grade aufeinanderstoßen und ihre Standpunkte nicht immer übereinstimmen. Die mit Ehrgefühl verbundene Selbsttötungsszene, der emotionale Höhepunkt der Geschichte, wirkt eigentlich ehr- und sinnlos und stellt so etwas wie die "unsichtbare Hand des Krieges" dar, die Manifestierung einer unsichtbaren, teuflischen Gottheit, die nur durch das Handeln der Menschen ihre Existenz einnimt. Ein Handeln, das aus guten Absichten resultieren kann, aber stets im Bösen endet.
Am Ende gegenüber "Flags" der in sich geschlossenere und stärkere Film, der allerdings auch den wichtigen Vorteil hat, erst an zweiter Stelle zu kommen und sich bereits auf das Komplementäre beziehen zu können. Denn rückblickend reicht "Flags" wieder sehr nahe an "Letters" heran.
8/10
Insgesamt handelt es sich um den Beweis dafür, dass das Ganze oftmals weit mehr als die Summe seiner Teile ist. "Flags of our Fathers" und "Letters from Iwo Jima" sind für sich betrachtet zweifellos gute Antikriegsfilme, aber nur gemeinsam ein Meisterwerk.
9/10