Stil über Substanz - Eure Meinung

Willy Wonka

Locationscout
Teammitglied
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
21.970
Ort
Twin Peaks
Filmkritiken
126
Schon des Öfteren ist die Begrifflichkeit „Style over substance" hier im Forum gefallen. Manche sehen es mehr als ein Unwort an ( ;)) andere demontieren mit dieser Begrifflichkeit Filme, welche von anderen als große Meisterwerke gefeiert werden.
Populäre Filme, welche dieses Thema immer wieder hervorbringen sind:

300
Sin City
Miami Vice

u.v.m.

Wie wichtig ist der Stil eines Films? Wie wichtig seine Geschichte? In wie weit dürfen sich beide Aspekte beeinflussen? Wie können sie perfekt miteinander harmonieren? Ersetzt der Stil die Priorität einer guten und vor allem neuen Geschichte?

Dieses Thema soll eine Anlaufstelle sein für jede Diskussion über das Thema mit zahlreichen Beispielen, Erläuterungen und eigenen Sichtweisen.
 

deadlyfriend

Casting
Teammitglied
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
18.017
Ort
Garma
Filmkritiken
185
AW: Stil über Substanz - Eure Meinung

Erst einmal: Gutes Thema, Willy:hoch:

Ich halte die Geschichte eines Films, fast immer für wichtiger als den Stil. Es gibt aber auch da Ausnahmen. Es kommt bei mir immer drauf an wie der Stil eingesetzt wird. Wenn man etwas besonderes benötigt um die Geschichte besser zu erzählen, oder um Spannungsmomente, Emotionen etc.. besser zu transportieren, finde ich es hervorragend. Wenn man aber keine Geschichte hat (300) und einfach ein "Irgendwas an Story" benötigt um Bilder zu zeigen, dann kann ich damit meist nicht so viel anfangen.
"Style ober Substance" gab es aber schon immer. Es ist nichts Neues, nur seit der PC den Film dominiert, vermehren sich diese Produktionen. "Schönes Beispiel aus der Urzeit ist "Letztes jahr in Marienbad". Die Geschichte ist jetzt nicht das Aufregendste auf diesem Planeten, aber der Stil macht sie dazu. Hier ist aber erkennbar das Resnais die Geschichte mit den Bildern kombiniert und sie auf einer Ebene beläßt. Er nutzte nur einen anderen Erzählstil, den er visuell auch umsetzte.
Bei "300" sehe ich nur die immer gleiche Wiederholung der gleichen Geschichte. Hier kam es mir so vor als ob er die Visualisierung im Kopf hatte und irgendeine drittklassige Geschichte benötigte, um die Computertricks umzusetzen. Für die Story wurden sie definitiv nicht benötigt.

Harmonieren kann beides, wenn man beides als gleichberechtigt erachtet. Wenn die Story zuerst vollendet ist und man nach der bestmöglichen Visualisierung sucht um die Geschichte zu erzählen. Nicht wenn man nichts hat, aber ein paar Tricks zeigen möchte.
 

Frankie

Leinwandlegende
Registriert
4 Juni 2008
Beiträge
5.457
Ort
Batcave
Filmkritiken
40
AW: Stil über Substanz - Eure Meinung

Bei "300" sehe ich nur die immer gleiche Wiederholung der gleichen Geschichte. Hier kam es mir so vor als ob er die Visualisierung im Kopf hatte und irgendeine drittklassige Geschichte benötigte, um die Computertricks umzusetzen. Für die Story wurden sie definitiv nicht benötigt.

Naja, 300 sollte genau so aussehen. Genau wie Sin City. Frank Miller wollte seine Comics auf der Leinwand so sehen, deswegen denke ich mal hatten die Regisseure auch nicht wirklich viel Spielraum. Für mich haben beide ihren Reiz, pures Eye Candy eben. Nicht mehr, nicht weniger.
 

BladeRunner2007

Filmvisionaer
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
11.596
Ort
Monroeville Mall
Filmkritiken
49
AW: Stil über Substanz - Eure Meinung

Ich mag 300 sehr gerne, aber ich muss Dir Recht geben, deadly. Es gibt eigentlich keine wirkliche Handlung, sondern nur absolut durchgestylte Action und umwerfende Bilder. Die ersten 30 Minuten taugen eigentlich gar nichts. Man bekommt ein klein wenig von Sparta zu sehen, eine Sex Szene, hunderte von halbnackkten Männern, und einen ewig langen Marsch. An wirklicher Handlung finde ich dort nichts vor. Und nun folgt auch schon mehr oder weniger 90 Minuten Daueraction. Dort werden uns sehr schöne - in ihrem Stil einzigartige - Bilder präsentiert, aber das war es auch schon. Außen hui, innen pfui! Und was der pseudo politische sub plot sollte, frag ich mich heute immer noch :rolleyes: Hätte man auch komplett rausschneiden können. Aber dann wäre wohl noch mehr Stil über Substanz an der Tagesordnung gewesen... Naja, wie ich schon sagte: als No Brainer mit geiler Optik absolut hervorragend, aber mehr taugt er auch nicht.
 

Despair

Filmvisionaer
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
12.550
Ort
Somewhere in Hessen
Filmkritiken
61
AW: Stil über Substanz - Eure Meinung

Wenn ein Film keine halbwegs passable Story hat, kann er mir gestohlen bleiben - und wenn er noch so stylish aussieht. Die Optik allein rettet nicht vor Belanglosigkeit. Dass ein ungewöhnlicher Stil eine recht gewöhnliche Story durchaus aufpeppen und den Film dadurch interessanter machen kann, sieht man beispielsweise an "Renaissance". Insgesamt bin ich eher für "Substance over Style" zu haben. Was soll man als Dogma 95-Fan auch anderes sagen..? :D

Anders sieht es mit Filmen á la Lynch aus. Da ist Optik, Akustik und (zumeist verworrene) Story gleichberechtigt und dementsprechend wichtig.
 
Zuletzt bearbeitet:

deadlyfriend

Casting
Teammitglied
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
18.017
Ort
Garma
Filmkritiken
185
AW: Stil über Substanz - Eure Meinung

Falls man Wikipedia trauen kann, scheint das aber nur teilweise so gewesen zu sein:

Er habe sich als Berater zur Verfügung gestellt, sich aber letztendlich im Hintergrund gehalten. Angesprochen auf die Zusammenarbeit mit Zack Snyder erklärte Miller, diese habe kaum stattgefunden. Man habe das ein- oder andere besprochen, letztendlich sei es aber Snyders Film, nicht seiner. Auch betonte er, er werde in Zukunft seine Werke nur noch selbst adaptieren und verfilmen.

Quelle.Wikipedia
 

Russel Faraday

Filmvisionaer
Registriert
23 Juni 2008
Beiträge
11.333
Ort
Gilead
Filmkritiken
35
AW: Stil über Substanz - Eure Meinung

gutes thema, an dem ich nicht ganz unschuldig bin... :D

also, ein film funktioniert für mich zunächst auf der visuellen ebene, da dies im kino oder vorm heimischen TV mein primärer sinn ist. wenn mich ein film optisch nicht vor die handlung bannen kann, nehme ich mir keine zeit, auch auf diese zu achten. hier und da gibt es gegenbeispiele ("man from earth" z.b., der wie ein homevideo aussieht, aber von minute zu minute fesselnder wird), doch in der regel wird erst geschaut und dann gedacht.

ein klassisches beispiel für "form über inhalt" ist für mich vor allem "batmans rückkehr" von Tim Burton, dessen handlung eigentlich komplett zu vernachlässigen ist und der einzig und allein dem zweck dient, Tim Burtons überschäumender kreativität eine spielwiese zu sein. hier hab ich übrigens einiges zu speziell diesem film geschrieben: http://www.filmvisionaere.com/showpost.php?p=42828&postcount=20. wem also gerade langweilig ist, der kann das mal lesen.

ich habe rein gar nichts gegen filme, die ihren inhalt den bildern unterordnen, wenn das gesamtwerk stimmig ist. dazu gehören auch schauspieler, vor allem musik und eine gewisse atmo, die mich fesseln muß, damit der komplette film funktionieren kann. hier scheitert imho z.b. "spirit" auf ganzer linie (sorry, Crizzo... ;) ), dem alles abgeht, was ich oben genannt habe. wenn wirklich nur die optik bleibt, sind solche filme ein furz im orkan, von denen niemand notiz nimmt.
 

Eclipsed

Filmgott
Registriert
2 Sep. 2008
Beiträge
7.009
Ort
Kölle am Rhing
Filmkritiken
7
AW: Stil über Substanz - Eure Meinung

Ich sehe den Terminus gar nicht so negativ.
Nur weil ein Film mehr wert auf die Bilder als auf die Geschichte legt macht es ihn jedenfalls nicht automatisch schlecht. Bei einem audiovisuellen Medium dürfen eben auch gerne die Sinne vorrangangig angesprochen werden. Wer nur eine gute Geschichte haben will, der soll dann bitte nebenan bei den Buchvisionären vorbeischauen! ;)
Meist ist mir zwar auch eine gelungene Geschichte lieber als der "Stil"...doch streng genommen ist auch das Abhandensein eines solchen pures Stilmittel!
Das höchste der Gefühle ist somit ein Film, der das Kunststück vollbringt, durch Gebrauch der audiovisuellen Kunst die grandiose Geschichte noch zu untermauern und zu unterstützen...wofür es Gott sei Dank viele meisterhafte Beispiele gibt!
Der erwähnte Letztes Jahr In Marienbad ist ein Sonderfall, weil es sich um ein Experiment der Erzählebenen handelt...auch wenn die Grundstory auf ein Taschentuch passt: über den Film wurden schon so viele Artikel und Aufsätze geschrieben, dass es vermessen wäre ihm mehr Stil als Substanz vorzuwerfen...

Eine negative Bedeutung bekommt der Begriff für mich, wenn man mich mit dem Stil erschlagen möchte (da sage ich dann: weniger ist mehr) oder wenn die audiovisuelle Ebene keine Funktion (auf interpretatorischer oder unterstützender Ebene) bietet und nur dazu da ist von der nicht-vorhandenen Story abzulenken!
 

Frankie

Leinwandlegende
Registriert
4 Juni 2008
Beiträge
5.457
Ort
Batcave
Filmkritiken
40
AW: Stil über Substanz - Eure Meinung

Falls man Wikipedia trauen kann, scheint das aber nur teilweise so gewesen zu sein:

Er habe sich als Berater zur Verfügung gestellt, sich aber letztendlich im Hintergrund gehalten. Angesprochen auf die Zusammenarbeit mit Zack Snyder erklärte Miller, diese habe kaum stattgefunden. Man habe das ein- oder andere besprochen, letztendlich sei es aber Snyders Film, nicht seiner. Auch betonte er, er werde in Zukunft seine Werke nur noch selbst adaptieren und verfilmen.

Hm, das hab ich das falsch in Erinnerung. Dachte das Miller stark in 300 involviert war.
 

deadlyfriend

Casting
Teammitglied
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
18.017
Ort
Garma
Filmkritiken
185
AW: Stil über Substanz - Eure Meinung

Ich mag 300 sehr gerne, aber ich muss Dir Recht geben, deadly. Es gibt eigentlich keine wirkliche Handlung, sondern nur absolut durchgestylte Action und umwerfende Bilder.


Ich mag ihn gar nicht, aber fand bei der Erstsichtung die Bilder ebenfalls umwerfend. Zumindest bei der ersten Schlacht. Das er mir dann das Gleiche noch 3 Mal zeigt war dann eher ermüdend. Am meisten ging mir aber der heroische Pathos auf die Nüsse. Wenn der Film ein wenig Handlung gehabt hätte und man die Bilder nicht ständig wiederholt hätte, wäre auch der Stil völlig in Ordnung gewesen.

Was ich zum Teil auch fürchterlich finde ist der Stil der Extrem-Wackelkamera. Bei "Blair witch project" absolut wichtig und handlungsfördernd und somit berechtigt. Dann "Turistas"! Wenn in der Höhle nur noch gewackelt wird während ein paar Lichtfetzen zu sehen sind ist das weder spannend noch interessant. Ich habe da nämlich nicht mal mehr gesehen wer da kämpft und wer das stirbt. Ich dachte mir also mitten im Finale eines Horrorfilms, das ich ja hinterher sehe wer aus der Höhle rauskommt und wer nicht. Das kann es ja echt nicht sein. Da war der Stil also so wichtig, das das Gezeigte völlig egal war.
 

Eclipsed

Filmgott
Registriert
2 Sep. 2008
Beiträge
7.009
Ort
Kölle am Rhing
Filmkritiken
7
AW: Stil über Substanz - Eure Meinung

Insgesamt bin ich eher für "Substance over Style" zu haben. Was soll man als Dogma 95-Fan auch anderes sagen..? :D

Aber gerade Dogma 95 ist für mich der Inbegriff des "pure style without a style"!
Von Trier bspw. ist einer der Regisseure, der (nicht nur in seinen Dogma-Filmen) vieles in der Geschichte unausgespochen lässt um es rein durch die Bilder auszusagen...da könnte ich jetzt echt quasi jeden Film von ihm nennen!
 

TheBjoern

Filmstar
Registriert
1 Apr. 2009
Beiträge
1.833
Ort
irgendwo im schönen Münsterland
Filmkritiken
13
AW: Stil über Substanz - Eure Meinung

Zum einen ist "Style over Substance" definitiv ein Unwort. Liest sich einfach fürchterlich und ausgesprochen möcht ich es erst gar nicht erleben. Aber die Debatte ansich ist recht interessant.
Ich werde wohlmöglich eine klare Partei ergreifen, da ich die Filme "300" und "Sin City" absolut kutig und genial finde.
Ich kann aber auch die Kritik anderer verstehen, die sich diesem Stil gerne entziehen möchten und bevorzugt auf der inhaltlichen Schiene fahren wollen.

Doch bringt mich das zu einem Punkt wo ich sage: "Es kommt immer auf die Verpackung an!" Inhaltliche Inovation gibt es schon lange nicht mehr. Die Geschichten, die Hollywood oder auch das Arthousegenre erzählen gab es sicherlich schon einmal in irgendeiner Form erzählt. Kleine Details und Besonderheiten mal ausgenommen.

Die Frage des Geschmacks sollte sich also in erster Linie daran orientieren, ob mir der Inhalt zusagt, egal wie gehaltvoll er auf den ersten Blick erscheinen mag und im nächsten Schritt ob er für mich angemessen präsentiert worden ist. (Verpackung)

Eine standartisierte Inhalt, wie: Eltern in Kindheitstagen ermordert, nimmt als erwachsene Person Rache oder erklärt dem Bösen den Krieg, muss gescheit Verpackt werden, damit es das Punlikum anspricht. So geschehen bei Nolans Batman Filmen. Nach der Definition müsste es auch ein "Style over Substance" Film sein.

Bevor jetzt einige aufschreien: aber, aber,...

Bis hier hin gab es noch keine Definition, was "Style" und "Substance" ist.

Definition "Substance"
Frei übersetzt: Substanz. Für mich eine Grundmasse, die den Kern des Inhalts also der Handlung eines Filmes bildet. Diese Handlung wir nur auf ihre gerüstartige Struktur begrenz, die die grobe Rahmenhandlung umfasst, eventuell eine Zielbotschaft vermittelt und/oder Impulse für innerliche Konflike gesetzt (der anspruchsfolle Film).Wird überwiegend von Autoren gestaltet.

Beispiel:
The Dark Knight - Ritterliche Hauptperson, kämpft gegen das böses. Botschaft: Gibt es das gute im Menschen (krasse Kurzform)


Definition "Style"
Frei übersetzt: Stil. Für mich die "Verpackung" des Inhalts. Darunter fallen die Musik/Score, Schnitte, Kammeraführung, Kostüme, Beleuchtung, CGI, Make-up, Darsteller, uvm. Dinge, auf die der Regisseur Einfluss hat.

Beispiel:
The Dark Night - wir lassen den Joker mit verschmierter Schminke auftreten, wir geben Batman eine dunklere Stimme, die Actionszenen werden schnell geschnitten, der Score enthät späktakuläre Fanfaren, der Film spielt überwiegend im dunklen/grauen Bereich.


Mein Fazit:
"Style" ist und bleibt enorm wichtig. Es ist im Prinzip die Essenz aus der der Regisseur schöpft. Alles andere ist Autorensache. Das neumodische Wort "Style" klingt nur nach irgendwelchen Kammerafiltern oder anderen spektakulären Effeckten und ist doch viel mehr.
Wenn nun ein Film wie "300" spezielle Filter verwendet, um seine Bilder möglichst pathetisch erscheinen zu lassen, dann fällt es plötzlich jedem auf, dass da was anders ist und schon wird "Style" als ein neumodisches Schimpfwort benutzt insbesondere, wenn die Handlung des Films im selben Atemzug genannt wird. Doch sehe ich es als mutigen Schritt die Dinge anderes anzugehen als soviele es zuvor getan haben. Die Tasache, dass Filme mit "weniger inhaltliche Tiefe" den Stil nutzten, um diesen Sehenswert zu machen, ist nicht neu. Altes Beispiel ist "Mad Max 2". Er wurde auch nicht wegen seiner inhaltlichen Innovation gelobt und geehrt, sondern wegen seines innovativen "Styles".
Ich glaube an keine inhaltliche Innovation mehr, diese ist irgendwann vermutlich in den 80ern eingefroren. Alle Handlungen wurden bereits erzählt.
Innovation im "Style ist hingegen noch immer möglich und "Sin City" und 300" gehören zu solchen Innovationen. Die Handlung ist, wie schon immer, Geschmackssache!
 

Alexboy

Filmvisionaer
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
10.393
Ort
Rentenhausen
Filmkritiken
15
AW: Stil über Substanz - Eure Meinung

Stil ohne Substanz kommt für mich nicht in Frage, auch wenn ich einige der o.a. Filme gern gesehen habe, obwohl ihnen - mehr oder weniger - die Substanz aberkannt wurde.

Wenn eine Geschichte nach ca . 20 Minuten nicht greift, hilft auch die Verpackung nichts mehr.

The Cell und The Fall, beide von Tarsem Singh zeigen wunderbar wie sich beides verbinden kann. :bart:
 

Eclipsed

Filmgott
Registriert
2 Sep. 2008
Beiträge
7.009
Ort
Kölle am Rhing
Filmkritiken
7
AW: Stil über Substanz - Eure Meinung

Wegen Björns (sehr gutem) Beitrag: vielleicht sollten wir uns definitorisch auf "Form über Inhalt" einigen...wenn ich den Begriff Style over substace verwende meine ich jedenfalls genau das!

Und um mal ein Beispiele aus der alten Zeit zu verwenden, als Style nicht CGI und Kamerafilter bedeutete: Die Schwarze Natter/Das Unbekannte Gesicht mit Humphrey Bogart ist ein klarer Fall von Form über Inhalt...alleine der Einsatz der Egoerspektive in den ersten 30 Minuten des Films bezeugt dies! Und trotzdem liebe ich den Film! :)
 

Despair

Filmvisionaer
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
12.550
Ort
Somewhere in Hessen
Filmkritiken
61
AW: Stil über Substanz - Eure Meinung

Aber gerade Dogma 95 ist für mich der Inbegriff des "pure style without a style"!
Von Trier bspw. ist einer der Regisseure, der (nicht nur in seinen Dogma-Filmen) vieles in der Geschichte unausgespochen lässt um es rein durch die Bilder auszusagen...da könnte ich jetzt echt quasi jeden Film von ihm nennen!

Tja, es ist eben kein Dogma-Film perfekt. :D

Ich mag vor allem die Grundidee, Filme realistisch erscheinen zu lassen und auf technische Kniffe weitgehend zu verzichten (was aber keinesfalls heißen soll, dass ich ausschließlich Dogma-Filme sehen möchte). Das beispielsweise ein "Dogville" dem nicht entspricht, ist klar. Aber "Dancer In The Dark" zeigt es imo ganz gut: die Realität ist weitgehend trist und farblos, während die Musicaleinlagen in satten Farben erstrahlen (womit der Film natürlich auch gegen die Regeln verstößt :D). Diese Darstellung der Realität ist irgendwo auch ein Stilmittel, aber viel näher an der Wirklichkeit als die überzogene Farbenpracht eines "300".

Was ich aber wirklich schlimm finde: es wird heute mit dem "Style" oftmals gnadenlos übertrieben. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung hat mich beispielsweise "Matrix" völlig umgehauen, heute wirkt er schon fast etwas unspektakulär. Und die beiden Nachfolger zeigen, was ich meine. Die Tricks wurden bombastischer, verloren aber aufgrund ihrer allgegenwärtigen Präsenz ihre Wirkung. Die Story wurde immer verworrener und gleichzeitig flacher. Die Substanz bröckelte, der Style gewann die Überhand.
 

deadlyfriend

Casting
Teammitglied
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
18.017
Ort
Garma
Filmkritiken
185
AW: Stil über Substanz - Eure Meinung

Zum einen ist "Style over Substance" definitiv ein Unwort. Liest sich einfach fürchterlich und ausgesprochen möcht ich es erst gar nicht erleben.

Nenne es doch anders. Hauptsache wir verstehen wovon du sprichst;)


Doch bringt mich das zu einem Punkt wo ich sage: "Es kommt immer auf die Verpackung an!" Inhaltliche Inovation gibt es schon lange nicht mehr. Die Geschichten, die Hollywood oder auch das Arthousegenre erzählen gab es sicherlich schon einmal in irgendeiner Form erzählt. Kleine Details und Besonderheiten mal ausgenommen.

Ich glaube nicht das wir am Ende der Fantasie sind. Sie wird nur weniger benutzt.
Es gab "Matrix", "Inception", "Wristcutters", "Pi", "Memento" und einige mehr.


Die Frage des Geschmacks sollte sich also in erster Linie daran orientieren, ob mir der Inhalt zusagt, egal wie gehaltvoll er auf den ersten Blick erscheinen mag und im nächsten Schritt ob er für mich angemessen präsentiert worden ist. (Verpackung)

Das sehe ich genauso!

Eine standartisierte Inhalt, wie: Eltern in Kindheitstagen ermordert, nimmt als erwachsene Person Rache oder erklärt dem Bösen den Krieg, muss gescheit Verpackt werden, damit es das Punlikum anspricht. So geschehen bei Nolans Batman Filmen. Nach der Definition müsste es auch ein "Style over Substance" Film sein.

Sehe ich anders, da ich die Story und den Inszenierungsstil gleichberechtigt sehe.



Bis hier hin gab es noch keine Definition, was "Style" und "Substance" ist.

Definition "Substance"
Frei übersetzt: Substanz. Für mich eine Grundmasse, die den Kern des Inhalts also der Handlung eines Filmes bildet. Diese Handlung wir nur auf ihre gerüstartige Struktur begrenz, die die grobe Rahmenhandlung umfasst, eventuell eine Zielbotschaft vermittelt und/oder Impulse für innerliche Konflike gesetzt (der anspruchsfolle Film).Wird überwiegend von Autoren gestaltet.

Beispiel:
The Dark Knight - Ritterliche Hauptperson, kämpft gegen das böses. Botschaft: Gibt es das gute im Menschen (krasse Kurzform)


Definition "Style"
Frei übersetzt: Stil. Für mich die "Verpackung" des Inhalts. Darunter fallen die Musik/Score, Schnitte, Kammeraführung, Kostüme, Beleuchtung, CGI, Make-up, Darsteller, uvm. Dinge, auf die der Regisseur Einfluss hat.

Beispiel:
The Dark Night - wir lassen den Joker mit verschmierter Schminke auftreten, wir geben Batman eine dunklere Stimme, die Actionszenen werden schnell geschnitten, der Score enthät späktakuläre Fanfaren, der Film spielt überwiegend im dunklen/grauen Bereich.

Dann verstehen wir unter dem Begriff verschiedene Sachen. Was du beschreibst hat für mich was mit der Ausstattung, Setdesign, Charakterdarstellung etc...zu tun. Dinge die Teile der Handlung ein Gewicht verleihen. Der Handlung! Natürlich kann der Joker jetzt nicht mit Eishockeymaske und Messer rumlaufen, weil es seinem Charakter nicht entspricht. Also legt man wert darauf wie man die für die Handlung wichtigen Personen darbietet. Ich verstehe unter deinem "Lieblingsbegriff" wenig Handlung und ganz viel Optik. Eben 300;) Bei Batman wurde auf alles einen Wert gelegt. Die Charakterentwicklung, eben Batman zu werden, war genauso wichtig wie die Visualisierung davon. Der Spartaner schreift gefühlte 25 Mal "Alles für Sparta" und das war es auch schon. Keine Charakterentwicklung, aber eben hübsch verpackt. "Style ober Substance":D

Mein Fazit:
"Style" ist und bleibt enorm wichtig. Es ist im Prinzip die Essenz aus der der Regisseur schöpft. Alles andere ist Autorensache. Das neumodische Wort "Style" klingt nur nach irgendwelchen Kammerafiltern oder anderen spektakulären Effeckten und ist doch viel mehr.
Wenn nun ein Film wie "300" spezielle Filter verwendet, um seine Bilder möglichst pathetisch erscheinen zu lassen, dann fällt es plötzlich jedem auf, dass da was anders ist und schon wird "Style" als ein neumodisches Schimpfwort benutzt insbesondere, wenn die Handlung des Films im selben Atemzug genannt wird.


Nur wenn keine/wenig Handlung da ist. Hätte der Film eine gleichberechtigte gehabt, hätte ich ihn wahrscheinlich gut gefunden, da mir die Optik ja nicht mißfallen hat. Nur im Kontext zur "Story". Die Bilder nur mit Musik unterlegt, wären bestimmt schön gewesen. Genausoviel Mühe in die Story, wie in die Optik reingelegt, hätte man einen guten Film gehabt.


Doch sehe ich es als mutigen Schritt die Dinge anderes anzugehen als soviele es zuvor getan haben. Die Tasache, dass Filme mit "weniger inhaltliche Tiefe" den Stil nutzten, um diesen Sehenswert zu machen, ist nicht neu. Altes Beispiel ist "Mad Max 2". Er wurde auch nicht wegen seiner inhaltlichen Innovation gelobt und geehrt, sondern wegen seines innovativen "Styles".
Ich glaube an keine inhaltliche Innovation mehr, diese ist irgendwann vermutlich in den 80ern eingefroren. Alle Handlungen wurden bereits erzählt.
Innovation im "Style ist hingegen noch immer möglich und "Sin City" und 300" gehören zu solchen Innovationen. Die Handlung ist, wie schon immer, Geschmackssache!

An Mad Max 2 kann ich mich nicht sonderlich gut erinnern, aber ich glaube das Setdesign war für die Handlung wichtig. Nicht umgekehrt.
Wie oben schon erwähnt glaube ich nicht das es keine Fantasie mehr gibt, die eine neue Geschichte erzählen kann. Ab und an wird das ja auch bewiesen. Ich habe aber auch nichts gegen Innovationen im Visualisierungsstil, sofern man einer Handlung ein bißchen Gewicht mitgibt.
 

deadlyfriend

Casting
Teammitglied
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
18.017
Ort
Garma
Filmkritiken
185
AW: Stil über Substanz - Eure Meinung

The Fall, beide von Tarsem Singh zeigen wunderbar wie sich beides verbinden kann. :bart:


Ein wunderbares Beispiel wie man eine wunderschöne Geschichte in einem unglaublichen Stil zeigen kann.

Eclipsed hat aber mit der Definition völlig recht: Form über Inhalt. Nur bei Bogart nicht;) Die Story der Filme war nicht unwichtig. Die gewählte Form hat sie aber mächtig unterstützt.
 

Frankie

Leinwandlegende
Registriert
4 Juni 2008
Beiträge
5.457
Ort
Batcave
Filmkritiken
40
AW: Stil über Substanz - Eure Meinung

Was ich aber wirklich schlimm finde: es wird heute mit dem "Style" oftmals gnadenlos übertrieben. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung hat mich beispielsweise "Matrix" völlig umgehauen, heute wirkt er schon fast etwas unspektakulär. Und die beiden Nachfolger zeigen, was ich meine. Die Tricks wurden bombastischer, verloren aber aufgrund ihrer allgegenwärtigen Präsenz ihre Wirkung. Die Story wurde immer verworrener und gleichzeitig flacher. Die Substanz bröckelte, der Style gewann die Überhand.

Matrix ist natürlich ein Paradebeispiel. Während Teil 1 für mich noch immer saustarker Film ist, verlieren Teil 2 und 3 immer mehr an Bedeutung. Die Wachowskis wussten selber wohl nicht wohin sie mit den Filmen wollten.
 

deadlyfriend

Casting
Teammitglied
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
18.017
Ort
Garma
Filmkritiken
185
AW: Stil über Substanz - Eure Meinung

Matrix ist natürlich ein Paradebeispiel. Während Teil 1 für mich noch immer saustarker Film ist, verlieren Teil 2 und 3 immer mehr an Bedeutung. Die Wachowskis wussten selber wohl nicht wohin sie mit den Filmen wollten.


Auch für die Gleichberechtigung der Anteile ist Matrix ein Paradebeispiel. Der eigenwillige Stil, läßt niemals die Geschichte in den Hintergrund treten, sondern unterstützt sie. Wenn man eine 0815 Story mit den gleichen Effekten verwendet hätte, hätte er mir nicht zugesagt. Dadurch das die Handlung genial war, hat auch die Effektriege gestimmt.
 

Willy Wonka

Locationscout
Teammitglied
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
21.970
Ort
Twin Peaks
Filmkritiken
126
AW: Stil über Substanz - Eure Meinung

Matrix ist natürlich ein Paradebeispiel. Während Teil 1 für mich noch immer saustarker Film ist, verlieren Teil 2 und 3 immer mehr an Bedeutung. Die Wachowskis wussten selber wohl nicht wohin sie mit den Filmen wollten.

Die Story wurde immer verworrener und gleichzeitig flacher. Die Substanz bröckelte, der Style gewann die Überhand.

Dass die Geschichte auf den ersten Blick verworrener wurde, gebe ich gerne zu, aber sie keinesfalls flach und der Style gewann nicht an Überhand. Bei den Fortsetzungen wurde beides nur ins Unermessliche gesteigert. Die Action wurde noch spektakulärer und gleichzeitig wurde die Geschichte, die Metaphern, die Symbole und die Philosophie noch eindrucksvoller.
Leider haben sie damit fast das komplette Publikum vergrault. Die Freunde des Blockbusters haben von der Philosophie Kopfschmerzen bekommen und die „intellektuelleren“ Kinobesucher wurden von der Action erschlagen. Klar das man fast ständig nur Genörgel über die Filme hört.
 
Oben