AW: Hotel Ruanda
@crizzo: Danke für deine ohne Gehässigkeit auskommende Darstellung deiner Sichtweise. Ich hatte mich gerade imaginär bereits hinter einem Schützengraben versteckt.
Halten wir mal fest, was wir ähnlich sehen: Eine Film-Katastrophe und ein Völkermord sind zwei ihrer Definition nach verschiedene Dinge und das eine mit dem anderen in einen Topf zu werfen ist verwerflich. Ein Film dieser Art kann Leute erreichen, kann Leute bewegen, wie es die Nachrichten nicht können. Mit dem Film ist, ohne dass man es will, automatisch ne Art "Mission" verbunden, da man ja einen Film über die Dritte Welt macht, den hauptsächlich Leute zu sehen kriegen, die Hungernöte oder Völkermord aus nächster Nähe nicht gesehen haben. All das holt uns für die zwei Stunden aus unserem Alltag heraus und lässt uns emotional an vielen Dingen teilhaben, für die wir sonst im Alltag keine Zeit finden.
Nun das, worin wir uns unterscheiden: Wir gehen mit einem ganz verschiedenen "Glauben" und überhaupt mit einer verschiedenen Ideologie an die Sache ran, was nichts damit zu tun hat, dass sich einer von uns etwa mehr mit dem Thema Völkermord beschäftigt als der Andere oder andere politische Ansichten hat. Es geht eher darum, dass für dich der Inhalt eines solchen emotional bewegenden Films keiner Skepsis bedarf, solange die Emotion und die Kraft des Geschehens, dessen Zeuge man vor der Mattscheibe wird, ihre Wirkung entfacht, weil diese Emotionen eine wesentlich echtere Sprache sprechen als jede in bedeutungsschwangere Phrasen gekleidete Skepsis und die vielen Leute, die durch den Film bewegt waren, für das ganze Anliegen ebenfalls eine deutliche Sprache sprechen: Ruanda ist jetzt seit dem Film bekannt und vorher war es das nicht.
Ich hingegen erkenne all das an, bleibe aber skeptisch bezüglich des Werts als Film, der für mich in diesen Maßstäben nicht messbar ist, sondern andere, etwas abstraktere Maßstäbe hat. Für mich ist sozusagen das Medium selbst die Message, und das verlangt nach einer manchmal völlig irrsinnigen Skepsis, die aber gefühlt ist und nicht berechnet oder konstruiert. Ein guter Film ist einer, nachdem ich danach sage "Das habe ich so noch nie gesehen", und deswegen reagiere ich weniger auf die Wichtigkeit des Inhalts, sondern eher auf die Form. Meine Skepsis kann aber ebenso leer sein wie die Wichtigkeit eines "wichtigen" Films, dafür gibt es keine Regel, sondern ich bin da auf mich selbst angewiesen. Ich versuche lediglich die Skepsis ein wenig hier zu kommunizieren, wenn man sie als leer enttarnt genießt man den angegriffen Film noch mehr.