AW: Iron Sky
Iron Sky
Einsam unter Sternen. Der Mond ist ihr Rückzugspunkt, der Nationalsozialismus brütet auf ihm als Schattengestrüpp, das sich unter autarken Bedingungen zur Reife entwickelt (und damit im Grunde endlich seine Bestimmung lebt) – sie haben es so kuschelig da oben und leben ihren Traum, und doch ist das Eroberungs-Gen zu dominant, als dass man die Erde einfach ihrem Schicksal überlassen könnte.
„Iron Sky“ hätte sich schreiend als multiple Gesellschaftssatire im Stil von Tim Burtons „Mars Attacks!“ feilgeboten. Man hätte die Nazis als naive Käuze darstellen können, die auf eine (weitestgehend) aufgeklärte Welt gestoßen wären. Kein fruchtbares Biotop mehr wie die Weimarer Republik, in der die Menschen geradezu darum flehten, geführt zu werden. Der arg euphemistische, theatralische Nazi-Sprachstil wäre nichts anderes mehr gewesen als das „yak! yak! yak!“ von Burtons sicherlich intelligenten (siehe Hirnvolumen), aber im Auftreten doch eher naiven grünen Männchen, die auf eine Welt voller zwar bescheuerter (siehe auf deinen Nachbarn), aber wenigstens bunt gemischter Erdlinge getroffen wären, die eines vor allem anderen lieben: Die Freiheit, selbst darüber zu entscheiden, wie sie ihre Zeit vergeuden.
Letzteres stellt Shooting Star (?) Timo Vuorensola dann auch jedes Mal unter Beweis, wenn wieder jemand ein Kinoticket löst. Es dauert keine fünf Minuten, bis er seinen Film verschenkt hat. Zwei NASA-Astronauten entdecken die Nazi-Kolonie in einem Mondkrater, die fast schon penetrant offensichtliche Symbolik der Gebäudearchitektur löst sich in einem Zoom-In auf und führt uns in die Eingeweide, die einen Blick frei legen auf Nazi-Pop-Art, die sich ähnlicher Kostüme und Setpieces bemächtigt wie zuletzt ein „Inglourious Basterds“, sie aber präsentiert wie „Bitch Slap“ seine Titten – viel zu schwammig auf Parodie gebürstet.
Anstatt nun wieder auf die Erde abzuschwenken und die Inkompetenz der amerikanischen Präsidentin (längst kein neuer Hut mehr) unter Beweis zu stellen, verweilt Vuorensola fatalerweise im „Vierten Reich“ und versucht, die Uniformträger zu charakterisieren und dadurch zu persiflieren. Alles Alieneske, das alleine durch die Mondprämisse schon zum Fest hergerichtet war, weicht in diesem Moment von den Nazis wie der Teufel vom Weihwasser. Weil die Kamera die Antagonisten jederzeit im Bild hat, kommen die Gags nie unerwartet, obwohl sie als Surprise-Effekte konzipiert sind. Die Erwartungen der Zuschauer werden in dieser Phase lediglich erfüllt – man erwartet, hakenkreuzförmige Gebäude zu sehen, man bekommt sie zu sehen. Man erwartet Laborexperimente, Gifte in Phiolen und riesige Computerapparaturen, man bekommt sie aufs Offensichtlichste, mit einem Einstein-Verschnitt am Abzug. Man erwartet kernige, altdeutsche Namen, und schon stellen sich Klaus und Renate vor. „Ilsa“-Exploitation ist unvermeidlich, und siehe da, Renate verliert die Hälfte ihrer Kleidung an der Luftschleuse und steht plötzlich in Strapsen da. In dem Maße, in dem es den Gags an Unvorhersehbarkeit mangelt, stellen sie sich dann auch als Rohrkrepierer heraus.
Als es dann nach einer gefühlten Ewigkeit endlich auf die Erde geht, beginnt ein wirrer Satire-Schlagabtausch in alle Richtungen. Mit Spezialeffekten, die in ihrer nüchternen Ausdefiniertheit, ihrer durchaus hohen Qualität und vor allem ihrer falsch gesetzten Priorität auf peinliche Weise an „(T)Raumschiff Surprise: Periode I“ erinnern, werden die Invasionsfilme der 50er Jahre aufs Korn genommen. Auch hier ist der Zuschauer dem Film wieder die komplette Exposition voraus. „Independence Day“-Kameraschwenks auf den von Untertassen verdunkelten Himmel der New Yorker Skyline inszeniert man wiederum als Überraschung, dabei würde man davon ausgehen, dass das Invasionsmoment sowieso das Grundgerüst für die eigentlichen Gags vorausgesetzt war. Und ein solcher Gag wäre beispielsweise gewesen, die Spezialeffekte nicht mit „Star Wars“ konkurrieren zu lassen, sondern mit „Plan 9 From Outer Space“.
Mit den Machenschaften der US-Regierung wird ein weiteres Fass aufgemacht, das man wiederum mit „Mars Attacks!“ assoziiert, vielleicht sogar mit „Futurama“, doch die Einführung ins Weiße Haus mit klinisch sterilem Büro, in dessen Mitte das Staatsoberhaupt gerade ein Laufband bedient, ist schon wieder so sehr Klischee, dass man gleich weiterskippen möchte zum nächsten Satireversuch. Auf Medienseite gibt es einen kleinen Lacher, wenn Plakate andeuten, dass die Präsidentin der USA zu den gleichen Methoden zu greifen gewillt ist wie die Nazis – aber braucht man das, wo es doch schon „Starship Troopers“ gibt? Parallel laufen zwei der Hauptfiguren nach einem absurden Zeitsprung („Drei Jahre später“… einfach so) durch die Straßen Amerikas und stellen mikroperspektivisch auf die Probe, was auf höchster Regierungsebene bereits propagiert wurde. Abgesehen von absurden Begegnungen zwischen schwarzen Straßenbasketballern und einem gebleichten „Bruder“ in Naziuniform oder Ur-Nazis mit Neo-Nazis weiß selbst dieser Handlungsstrang nicht viel auf die Beine zu stellen. Stattdessen verstärkt er das Gefühl, dass Vuorensola vor allem von jedem Kuchen ein Stück abhaben möchte, ohne den Geschmack eines Kuchens auszukosten.
Dass „Iron Sky“ auf Papier vielleicht sogar gut geklungen haben mag, auf Zelluloid aber so gnadenlos verschenkt wird, liegt sicher zu einem großen Anteil auch am suboptimalen Cast – Götz Otto schmiert sich durch die Oberfieslingsrolle, dass es nur so flutscht, Christopher Kirby bedient den nüchternen Schwarzen, dem jede Beleidigung seiner Hautfarbe noch ein frecher Spruch abringt (Orlando Jones lässt grüßen), Julia Dietze sieht hübsch aus (und klingt scheiße), Peta Sergeant grimassiert sich als fiese Domina nach „Star Trek“-Gegnermodell die Augen vom Stiel und Udo Kier verkümmert trotz eines erneut detailreichen Mimenspiels in einer für ihn inzwischen nur allzu typischen Kümmerrolle.
Zufriedenheit kann das letztlich nur ernten, wenn man sich mit wahllos zusammengeworfenen Satireansätzen zufrieden gibt. „Iron Sky“ könnte der „Epic Fail“ des Jahres 2012 werden, ein gigantisches Missverständnis – man erhoffte sich alternative Geschichtsschreibung mit dem coolsten Zusammentreffen der Menschheit mit einer anderen Spezies seit „Jurassic Park“, serviert wurde dilettantisch angerichtetes Satirepüree.
2.5/10