Woyzeck

Die wilde 13

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Woyzeck


Franz Woyzeck (Klaus Kinski) ist ein ebenso einfacher wie einfältiger Soldat, der sich für Hauptmann und Arzt (Willy Semmelrogge) als Laufbursche bzw. Versuchskaninchen ein Zubrot zu seinem kargen Sold verdingt, um seine Freundin Marie (Eva Mattes) und ihren gemeinsamen aber unehelichen Sohn durchzubringen. Als ein Tamboumajor seiner Marie schöne Augen macht, verliert Woyzeck immer mehr die Nerven...

War für mich das Dramafragment von Georg Büchner, der es nach einer oder auch mehreren wahren Begebenheiten schuf und leider vor dessen Fertigstellung starb, in der Schule eine Qual, so ist Werner Herzogs Adaption fast perfekt gelungen. Vor allem der Cast ist absolut perfekt und scheinen wie aus dem Drama herausgeschnitten zu sein. Allen voran natürlich Klaus Kinski, der eine unglaublich intensive Vorstellung abgibt. Dabei gelingt es ihm, das Klischee eines Irren, was ihm ja anhaftet, fast vollständig zu umgehen und aus Woyzeck einen Mann zu machen, der verzweifelt das Gute will aber an sich, seinen Mitmenschen und an den Umständen letztendlich scheitert. Ein im Kern braver und ehrlicher Mensch wird durch Demütigungen, Vorurteile und Standesdünkel zu Handlungen getrieben, die er so nie wollte. All diese Zerissenheit spiegelt sich in Kinskis Mimik wieder. Seine so häufig kalten Augen sind hier voller Wärme und Liebe zu Marie aber auch zerrissen von Angst und Verlust. Eine grandiose Vorstellung, die Kinski nur 5 Tage nach dem Drehschluss von Nosferatu da abgab. Regisseur Werner Herzog machte sich schlauerweise den vom Nosferatudreh ausgemergelten Körper von Kinski zunutze. Auch das die Haare noch sehr kurz waren passte da wie die Faust aufs Auge.
Aber nicht nur Kinski, auch Eva Mattes als Marie und Willy Semmelrogge als Arzt spielen ihre Rollen großartig, da sie sowohl optisch als auch von ihrem Spiel her völlig in der Rolle aufgehen. Der restliche Cast ist ebenfalls in Spiellaune und rundet das Ganze wunderbar ab.

Da Büchner, wie erwähnt, nicht mehr in der Lage war, das Drama zu Ende zu schreiben, sind die einzelnen erhaltenen Szenen nie in der "richtigen" Reihenfolge gewesen. Ergo gab und gibt es einige Interpretationen diesbezüglich und Herzog beginnt seinen Film mit der "Rasierszene", was in meinen Augen durchaus Sinn ergibt. Auch lässt er zwischen einzelnen Szenen einen einen mehr oder weniger heftigen Bruch im Film erkennen um so sie Unvollständigkeit des Dramas hervorzuheben. Da fällt es kaum auf, das es manche Szenen gar nicht in den Film geschafft haben.

Wunderbar gelungen ist auch die authentische Kulisse, dessen Rolle das malerische Städtchen Telč (damalige ČSSR) im heutigen Tschechien übernahm. Ebenso authentisch und keineswegs störend ist, das Herzog die Dialoge weitestgehend original aus dem Drama belassen hat. Ach, was wäre mir dieser Film in der Schule eine große Hilfe gewesen...

Einzig die Musik, die mir persönlich dann doch einen Ticken zu authentisch war mit dem ganzen Gefiedel, trübt das Gesamtbild ein wenig, so das unterm Strich eine hochverdiente 9,5/10 übrigbleibt.
 
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