Mary
Bei „Mary“ handelt es sich um die deutschsprachige Version des Films „Mord – Sir John greift ein!“. Beide Filme wurden parallel von
Alfred Hitchcock gedreht, da zu Beginn der Tonfilmära die Technik der Synchronisation noch nicht sehr weit fortgeschritten war und nicht die Qualität besaß, wie heutige Synchronisationen.
Deutschland war schon immer ein wichtiger Markt für die Filme von Hitchcock und er selbst wurde sehr stark von den deutschen expressionistischen Filmen eines
Fritz Langs oder
Friedrich Wilhelm Murnaus geprägt, entschied er sich den Film mit zwei verschiedenen Ensembles zu drehen, um auch eine deutschsprachige Version in die deutschen Kinos zu aufzuführen.
Nur in wenigen Aspekten weicht die deutschsprachige Version vom Original ab. So gibt es sogar mehrere kleine Szenen, welche direkt übernommen worden sind. Doch allein bei der Laufzeit gibt schon die erste Nichtübereinstimmung, denn so ist „Mary“ fast eine halbe Stunde kürzer und damit sehr in seiner Dramaturgie massiv gestrafft worden. Viele humorvolle Szenen wurden entfernt und auch längere Einstellungen wurden drastisch gekürzt. Aufgrund der vielfältigen Kürzungen fehlen dem Zuschauer in gewissen Szenen sogar Informationen, was vor allem bei Ortswechseln auffällt. So wird zum Beispiel nicht deutlich, warum John bei einer Familie aufwacht und von deren Kindern geweckt wird und nicht in seinem eigenen Apartment. Des Weiteren sind die Schnitte hart, arrhythmisch und erzeugen keine Homogenität. Hinzukommend hat dieser Film auch von der technischen Seite im Vergleich zum Original eine verminderte Qualität, was möglicherweise auch auf die rudimentäre Restauration zurückzuführen ist. So schwankt die Lautstärke der Dialoge und manche Szenen sind ungut beleuchtet - so wirken manche Objekte überstrahlt.
Das größte Übel sind aber die deutschen Schauspieler, denn sie agieren durchweg wie Laien und sagen ihren Text – mehr oder weniger auf oder lesen ihn womöglich sogar ab. Eindrucksvoll hat Hitchcock mit diesem Film bewiesen, wie hoch der Stellenwert von guten Schauspielern ist und welche Bedeutung eine gute Führung der Schauspieler hat, denn durch Hitchcocks unausgereiften Deutschkenntnissen konnte er nicht genau auf die Wortwahl und Betonung achten und konnte daher nicht seinen Pflichten als Regisseur nachkommen.
Heute ist dieser Film einzig aus historischer oder filmanalytischer Sicht interessant, denn er offenbart die Problematiken des frühen Tonfilms (Parallelen zur aktuellen 3-D-Technik sind offensichtlich) und zeigt die damaligen kulturellen Unterschiede zwischen Deutschland und England aus der Sicht eines englischen Filmemachers auf, wenn man beide Filme und deren Unterschiede vergleicht.
Wer einen guten Thriller bzw. Kriminalfilm sehen will, sollte definitiv das Original vorziehen, denn zwischen beiden Filmen liegen - aus qualitativer Hinsicht - Welten.