Mitten in Deutschland: NSU

Tarantino1980

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Gesamtübersicht aller Kritiken zu Mitten in Deutschland: NSU - Die Täter: Heute ist nicht alle Tage:

#02 18.09.21 Tarantino1980

Gesamtübersicht aller Kritken zu Mitten in Deutschland: NSU - Die Opfer: Vergesst mich nicht:

#03 18.09.21 Tarantino1980

Gesamtübersicht aller Kritiken zu Mitten in Deutschland: NSU - Die Ermittler: Nur für den Dienstgebrauch:

#04 18.09.21 Tarantino1980
 
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Mitten in Deutschland: NSU - Die Täter: Heute ist nicht alle Tage
Die beiden pubertierenden Freundinen Sandra und Beate wachsen mitten zur Zeit der Wende in der ehemaligen DDR in Jena auf. Beide sind mit der Schule fertig und sind orientierungslos wie es mit ihrem Leben weitergehen soll.

Regisseur Christian Schwochow inszenierte im Jahr 2016 den ersten Teil der Mitten in Deutschland Trilogie. In seinem Beitrag geht es darum die Geschehnisse aus der NSU Zeit aus Sicht der Täter zu erzählen. Der Film, wie auch die gesamte Trilogie, ist eine Mischung aus realen Ereignissen, aber auch fiktionalen Freiheiten der Drehbuchautoren, um dieses Thema innerhalb eines filmisches Kontextes dem Zuschauer zu präsentieren. Dank solchen tollen Beratern wie z.B. Stefan Aust, welche aus meiner Sicht maßgeblich bei der Drehbuchentstehung beteiligt waren, wirkt der Film sehr authentisch und erschreckend real. Da der Film auf realen Ereignissen basiert ist es umso schokierender für mich gewesen noch mehr Hintergründe zu dem Ereignissen zu erfahren. Im Grunde zeigt uns Christian Schwochow in seinem Film sehr deutlich auf wie einfach es ist, Jugendliche ohne Perspektive und ohne bereits gefesstigte Meinung, zu manipulieren und für eine gewisse Sache zu begeistern. Egal ob es sich um eine Sekte wie z.B. Scientology handelt, welche im übrigen auch nach der Wende in den neuen Bundesländern auf Mitgliederfang gegangen ist, oder eben eine politisch extreme Bewegegung, wie hier eben die rechte Szene, haben all diese Gruppierungen eins gemeinsam, sie nutzen Notlagen aus und wenden sich geziehlt an Personen, die eben genau in dieser Notlage stecken bzw. noch keine feste Richtung in ihrem Leben haben. Dies zeigt der Film erschrekend real wie aus den beiden jungen Frauen Sandra und Beate, die offenbar ihr bisheriges Leben lang beste Freundinen werden, durch solch eine Situation schnell zwei Personen werden die auf unterschiedlichen Seiten stehen. Sandra geht den weg, den man im besten Fall gehen sollte und lässt diese jugendliche Unentschlossenheit schnell hinter sich. Beate hingegen, wahrscheinlich auch weil sie durch ihr zerrütetes Elternhaus, noch anfälliger für diese Gruppierung war, gerät immer tiefer in diesen Sog aus Zusammenhaltsgefühl einhergehend mit extremen Ansichten und wird dadurch auch schnell in ihren jungen Jahren zu einem wichtigen Teil dieser Gruppierung. Nicht weil es zwingend ihr Gedankengut war und sie nur nach genau so einer Gruppe gesucht hat. Vielmehr ist es die Perspektivlosigkeit die sie dort schnell anschluss finden lässt und mit den falschen Leuten aber schnell in einere Einheit sich wohl fühlt und dadurch auch dieses Gedankengut für sich adaptiert, weil sie dadurch eben eine Ersatzfamilie gefunden hat.

Ich will damit weiß Gott nicht ihre Taten rechtfertigen, mir ist es halt nur wichtig und offenbar auch den Machern dieses Filmes, das man die Beweggründe und Motivationen versteht. Die wenigsten werden als rechtradikal bzw. rechtsextrem geboren. Es sind eben vielmehr sehr anfällige Leute ohne perspektive die sich solchen Gruppierungen anschließen, eben weil sie keine eigene gefestigte Meinung haben und dadurch sich schnell beeinflussen lassen. Genauso hätte, wenn Beate den richigen Leuten begegnet wäre, aus ihr ein wichtiger Teil der Gesellschaft werden können. Sie hätte sich sozial bzw. karitativ angagieren können den genauso auf der anderen Seite gibt es Gruppierungen die solche Personen für sich gewinnen wollen, nur mit dem Unterschied das das Produkt aus deren Bemühungen etwas gutes ist. Leider, und das zeigt der Film sehr deutlich, sind diese Gruppierungen nicht so fokusiert und organisiert wenn es darum geht neue Mitglieder zu akquirieren. Wäre also Beate nicht in eine lieblose arbeitsbeschaffungsmaßnahme vom Staat gesteckt worden, sondern hätte man damals für diese Genereation von Jugendlichen sich ernsthaft Gedanken gemacht wie man ihnen perspektiven bieten kann, also für junge Erwachsene aus sozial schwachen Verhältnissen, wäre es vielleicht nie so weit gekommen.

Der Cast ist im übrigen hervorragend besetzt. Sowohl Anna Maria Mühe als auch Albrecht Schuch und Sebastian Urzendowsky haben mir in ihrer Darstellung extrem gut gefallen. Mal davon abgesehen das man hätte Make-up technisch etwas mehr rausholen können, da es doch ein etwas größerer Zeitraum war der hier abgedeckt wurde, haben sie von der Art wie sie ihre Figuren verkörpert haben diesen Wandel perfekt darstellt. Aus pupertierenden Jugendlichen ohne Ziel wurden rechtsextreme Terroristen mit einem sehr klarem Ziel vor Augen. Diesen Wandel haben die drei wirklich erschreckend dargestellt. Aber auch der restliche Cast war wirklcih gut besetzt.

Ich finde es ist ein wichtiger Film den uns hier Christian Schwochow präsentiert weil er sich mit der jungen Geschichte Deutschlands beschäftigt, er bewusst schockiert und aufzeigt, dass obwohl viele das leider nicht wahrhaben wollen oder nicht sehen wollen, das Thema Rechtsradikalismus bzw. Rechtsextremismus schon sehr lange ein Problem in Deutschland ist und noch immer omnipräsent ist. Daher finde ich diesen Film extrem wichtig und hoffe, dass er von möglichst vielen Leuten gesehen wurde bzw. noch gesehen wird und meiner Meinung nach, sollte es auch ein Film sein der in weiterführenden Schulen im Geschichts und/oder Politik Unterricht absolut zum Pflichtstoff gehören sollte.

Wertung: 9/10
 

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Mitten in Deutschland: NSU - Die Opfer: Vergesst mich nicht
Der Blumenhändler Enver Simsek wird am hellerlichten Tag, ohne scheinbar jedes Motiv, auf einer Landstraße ermordert. Er ist leider nur der Anfang einer schrecklichen Mordserie die sich innerhalb mehrerer Jahre quer durch Deutschland zieht.

Im zweiten Teil der Mitten in Deutschland Trilogie übernahm Züli Aladag die Regie. Anders als im ersten Teil, werden die Geschehnisse hier aus Sicht der Opfer dargestellt. Daher handelt es sich auch hier eher um ein Drama, was aber auf jeden Fall perfekt in die Trilogie passt. Bereits beim ersten Teil hatte ich einen schweren Klos im Hals und vieles mir dargebotene war einfach nur wie ein Faustschlag mitten ins Gesicht. Dieser Film von Züli Aladag ging sogar noch einen Schritt weiter und bescherte mir einen Faustschlag tief in die Magengegend. Es war einfach erschreckend zu sehen mit welcher Willkühr Leuten hier das Leben genommen wurde, nur um eben ein politisches Zeichen zu setzen, welches ironischer Weise von den ermitteltenden Behörden jahrelang noch nicht mal als dieses Wahrgenommen wurde. Vielmehr suchte man die Schuld bzw. die Motivation für diese Morde im direkten Umfeld der Opfer. Eine für mich wirklich erschreckende und besorgniserregende Situation wenn man eher jahrelang versuchte Motive zu finden die in die üblichen Klischees wie Ehrenmord, Drogenmilieu oder Rachefeldzug anstatt auch mal in Erwägung zu ziehen das es eben eine dieser rechtsradikalen Gruppierungen hätte sein können die bereits Jahre zuvor sich organisierten um aus dem Untergrund herraus zu operrieren und viel schlimmer noch, bereits dem Verfassungsschutz bekannt waren. Im Nachhinein ist man natürlich immer schlauer, aber es macht mich einfach nur wütend das man lieber jahrelang unschuldige Menschen belästigt, schikaniert und penetriert hat, in der Hoffnung das man so auf eines der Klischee Motive stößt, anstatt auch mal über den Tellerrand zurück zu schauen. Dieses führte natürlich auch dazu das über Jahre hinweg die Familien der Opfer nie zur Ruhe gekommen sind. Es ist schon frustrierend und traurig genug das man als Hinterbliebener nicht erfährt warum und von wem die geliebte Person ermordet wurde, es ist aber aus meiner Sicht genauso schlimm wenn diesen Personen dann auch noch über einen so langen Zeitraum immer wieder teils unterschwellig, teils offensichtlich, unterstellt wurde das sie genau wissen warum diese Person ermordet wurde und sie diese Informationen den ermittelden Behörden nur verschweigen.

Züli Aladag musste hier den Spagat hinkriegen um zum einen nie das große Ganze aus dem Auge zu verlieren, aber auch, wie in diesem Falle das Einzelschicksal der Familie Simsek, über einen längeren Zeitraum ins Gleichgewicht zu bekommen. Sicherlich hätte man hier locker einen Film mit drei Stunden Laufzeit inszenieren können um wirklich alle Opfer prominenter zu platzieren und auch die Schicksale von deren Familien zu zeigen. Es wurden zwar alle Opfer im Film erwähnt und man erfährt kurz etwas darüber, zumindet über den Zeitpunkt und Ort der Tat, aber der Fokus liegt hier definitiv auf der Familie Simsek, wie sie diese schwere Zeit erlebt. Und das war aus meiner Sicht auch eine kluge Entscheidung der Macher hinter diesem Projekt, weil man so als Zuschauer natürlich eine viel emotionalere Bindung aufbaut, als wenn hier wirklich alle Taten sprich in einem Zeitraum von 2000 bis 2007 10 Morde gezeigt hätte. Von den 43 Mordversuche , drei Sprengstoffanschlägen und 15 Raubüberfällen mal ganz abgesehen. Hätte man all dies zeigen wollen wäre alleine dies schon Material für einen Teil 2 von Die Täter gewesen. Daher fand ich die Entscheidung sehr gut sich hier auf das Einzelschicksal zu fokussieren und dennoch den Spagat zu schaffen zumindest zu erwähnen das es noch weitere Opfer gab und natürlich auch das große Ganze etwas näher zeigte, ohne hier eine Vollständigkeit der Taten darstellen zu wollen.

Beim Cast hat mich besonders Almila Bagriacik extrem beeindruckt. Auch sie hat hier einen extremen Wandel eines rebellierenden jungen Mädchens, welches mit den strengen Regeln und Werten ihrer Eltern nicht übereinstimmt bis zu einer einer starken jungen Frau die eine wichtige Rolle innerhalb ihrer gesamten Familie nach dem Tod ihres Vaters eingenommen hat. Sie war selber noch keine erwachsene Person, wurde aber durch dieses Ereignis in eine Rolle gedrängt welche auch leicht hätte in eine andere Richtung führen können. Denn anders als Beate damals hat sich Semiya für den richtigen Weg entschieden. Sie hat sich von diesem tragischen Ereignis nicht entmudigen lassen und hat dennoch ihr Leben weiter gelebt und ist ihren Weg gegangen. Genauso hätte auch sie sich einer islamistichen Terrorgruppierung anschließen können um so den Tod ihres Vaters zu rächen. Auch der restliche Cast war solide Besetzt, allerdings hier nicht so toll wie im Vorgänger. Die Leistung von Tom Schilling war noch solide aber ansonsten gab es innerhalb des Casts niemanden, der meiner Meinung nach, Almila Bagriacik das Wasser reichen konnte bzw. sogar noch besser war. Dennoch war der Cast solide gewählt.

Auch der zweite Teil der Trilogie weiß zu überzeugen. Er ist anders von der Art der Inszenierung her, aber dennoch ein wichtiger Beitrag innerhalb des großen Ganzen. Auch dieser Film sollte auf jeden Fall Pflichtprogramm in Schulen sein.

Wertung: 9/10
 

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Mitten in Deutschland: NSU - Die Ermittler: Nur für den Dienstgebrauch
Die beiden rechtsextremen Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt werden nach einem Banküberfall gestellt und sollen von der Polizei verhaftet werden. Bei diesem Versuch bleibt es jedoch da sich beide zuvor, so zumindest der offiziell bestätigte Tathergang, selbst umgebracht haben. Beate Zschäpe ist hingegen weiterhin auf der Flucht.

Im dritten Teil der Mitten in Deutschland Trilogie inszenierte Florian Cossen die Ereignisse aus Sicht der Ermittler. Daher ist dieser Film ein lupenreiner Krimi und somit auch sehr spannend inszeniert. Anders als bei seinen beiden Vorgängern wird hier eher das große Ganze beleuchtet und auch auf erschreckende Weise gezeigt wie hilflos die ermittelnden Behörden all die Jahre waren. Angefangen über Hindernisse wie dem Datenschutz bei der Anforderung von personenbezogenen Rasterfandungen bis hin zu Sreitigkeiten zwischen Zuständigkeiten von Verfassungsschutz und LKA ist alles dabei was im Behördendschungel Deutschland in freier Wildbahn dem Zuschauer über den Weg läuft. Man hat teilweise sogar das Gefühl es ist in erster Linie viel wichtiger Regeln, Prozesse und Abläufe einzuhalten anstatt das eigentliche Verbrechen zu klären. Teilweise wirkt es so als ob dies eher zur Nebensache verkommt und im besten Falle ein cholateraler Erfolg ist, wenn nebenbei halt auch noch ein Verbrechen aufgeklärt wird, neben aller Hürden die den Ermittlern in den Weg gestellt werden.

Den Cast fand ich wirklich sehr gut. Besonders gut haben mir Liv Lisa Fries, welche ich spätestens seit Babylon Berlin auf dem Schrim habe, aber auch Sylvester Groth, den ich durch die Deutschland 83, 86 und 89 auch sehr zu schätzen gelernt habe. Beide sind wirklich eine große Bereicherung für den Film. Für die Rolle von Florian Lukas hätte ich mir hingegegen jemand anderen gewünscht, irgendwie bin ich mit seiner Darstellung der Rolle nicht warm geworden. Aber das ist wirklich Meckern auf hohem Niveau, da auch der dritte Teil sehr stimmig war vom Cast her.

Ein toller Abschluss einer wirklich beeindruckenden Trilogie. Auch wenn man natürlich nicht weiß wie viel Fiktion und wieviel Reales in den Geschehnissen wirklich dabei ist, so denke ich für mich persönlich schon das man hier, dank der vielen tollen Berater, doch schon eine sehr authentische Inszenierung des Stoffes dargeboten bekommen hat. Die Trilogie ist in vielerlei Hinsicht nicht nur eine Kritik an dem gesamten Thema, sondern vielmehr auch als Mahnung zu verstehen. Wenn man solche Dinge als Volk stillschweigend hinnimmt und keine Meinung dazu bezieht kann es passieren, dass irgendwann die falschen Leute gewinnen und solche Dinge auf der Tagesordnung stehen und vielleicht noch mehr, als es hier ohnehin offenbar schon der Fall war, vertuscht und hingenommen werden.

Wertung: 9/10
 
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