L`Immoralita

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L`Immoralita

Wenn man glaubt, man hat schon alles irgendwie mal gesehen, muss man nur einen Blick ins italienische Kino der 70er werfen. Sei es der Plot, oder auch die Art wie er verfilmt wurde, lässt einen im Fall von „L`Immoralita“ einfach staunend zurück. Allerdings nicht nur im positiven Sinne. Manchmal sind Grenzen eben doch gut.

Ein Kindermörder befindet sich auf der Flucht und wird dabei angeschossen. Er schleppt sich durch ein Wald- und Sumpfgebiet und landet in der Nähe eines alten Landhauses. Er wird von der 11-jährigen Simona gefunden, die ihn in ein verlassenes Jagdhaus bringt. Sie hilft ihm und baut eine seltsame Beziehung zu ihm auf. Obwohl sie erfährt, dass er wegen Mord an 4 Kindern gesucht wird, ändert sich ihr Verhalten zu ihm keineswegs. Ihrem Vater, der äußerst lebensmüde in einem Rollstuhl sitzt und sich den Tod herbeisehnt, erzählt sie darüber kein Wort, aber ihrer Mutter, die als ortsansässige Schlampe gilt, fällt das Verhalten der Tochter auf. Nicht dass sie sich in irgendeiner Form für ihr Kind interessieren würde, aber dadurch das die Polizei und eine private Bürgerwehr ständig auf ihrem Gelände nach dem Mörder sucht, hegt sie den Verdacht, dass Simona ihn versteckt. Dabei verfolgt sie aber nicht das Ziel den Mörder hinter Gitter zu bringen, sondern hofft eher darauf, dass jemand mit seiner Erfahrung, ihren Ehemann für sie erledigt, da sie dazu selbst nicht in der Lage ist. In der Zwischenzeit wünscht sich Simona ein Kind des pädophilen Serientäters…….

Die Inhaltsangabe ist jetzt etwas länger geworden, aber da der Film hierzulande komplett unbekannt ist und obendrein die Story in der Filmwelt ziemlich alleinsteht, mussten ein paar mehr Worte her. Zudem hat Regisseur Massimo Pirri, diese obskure Geschichte äußerst interessant inszeniert. Glaubt man aufgrund der Handlung eher an ein Schmierenstück-Theater, bildet er einen kalten Mikrokosmos der Einsamkeit ab. Alle Figuren sind bereits zu Beginn des Films zerstört. Sei es der jeden Lebenswillen verlorene Rollstuhlfahrer, der kaum noch das Zimmer, geschweige das Haus verlässt oder die Mutter, die durch die Behinderung ihres Mannes ihr Leben in einem Trümmerfeld sieht und sich mit Männern und Alkohol beschäftigt.
Zudem hat sie kaum einen Bezug zur Tochter, die anscheinend ebenfalls unerwünscht ist und sie eher nur in ihrer eigenen Entfaltung stört. Durch die Konstellation der Figuren wird dann auch vermittelbarer, weshalb die 11-jährige Simona eine Beziehung zu Federico aufbaut, da sie unendlich einsam ist und keinerlei Vertrauenspersonen besitzt. Er ist sozusagen das erste Erlebnis in ihrer traurigen Existenz.

Auch wenn der Film klar als Drama angelegt ist, kommt die Spannung nicht zu kurz, da man in keiner Sekunde weiß, wie es ausgehen wird. Dies liegt auch darin begründet, dass die Polizei und auch eine Art Bürgerwehr, die den Killer sucht, als komplett unsympathische Zeitgenossen dargestellt werden, weshalb man sich darauf fokussiert das es Simona gut geht. Das beinhaltet aber eben auch, dass es dem Killer gut geht, der fabelhaft von Howard Ross gespielt wird. Damit er für den Zuschauer aber nicht zu freundlich rüberkommt, gibt es immer wieder Zwischenschnitte auf sein letztes Opfer und auch die Berichte, die über ihn zu hören sind. Auch wenn sie aus unserer objektiven Sicht einen Fehler nach dem anderen begeht, ist man klar auf Seiten von Simona, die den Film trägt. Dargestellt wird sie von einer Schauspielerin namens Karin Trentephol, die diese komplizierte Rolle fantastisch auslegt. Leider ist über sie absolut nichts zu erfahren, da dies ihrer einzige Rolle war. Sie verleiht dem Charakter viel Tiefe und auch in ihren Nacktszenen wirkt sie wie ein Vollprofi. Diese Szenen meinte ich aber eingangs mit den Grenzen, da das Gezeigte heute weder vorstellbar noch möglich wäre. Aber selbst diese Szenen verleihen dem Film eine weitere Tiefenebene und sind nicht einfach nur Selbstzweckhaft. Im italienischen Kino der 70er sowieso nicht.
Unterlegt wird der Film von einem wunderschönen Score von Ennio Morricone, der zu den Bildern immer das passende Ambiente parat hat und ebenfalls sehr viel Tiefe beisteuert.

Ich muss ganz klar sagen, dass ich den Film persönlich gnadenlos unterschätzt habe. Da er von Cineploit bei uns im Mediabook veröffentlicht wurde, habe ich erstmalig von dessen Existenz erfahren. Durch Howard Ross und Mel Ferrer im Cast und Morricone an der Musik, war er mir einen Blindkauf wert, obwohl ich nach den kurzen Inhaltsangaben von einem Sleaze Monster ausging. Aber die daran Beteiligten hinterließen eben Zweifel und mein Mut wurde jetzt belohnt.
 
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