Also generell gibt es ganz unterschiedliche Formen von Einfluss auf die Netflix-Produktionen. Technisch gibt Netflix u.a. vor, dass die Filme digital gedreht werden müssen und seit kurzem müssen sie sogar in HDR gedreht werden. (
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Bis auf den unschönen Umstand dass diese scheinbar überhasteten Vorgaben bezüglich HDR einige Filmschaffende eiskalt erwischt haben, finde ich gewisse Grundvoraussetzungen sinnvoll. Wenn ich dort für 4k bezahle und dann auch echtes 4k bekomme ist das sehr zu begrüßen. Auch da hebe ich als Konsument mehr davon als von den vielen UHD Mogelpackungen, die auf einem 2k DI basieren.
Analoge Kameras sind aber wohl nicht generell verboten, sie tauchen nur nicht in der Liste der unterstützten Systeme auf. Auf Nachfrage ist ein analoger Dreh wohl auch weiterhin möglich.
Dann geben Sie einigen großen Regisseuren große kreative Freiheit in Bezug auf ihren Film. Das kann meiner Meinung nach sowohl positiver wie auch negativ Auswirkungen haben. Denn manchmal ist es meiner Meinung nach durchaus sinnvoll, dass Produzenten bzw. Studios eine Lektoren-Funktion übernehmen.
Wie ich im Irishman Beispiel schrieb, letztlich immer die Frage ob die kreative Freiheit gut oder schlecht ist. Prinzipiell ist es aber doch erstmal so, dass wir uns (oder ich mich) freuen wenn man hört dass Regisseur XYZ ein großes Vertrauen vom Studio bekam und somit den Final Cut. Ebenso ob mehr oder weniger Geld besser oder schlechter für die Kreativität ist. In Batman (1989) haben wir einen komplett durchkalkulierten Blockbuster, während der Nachfolger eine deutlich stärkere Handschrift von Burton trägt. Entsprechend unterschiedlich sind die Filme ausgefallen und besonders Returns polarisierte damit sowohl beim Publikum und Studio. Die leidvollen Konsequenzen daraus waren dann die zwei Nachfolger...
Eventuell ist dies auch alles ein Prozess, welcher bei den althergebrachten Studios inzwischen tief in der DNA verankert ist und Netflix sich dort auch noch hinbewegt. Momentan schätze ich es aber erstmal, dass auch die hässlichen Entlein dort zum Zuge kommen und nicht in einer ewigen Vorproduktionshölle versauern.
Zudem experimentiert Netflix mittlerweile wesentlich stärker mit Product Placement als die konventionellen Studios. Ich glaube an anderer Stelle habe ich schon geschrieben, dass bei unterschiedlichen Zuschauern unterschiedliche Produktplatzierungen vorgenommen werden sollen. So sieht beispielsweise Zuschauer xy auf dem Tisch eine Coca-Cola-Flasche stehen und der andere vielleicht eine Bio-Limonade. Die nachträgliche digitale Bilderanbetung macht das möglich. Das steckt aktuell aber wohl noch in der Kinderschuhen.
Diesen Bericht kenne ich, der basiert ja auf der Aussage des Start-ups Triplelift. So könnten die sich diese Werbemethode in Zukunft vorstellen. Ob das dann auch bei Netflix zum Zuge kommt, oder überhaupt muss man abwarten. Generell halte ich von dieser Idee aber gar nix, da sie mir auch komplett unsinnig erscheint. Erstens müsste man ja erstmal wissen, um bei deinem Beispiel zu bleiben, ob ich lieber Cola oder Bio Limonade trinke. Da frage ich mich bereits wie sie das machen wollen. Die Antwort darauf könnte George Orwell wissen.
Zweitens wird ja auffälliges Product Placement eher Handlungsrelevant genutzt. Wenn hier im Kinderzimmer, der Küche oder wo auch immer Elemente getauscht werden, zerstört das im dümmsten Falle die Glaubhaftigkeit des dargestellten Charakters.
Aber wie gesagt, da heißt es abwarten.
Zu guter Letzt muss nicht jeder produzierte Film von Netflix qualitativ überzeugen, sondern es ist vor allem entscheidet, dass über Filme gesprochen wird. Und somit produziert Netflix Filme auf Grundlage von ihrer Nuteranalysen, wodurch dann Baukasten-Filme wie „Bright“, entstehen, und nehmen sich Stoffe an, die möglichst polarisieren. Dadurch das nicht auf den einzelnen Film ein finanzieller Druck lastet, weil der Film eben nur ein Puzzlestück von der Netflix-Maschinerie ist, gibt es natürlich viel Freiheit, was man durchaus begrüßen kann, aber durch den finanziellen Druck auf einen Film gibt ein Produktionsstudio dem jeweiligen Film auch mehr Aufmerksamkeit. Das muss natürlich nicht durchweg positiv sein. Es gibt genug Beispiele, dass sich Studios, Regisseure, Produzenten und Drehbuchautoren uneinig waren und der Film am Ende keinen überzeugen konnte.
Jepp, im Endeffekt recht identisch zu dem Absatz weiter oben. Finde ich prinzipiell nicht verkehrt wenn ein Film gedreht wird ohne dass ständig die Bedenkenträger dazwischen funken. Natürlich funktioniert dann nicht alles, aber man hat es wenigstens versucht. Um hier ein wenig die Brücke zu Masters zu schlagen würde ich Cannon in den Ring werfen. Die sind ja mit dem 1987er Film baden gegangen, haben es aber dennoch versucht. Cannon haben halt einfach Filme am Fließband rausgehauen, klar war da unterirdisches Zeug dabei. Dennoch genießt vieles heute einen gewissen Kultstatus, auch der Film mit Dolph Lundgren.
Und besonders Masters als Spielzeug war bereits damals schon durchkalkuliert bis zum Anschlag. Hier wurde genau analysiert was die Zielgruppe will. Die entsprechenden Dokus auf Netflix sind da sehr sehenswert. Das ist also alles nichts Neues.
Wo ich auch das Hauptproblem bei einem reinen Netflix Film sehe, ist der dauerhafte kulturelle Impact. Wird ein Irishman oder Marriage Story dauerhaft den gleichen Fußabdruck hinterlassen wie ein richtiger Kinofilm, oder werden die in Vergessenheit geraten? Wobei es auch genügend Kinofilme gibt, welche hochgelobt waren und die wenige Jahre später kaum noch eine Rolle spielen. Anders gefragt: kann eine Netflix Produktion ein kulturelles Massenphänomen ähnlich eines Titanic, Avatar, Terminator, Indiana Jones, Star Wars etc werden? Und da würde ich aufgrund der Vertriebsform aktuell zu einem klaren Nein tendieren. Netflix ist halt mehr Fernsehen als Kino, und wie im Fernsehen gibt es auch da immer mal wieder einen Eventfilm.
Was bislang noch recht wenig erforscht ist, bezieht sich auf den Einfluss auf die Dramaturgie eines Films. Dadurch das Netflix direkt Infos darüber bekommt, wann welcher Nutzer einen Film abbricht, kann das Einfluss auf die dramaturgischen Entscheidungen haben. Beispielsweise muss der Anfang eines Films besonders fesselnd oder interessant gestaltet werden, damit die Zuschauer nicht abschalten. Dieser Punkt wurde schon früher intensiv in der Forschung in Bezug auf die Unterscheidung von Fernsehfilme und Kinofilmen behandelt. Ein Fernsehzuschauer ist wesentlich früher geneigt um- bzw. abzuschalten als im Vergleich ein Kinobesucher, der in den Regel nicht direkt den Saal verlässt, wenn der Anfang eines Films nicht direkt zusagt. Dadurch können sich beispielsweise Regisseure von Kinofilme anders einem Thema oder einem Sujet nähern als es bei Fernsehfilmen der Fall ist. Jetzt müsste überprüft werden, ob es sich bei Netflix-Filmen bzw. bei den Netflix-Zuschauern ähnlich verhält. Auf den ersten Blick hat das Schauen eines Films über Netflix jedenfalls mehr gemein mit dem Zuschauen eines Films im Fernsehen als mit dem Besuch eines Kinos und der dortigen Filmrezeption.
Kommt in erster Linie zwar wieder auf den Zuschauer an, generell in der Masse sehe ich bei Netflix aber eher das „normale“ Fernsehpublikum, also auf die Masse der Nutzer bezogen. Aber da tickt halt jeder verschieden. Während der eine sagt dass ihn ein Film/Serie bereits in den ersten 5 Minuten abholen muss, bricht ein anderer nie einen Film ab, oder schaut eine Serie wenigstens mehrere Folgen an. Ob es da selbst für Netflix möglich ist eine universelle Formel zu erarbeiten halte ich eigentlich für ausgeschlossen.