Flight

Willy Wonka

Locationscout
Teammitglied
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
21.970
Ort
Twin Peaks
Filmkritiken
126
AW: Flight

Flight

Zwölf Jahre sind durchs Land gestrichen seit dem letzten Realfilm von Regisseur Robert Zemeckis. In den vergangen Jahren war er nicht untätig, sondern widmete sich ganz seinen Motion-Capture-Filmen und der Weiterentwicklung dieser Technik. Während „Der Polarexpress", „Die Legende von Beowulf" und „Eine Weihnachtsgeschichte" sehr unterschiedlich von der Kinogemeinde aufgenommen worden sind und die Filme fälschlicherweise meist nur als klare Kassenflops dargestellt werden, kehrt Zemeckis mit „Flight" – gezwungenermaßen - zum Realfilm zurück. Nun stellt sich die Frage ob die Resozialisierung zum Realfilm und damit zu einem Medium, dass qua Natur als authentisch empfunden wird und nicht erst technisch dazu transformiert werden muss, gelang.

Die Geschichte vom Piloten William „Whip“ Whitaker, der wie durch ein Wunder ein defektes Flugzeug notlandet und damit den Großteil der Besatzung rettet, ist nur der inhaltliche Unterbau des Films, der sich im Kern mit der Isolation eines Mannes und dessen Süchten auseinandersetzt. Bereits zu Beginn wird verdeutlicht, in welchen Verhältnissen Whip sein Leben führt. Er wacht neben einer schönen Frau auf, trinkt die Flasche Bier von der letzten Nacht auf und zieht sich eine Line Koks durch die Nase. Nach dieser morgendliche „Routine“ geht er seinen beruflichen Pflichten als Pilot nach ohne jedoch auf weiteren Alkohol während des Fluges zu verzichten. In Worten wiedergeben, mag Whip ziemlich unsympathisch erscheinen, aber Denzel Washington versteht es vortrefflich seinen Charakter für den Zuschauer fassbar zu machen.

Nach der Notlandung, die für mich aus filmischer Sicht recht gelungen inszeniert worden ist und auch realistisch anmutet, was Verkehrspiloten aber bereits dementierten, nimmt das eigentliche Thema des Films Gestalt an. Obwohl Whip auf der einen Seite als Held gefeiert wird, setzt gleichzeitig eine Kommission ein, die gegen ihn ermittelt, da in seinem Blut verschiedene toxische Stoffe nachgewiesen worden sind. Von nun an ist nur noch Denzel Washington als Hauptdarsteller gefordert, denn von seiner Performance zwischen Arroganz, dem fehlenden Eingeständnis zu seiner Alkoholsucht und der versteckten Angst vor dem Gefängnis verlangen dem Oscarpreisträger einiges ab, dem er auch zum Großteil nachzukommen versteht. Zur Seite sind ihm einige Nebencharaktere gestellt, die aber als bloße Stichwortgeber eingesetzt worden sind: Bruce Greenwood als sein alter Freund, Don Cheadle in der Rolle des smarten Anwalts, John Goodman in einer „Gastrolle“ des Drogendealers und auf der emotionalen Ebene seine Liaison mit Nicole (souverän Kelly Reilly), die ebenfalls einer Suchtkrankheit verfallen ist, aber sich bereits durch das Eingeständnis dieser Krankheit auf dem ersten Weg der Besserung befindet.

Obwohl der Film wie ein recht unterkühltes Drama erscheint, verliert sich Zemeckis auf klassische hollywoodischen Paradigmen und zeigt keinen Ausweg aus den Klischees und den dargestellten Banalitäten. Viele Szenen wirken als ob ein Grobmechaniker mit einem großen Holzhammer gearbeitet hat, sodass auf diese Weise an die Emotionen des Zuschauers appelliert werden soll. Das komplexe Thema des Alkoholismus wird größtenteils auf Trivialitäten runter gebrochen und auch das Potenzial der ambivalenten Verhältnis zum „Heldenstatus“ wird nicht ausgeschöpft. Im Gegensatz zur pessimistischen Ballade „Leaving Las Vegas“ von Mike Figgis, wird dem Zuschauer nicht bewusst, wie mies es sich anfühlen muss, keinen Ausweg zu kennen und sich schlicht depressiv zu fühlen. Bei „Flight“ schwingt nur stets „Oh.. jetzt trinkt er doch wieder.“ und „Nein, wieso machst du das?“ und in dieser Hinsicht wird durch dem rudimentären dargestellten Hintergrund des Hauptcharakters das Thema nur an der Oberfläche behandelt. Wir bleiben stets nur (scheinbar permanente) Beobachter, die sich diese Geschichte des Mannes ansehen und wie er vielleicht doch noch den Weg der Erleuchtung gehen wird. So bietet der Film in der Hinsicht Unterhaltung, aber ist leider fern von Innovationen und Abwechslung, sowohl formal als auch narrativ, und schafft es nicht die Isolation eines Mannes so intensiv zu gestalten wie es beispielsweise Zemeckis in „Cast Away“ gelang. Durch die gute Performance von Denzel Washington schafft der Film einige dieser Makel zu kompensieren, auf eine gewisse Weise für Unterhaltung zu sorgen und gelingt trotz der Laufzeit von 138 Minuten wie im Flug zu vergehen.

Nach diesem leicht verhaltenen Wiederkehr zum Realfilm, bin ich weiterhin gespannt, an welchen Projekten Robert Zemeckis als nächstes arbeiten wird. Denn trotz der Kritikpunkte an „Flight“ bleibt es schlussendlich ein sehr solider und konventioneller Vertreter von aktuellen Hollywoodproduktionen.
 

Tarantino1980

Screenplay
Teammitglied
Registriert
25 Aug. 2008
Beiträge
23.309
Ort
Città di Giallo
Filmkritiken
218
AW: Flight

Wieder eine sehr schöne und informative KK Willy :hoch:.

Ich werde es vermutlich nicht schaffen mir den Film im Kino anzusehen, aber auf Blu-ray wird er dann auf jeden Fall nachgeholt da mich der Trailer eigentlich angesprochen hat. Deine schöne KK hat nun noch das Interesse weiter geweckt. Sobald ich ihn gesichtet habe werde ich mich hier erneut zu Wort melden.
 

Willy Wonka

Locationscout
Teammitglied
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
21.970
Ort
Twin Peaks
Filmkritiken
126
AW: Flight

Noch zwei kurze Anekdoten bzw. Hinweise möchte ich noch zum Film geben.

Da ich die Vorschau des Film ungefähr 8 - 9 Mal im Kino gesehen habe, ist mir der Trailer des Films natürlich äußerst präsent während des Films gewesen und dadurch ist mir aufgefallen, dass zum einem der Trailer suggeriert, dass Pilot Whip nur einen kurzen Ausfall zum Alkohol hatte, sodass der Zuschauer vielleicht mehr Verständnis für seine Lage aufbringen kann. Diese Aspekt habe ich schon in meiner Kritik zu relativieren versucht. Ein weiter Punkt ist die Tatsache, dass einige Dialoge bzw. Szenen des Trailers im Film anders waren. Das Zitat „Wir werden eine Rolle machen" und auch „Das ist so heftig, dass überlebe ich nicht" haben im endgültigen Film gar keinen Eingang gefunden bzw. wurden umformuliert.

Als zweites möchte ich noch kurz etwas zum Kinobesuch schreiben, denn irgendwie war es komisch, dass gerade während dieses Kinobesuchs mehrmals das wilde Klimpern von Bierflaschen ertönte als andere Zuschauer den Weg zur Toilette nahmen. Dass man gerade bei einem Film mit dieser Thematik noch genüsslich ein Bier trinken kann, ist für mich in einer gewisssen Weise grotesk.
 

Willy Wonka

Locationscout
Teammitglied
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
21.970
Ort
Twin Peaks
Filmkritiken
126
AW: Flight

Deine schöne KK hat nun noch das Interesse weiter geweckt. Sobald ich ihn gesichtet habe werde ich mich hier erneut zu Wort melden.

Ich bin auf deine Meinung sehr gespannt. Insgesamt schneidet der Film beim Publikum auch sehr gut ab. Die Oscarnominierung für das Drehbuch mag ich dennoch nicht ganz nachvollziehen.
 

Tarantino1980

Screenplay
Teammitglied
Registriert
25 Aug. 2008
Beiträge
23.309
Ort
Città di Giallo
Filmkritiken
218
AW: Flight

Es hat zwar etwas länger gedauert als gedacht aber immerhin habe ich ihn jetzt endlich gesehen. Ich denke im Großen und Ganzen sehen wir den Film sehr ähnlich, also haben dieselben Kritikpunkte!

Da ich die Vorschau des Film ungefähr 8 - 9 Mal im Kino gesehen habe, ist mir der Trailer des Films natürlich äußerst präsent während des Films gewesen und dadurch ist mir aufgefallen, dass zum einem der Trailer suggeriert, dass Pilot Whip nur einen kurzen Ausfall zum Alkohol hatte, sodass der Zuschauer vielleicht mehr Verständnis für seine Lage aufbringen kann. Diese Aspekt habe ich schon in meiner Kritik zu relativieren versucht.

Genauso ging es mir bei der Sichtung auch. Der Trailer war mir zwar nicht mehr komplett präsent, jedoch wusste ich noch das er auch auf mich so wirkte als ob es nur ein Mißverständnis bzw. ungünstige Verkettung von Geschehnissen waren die dazu führten, das der Pilot unter Anklage steht, also das er vieleicht nur ausnahmsweise einmal etwas getrunken hatte, oder vieleicht durch irgendein Medikament bzw. einen anderen blöden Zufall wie schlechter Tag, zu wengi gegessen und 1-2 Bier getrunken, dazu führten das man ihm Alkoholismus vorwirft. Das er aber wirklich ein Alkohol und Drogenproblem hat war daher sehr überraschend und zerstörte leider auch etwas die positive Stimmung auf den Film, da man automatisch, mir geht es jedenfalls so, solch ein Verhalten nicht toleriert bzw. es genauso anprangert wie es in dem Film auch passiert ist und das obwohl er natürlich viele Menschenleben gerettet hat, aber es war einfach nur leistsinnig und mehr als nur grob fahrlässig so einen Mann überhaupt fliegen zu lassen, da offenbar alle von seinem Alkoholproblem im Vorfeld wussten!

Die Geschichte vom Piloten William „Whip“ Whitaker, der wie durch ein Wunder ein defektes Flugzeug notlandet und damit den Großteil der Besatzung rettet, ist nur der inhaltliche Unterbau des Films, der sich im Kern mit der Isolation eines Mannes und dessen Süchten auseinandersetzt. Bereits zu Beginn wird verdeutlicht, in welchen Verhältnissen Whip sein Leben führt. Er wacht neben einer schönen Frau auf, trinkt die Flasche Bier von der letzten Nacht auf und zieht sich eine Line Koks durch die Nase. Nach dieser morgendliche „Routine“ geht er seinen beruflichen Pflichten als Pilot nach ohne jedoch auf weiteren Alkohol während des Fluges zu verzichten. In Worten wiedergeben, mag Whip ziemlich unsympathisch erscheinen, aber Denzel Washington versteht es vortrefflich seinen Charakter für den Zuschauer fassbar zu machen.

Und genau hier liegt die größte Stärke des Filmes, Denzel Washington spielt hier wirklich super allerdings....

Zur Seite sind ihm einige Nebencharaktere gestellt, die aber als bloße Stichwortgeber eingesetzt worden sind: Bruce Greenwood als sein alter Freund, Don Cheadle in der Rolle des smarten Anwalts, John Goodman in einer „Gastrolle“ des Drogendealers und auf der emotionalen Ebene seine Liaison mit Nicole (souverän Kelly Reilly), die ebenfalls einer Suchtkrankheit verfallen ist, aber sich bereits durch das Eingeständnis dieser Krankheit auf dem ersten Weg der Besserung befindet.

...fehlen ihm im gesamten Film einfach andere gute Charaktere. Sowohl Don Cheadle aber auchJohn Goodman können nicht ihr ganzes Potential zeigen. Bei dem Charakter der Nicole fand ich z.b. Kelly Reilly vollkommen fehl besetzt. Hier hätte einfach eine viel stärke Frau an die Seite von Cpt. Whip Whitaker gehört, um ihm nicht nur paroli zu bieten sondern ihn auch viel mehr ins Gewissen zu reden. Es ist also so wie Du es in Deiner KK schon so perfekt beschrieben hast. Der gesamte Cast besteht leider nur aus Stichwortgeben um die Performance von Denzel Washington noch besser aussehen zu lassen.

Viele Szenen wirken als ob ein Grobmechaniker mit einem großen Holzhammer gearbeitet hat, sodass auf diese Weise an die Emotionen des Zuschauers appelliert werden soll. Das komplexe Thema des Alkoholismus wird größtenteils auf Trivialitäten runter gebrochen und auch das Potenzial der ambivalenten Verhältnis zum „Heldenstatus“ wird nicht ausgeschöpft. Im Gegensatz zur pessimistischen Ballade „Leaving Las Vegas“ von Mike Figgis, wird dem Zuschauer nicht bewusst, wie mies es sich anfühlen muss, keinen Ausweg zu kennen und sich schlicht depressiv zu fühlen. Bei „Flight“ schwingt nur stets „Oh.. jetzt trinkt er doch wieder.“ und „Nein, wieso machst du das?“ und in dieser Hinsicht wird durch dem rudimentären dargestellten Hintergrund des Hauptcharakters das Thema nur an der Oberfläche behandelt. Wir bleiben stets nur (scheinbar permanente) Beobachter, die sich diese Geschichte des Mannes ansehen und wie er vielleicht doch noch den Weg der Erleuchtung gehen wird. So bietet der Film in der Hinsicht Unterhaltung, aber ist leider fern von Innovationen und Abwechslung, sowohl formal als auch narrativ, und schafft es nicht die Isolation eines Mannes so intensiv zu gestalten wie es beispielsweise Zemeckis in „Cast Away“ gelang. Durch die gute Performance von Denzel Washington schafft der Film einige dieser Makel zu kompensieren, auf eine gewisse Weise für Unterhaltung zu sorgen und gelingt trotz der Laufzeit von 138 Minuten wie im Flug zu vergehen.

Ich habe bewusst diesen langen Absatz komplett zitiert, weil er so wie er ist perfekt beschreibt wie ich mich bei der Sichtung gefühlt habe. Es fehlten mir einfach gewisse Elemente im Film. Zum Beispiel war für mich nicht nachvollziebar warum Whip Whitaker überhaupt zum Alkoholiker wurde. Zu Anfang dachte ich noch, er hätte halt die Scheidung und die damit verbundene Trennung von seinem Sohn nicht überwunden, aber der Reaktion seiner Frau zu urteilen als er unangemeldet bei ihr und dem Sohn vor der Tür stand scheint es mir so, als ob genau dieses Alkoholproblem der Grund für Ihre Scheidung war. Also was war es dann? Berufliche Probleme, wohl kaum da er ja obwohl er Alkoholiker war immer noch einen festen gut bezahlten Job als Pilot nachgekommen ist. Mangelnde Frauen konnten auch nicht das Problem sein, da er ja offenbar mit der Flugbegleiterin Katerina nicht das erste mal die Nacht in einem Hotelzimmer verbracht hat. Es wirkte so als ob die beiden so eine Art von Beziehung gehabt haben. Also hier ist dann einfach für mich nicht nachvollziebar gewesen warum er überhaubt dieses Alkohol Problem hatte.

Zusammengefasst bleibt also aus meiner Sicht unter dem Strich zwar eine starke Leistung von Denzel Washington übrig, jedoch ansonsten bezweifele ich das ich mir diesen Film ein weiteres mal ansehen werde. Er war zwar nicht schlecht, aber eben auch nicht, wie zunächst erwartet, der ganz großes Wurf.

Wertung: 6.5/10
 
Oben