Ein schwarzer Tag für den Widder

deadlyfriend

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Ein schwarzer Tag für den Widder

1971 war bereits die Hochphase des Giallo eingeleitet. „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe“ von Dario Argento war in aller Munde und die italienischen Produzenten versuchten auf dieser Erfolgswelle mitzureiten. Luigi Bazzoni bekam ebenfalls die Möglichkeit einen Giallo zu drehen. Hierbei stand ihm Vittorio Storaro zur Seite, der im oben genannten Argento Debut, bereits an der Kamera war. Mit Franco Nero als Hauptdarsteller und einer wunderbaren Silvia Monti im Cast, wurde auch dieser Aspekt des Films hervorragend besetzt. Nicht das dies bereits das Ende der Qualitätsriege gewesen ist, denn Ennio Morricone war obendrein noch für die Musik zuständig. Dies alles, verspricht einen hochklassigen Giallo aber ist er das auch tatsächlich geworden? Ganz klare Antwort: Ja!

Tatsächlich gehört er sogar zu meinen Lieblingen im Genre. Dies hat mehrere Gründe. Einmal ist es das Tempo des Films, was an anderen Stellen allerdings auch als Kritikpunkt gilt. Es ist nämlich recht ruhig aber niemals langweilig. Es wird dafür fast unmerklich schneller und zieht gegen Ende richtig brutal an. Das gefiel mir ungemein, da eben auch in den langsameren Passagen eine wundervolle Kameraarbeit abgeliefert wird. Die Dialoge sind immer in tolle Einstellungen und Szenerien verpackt, in denen man sich als Genrefan einfach nur wohlfühlen kann. Die Figuren wirken oftmals recht kalt, was durch die Bilder hervorragend untermalt wird. Teilweise befinden sich viele Darsteller im Schatten, da Storaro hier viel mit Kontrasten gearbeitet hat, die eine Art Film noir Wirkung in einem Farbfilm erzeugen. Bis auf die Hauptfiguren, die sich hier sehr gut entwickeln.

Franco Nero spielt hier einen ziemlich runtergekommenen Reporter der ein J&B Problem hat. Der J&B ist ja ein klassisches Giallo Element aber in anderen Filmen wird er kultivierter getrunken. Franco Nero setzt hier nämlich direkt mal die Flasche an. Dies unterstreicht seine charakterliche Ausgangssituation. Da aber in seinem direkten Umfeld einige Morde geschehen, tauscht er die Flasche bald gegen Interesse ein. Zum einen verspricht dies eine interessante Story zu werden und zum anderen zieht sich die Schlinge in seinem Umfeld unangenehm zu. Bis auch seine Liebsten in Gefahr sind.

Interessant ist hier auch der Umgang mit den Morden. Sie sind nicht ausgefeilt und blutig, aber dafür gut vorbereitet. Die Sequenzen sind nämlich durchgehend spannend arrangiert und auch fotografiert. Der Film bietet alles was der Giallo an Zutaten aufweist. Seien es die schwarzen Handschuhe, die bereits genannte Flasche J&B oder auch die flüsternde Stimme am Telefon, die die Morde ankündigt. Dennoch ist der Fokus, eher wie bei Argento, auf die Atmosphäre und die Bildkomposition gelegt. Auch die fast obligatorischen nackten Tatsachen sind hier für mich hervorragend integriert und wirken nicht als Selbstzweck. Ein weiterer Grund, warum ich den Film sehr schätze. Der Fokus liegt hier nicht auf Gewalt und Erotik, sondern auf den Bildern, der Atmosphäre und den Protagonisten. Die Kamera schafft Distanz oder eben Nähe. Eingebettet in einen perfekt abgerundeten Score.

Deshalb sehe ich ihn innerhalb der Königsklasse des Genres. Gut aufgehoben bei den großen Werken von Argento, Fulci, Martino & Co. Ein „Must see“ sozusagen unter Genre Fans.
 

Tarantino1980

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Na toll deadly, jetzt bin ich noch viel heißer auf den Film als ich es ohnehin schon bin :nice:

Danke Deiner tollen KK freue ich mich umsomehr, wenn hoffentlich endlich mal eine deutssprachige VÖ zu dem Film rauskommt.

Sobald ich ihn dann gesichtet habe werde ich mich hier auf jeden Fall zu Wort melden, aber es liest sich wirklich schon äußerst spannend!
 

Tarantino1980

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Die Tatsache das ich ihn bereits wenige Tage, nachdem die dt. VÖ in meine Sammlung gewandert ist, nun auch gesehen habe zeigt glaub ich sehr deutlich wie heiß ich auf diesen Film war! Er hat sich auf meiner "noch anzuschauen Liste" brutal vorgedrängelt und ich habe es nicht bereut ihn so schnell gesehen zu haben.

Passend zu den Weihnachtstagen war dies heute wirklich ein Festmahl für den Giallo Fan!

Luigi Bazzoni bekam ebenfalls die Möglichkeit einen Giallo zu drehen. Hierbei stand ihm Vittorio Storaro zur Seite, der im oben genannten Argento Debut, bereits an der Kamera war.

Das war wirklich eine sehr interessante Kombination. Zwei Meister ihres Faches vereint in einem Film, ohne wie eine Argento Kopie zu wirken, also vollkommen eigentständig kreativ und in vielen Kamerawinkeln auch sehr inovativ. Es gab viele Perspektiven die ich sehr interessant fand und generell muss ich sagen hat mir die Kameraarbeit hier ausgeprochen gut gefallen!

Mit Franco Nero als Hauptdarsteller und einer wunderbaren Silvia Monti im Cast, wurde auch dieser Aspekt des Films hervorragend besetzt.

Der Cast hat mir auch sehr gut gefallen. Franco Nero hat hier wieder toll gespielt und auch Silvia Monti war klasse! Aber auch Pamela Tiffin hat mir gut gefallen. Ihr Rolle war zwar jetzt nicht so groß ausgelegt, hatte aber für mich schon einen wichtigen Aspekt für den Film um eben auch diese Seite von Andrea gut zu zeigen. Eigentlich wäre sie nicht die Frau an seiner Seite, auf Grund seines Alkoholkonsums und der daraus resultierenden gesellschaftlichen Position, war sie aber die Frau die ihm halt zur Verfügung stand. Helene, alleine schon durch die Tatsache das sie einen Sohn hatte, war daher die Frau die für ihn unerreichbar war, zumindest in dem Zustand in dem er sich große Teile des Filmes befand. Das war von Nero echt perfekt gespielt.

Generell fand ich aber auch das seine Figur stark an einen Protagonisten aus einem typischen Film Noir angelehtn war. Es wäre auch eine Rolle gewesen die Humphrey Bogart, ein paar Jahrzehnte zuvor, perfekt hätte verkörpern können.

Nicht das dies bereits das Ende der Qualitätsriege gewesen ist, denn Ennio Morricone war obendrein noch für die Musik zuständig.

Definitiv! Die Filmmusik bzw. Score ist hier wirklich wieder perfekt vom Meister eingespielt worden. Die Musik passt immer zu den gezeigten Bildern und untermahlt sie wirklich gut!


Einmal ist es das Tempo des Films, was an anderen Stellen allerdings auch als Kritikpunkt gilt. Es ist nämlich recht ruhig aber niemals langweilig. Es wird dafür fast unmerklich schneller und zieht gegen Ende richtig brutal an. Das gefiel mir ungemein, da eben auch in den langsameren Passagen eine wundervolle Kameraarbeit abgeliefert wird.

Auch hier stimme ich Dir sehr gerne zu! Ich mag auch diese langsame Erzählweise welche sich dann, tatsächlich meist recht unbemerkt, immer mehr anzieht und dann plötzlich mit einem Paukenschlag in einer gigantischen Szene ausufert. Diese Szene war für mich tatsächlich als man das Telefon im Haus von Helene und Ihrem Sohn klingeln hörte und dann sah das der kleine Junge wirklich allein in diesem Haus war. Die gesamte Sequenz war nicht nur saustark inszeniert sondern auch extrem spannend. Hier war alles möglich und jeder Raumwechsel, jedes Fenster was geschlossen wurde bzw. jede Rollade die runterfahren wurde erzeugte in mir eine Gänsehaut weil man nicht wusste wann genau sich der Mörder zeigt, das er genau in dieser Sequenz auftauscht war natürlich klar, aber wann und wo war wirklich extrem spannend. Auch hier gab es wieder ein paar wirklich geniale Kamerawinkel!


Die Dialoge sind immer in tolle Einstellungen und Szenerien verpackt, in denen man sich als Genrefan einfach nur wohlfühlen kann.

Auch das kennt man natürlich, gerade wenn man sich Filme aus dem Bodensatz des Genres anschaut, deutlich schlechter. Mir hat generell die Story sehr gut gefallen und somit auch die Dialoge. Der Film basiert ja auf den Krimi The Fifth Cord des Autors D.M. Devine. Hier würde mich mal interessieren welche Elemente aus dem Roman adaptiert wurden und welche für den Film abgeändert wurden. Weißt Du da was drüber? Also ist es mehr oder weniger eine 1:1 Verfilmung des Romans oder ist es nur eine lose Vorlage für den Film?

Teilweise befinden sich viele Darsteller im Schatten, da Storaro hier viel mit Kontrasten gearbeitet hat, die eine Art Film noir Wirkung in einem Farbfilm erzeugen. Bis auf die Hauptfiguren, die sich hier sehr gut entwickeln.

Generel fand ich das der Film viele Elemente eines Film Noir hat. Nicht nur die von Dir beschriebenen Licht und Schatten Szenen, welche ich auch sehr gut fand, auch die Hauptfigur schreit förmlich nach einem Protagonisten aus diesem Genre und generell finde ich das die Story auch als guter Kriminalfilm funktioniert.


Interessant ist hier auch der Umgang mit den Morden. Sie sind nicht ausgefeilt und blutig, aber dafür gut vorbereitet. Die Sequenzen sind nämlich durchgehend spannend arrangiert und auch fotografiert.

Auch die Art und Weise wie die Morde inszeniert sind deutet eher auf einen Kriminalfilm hin als auf eine Giallo. Versteh mich nicht falsch, es ist definitiv ein Giallo und ich glaub, wenn man nur Krimis mag, wäre man dennoch über die ein odere andere Szene schokiert, wenn man aber beide Genres mag ist der Film eine perfekte Symbiose aus beiden Welten. Natürlich mag ich es sehr wenn Morde sehr kunstvoll inziniert werden. Es gibt Gialli wo dies natürlich deutlich stilvoller und eben effektvoller zelebriert wurde als in Ein schwarzer Tag für den Widder, aber man vermisst es hier nicht, weil der Film dafür ganz andere stärken hat. Ich denke es war auch eine bewusste Entscheidung von Luigi Bazzoni die Morde genau so zu inszenieren und eben nicht - Genre üblich - zu inszenieren. Ich denke er wollte hier zwar einen Giallo inszenieren, wollte aber schon deutlich zeigen das er eine andere herangehensweise hat und nicht als billige Kopie wahrgenommen zu werden.

Auch die fast obligatorischen nackten Tatsachen sind hier für mich hervorragend integriert und wirken nicht als Selbstzweck. Ein weiterer Grund, warum ich den Film sehr schätze. Der Fokus liegt hier nicht auf Gewalt und Erotik, sondern auf den Bildern, der Atmosphäre und den Protagonisten. Die Kamera schafft Distanz oder eben Nähe. Eingebettet in einen perfekt abgerundeten Score.

Ich weiß was Du meinst deadly und sehe es genauso. So gerne ich natürlich hier auch eine Silvia Monti hüllenlos gesehen hätten, aber es hätte nicht gepasst. Weder zu Ihrer Rolle, noch zu der gesamten Inszenierung. Es wurde hier sehr wohl dosiert und war nie zum Selbstzweck eingesetzt um eben durch diese Szenen den Film zu "pushen" bzw. die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Das hat Ein schwarzer Tag für den Widder eben nicht nötig. Die Atmosphäre, aber eben auch die Story sind so fesselnd das es solcher Szenen nicht bedarf. Auch hier spürt man, auch wenn der Film natürlich alle klassischen Zutaten des Genres bestitzt, das er auch als guter Kriminalfilm durchgeht.

Deshalb sehe ich ihn innerhalb der Königsklasse des Genres. Gut aufgehoben bei den großen Werken von Argento, Fulci, Martino & Co. Ein „Must see“ sozusagen unter Genre Fans.

Auch hier stimme ich Dir zu 100% zu und ich bin sehr froh ihn nicht nur jetzt endlich gesehen zu haben sondern ihn auch in meiner Sammlung stehen zu haben. Unter dem Strich finde ich zwar Spuren auf dem Mond ein klein wenig stärker, aber wirklich nur minimal. Beides sind wirklich zwei bärenstarke Filme eines tollen Regisseurs!

Wertung: 9/10
 
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