Der Lange Schwarze mit dem Silberblick

Tarantino1980

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Der Lange Schwarze mit dem Silberblick
Senator Giacinto Puppis steht kurz davor Italiens neuer Präsident zu werden. Ihm stehen hierbei jedoch nicht nur seine Gegenkandidaten im Weg, sondern auch eine durchaus unvorteilhafte Zwangsneurose. Sobald Puppis ein weibliches Hinterteil sieht muss er fest zupacken.

Lucio Fulci inszenierte 1972 diese erotische Komödie, die zunächst einmal, wenn man sich die grobe Inhaltsangabe durchliest und dann noch auf dem Backcover der DVD sich die leichtbekleideten Damen anschaut, wie eine seichte Blödelkomödie mit erotischem Anteil daherkommt. Der deutsche Titel ist meines Erachtens auch noch bewusst so gewählt, damit es für den deutschen Zuschauer auf den ersten Blick wie eine typische italienische Komödie aus den 70er Jahren, wie man sie z.B. häufig mit Beteiligung von Adriano Chelentano gesehen hat, wirkt. Auch ich hatte hier zunächst solch einen Film vermutet, wurde aber schnell eines besseren belehrt. Im Grunde lässt sich der Film am Besten als Satire einstufen. Zunächst war ich sehr verwundert das der Film eine FSK 18 Freigabe hat. An der nackten Haut kann es nicht liegen, die ist definitiv sehr homöopathisch dosiert und man sieht, wie es in diesen Filmen üblich ist, wirklich auch nur immer ein paar Hintern und Brüste, also das alleine kann kein Grund für die Freigabe ab 18 sein. Selbstverständlich hatte ich hier auch keinen Gewaltanteil vermutet, das würde einfach nicht zu solch einem Film passen. Was ist also dann der Grund für diese Einstufung? Jeder der sich etwas näher mit Lucio Fulci beschäftigt weiß, das er Zeit seines Lebens ein sehr kritisches Verhältnis zur katholischen Kirche hatte. Bereits in seinem Film Die Nackte und der Kardinal aka Beatrice Cenci hat er aus diesem Umstand kein Geheimnis gemacht. In Der Lange Schwarze mit dem Silberblick mag zwar zunächst diese Kritik etwas subtiler rüberkommen, aber wenn man sich mit dem Film etwas näher beschäftigt merkt man schnell, das hier eine große Portion Gesellschaftskritik vorhanden ist und Lucio Fulci die Machenschaften der katholischen Kirche offenkundig mit der der italienischen Mafia vergleicht. Das dieser Umstand, im direkekten Zusammenhang mit einer nackten Nonne die abtrünnig wird, im Jahr 1972 nicht gerade auf viel Gegenliebe gestoßen war, kann ich sehr gut nachvollziehen. Ich vermute einmal, hätte sich ein anders Label erbarmt und diesen Film neu aufgelegt hätte inkl. einer Neuprüfung durch die FSK, wäre er auch mit einer FSK 16 Freigabe heutzutage durchgekommen. Aber damals war der Film tatsächlich ein Skandal und kam in Italien und Deutschland nur geschnitten raus. Leider ist auch auf der aktuellen DVD nur die geschnittene Fassung enthalten. Wahrscheinlich wurde hier das italienische Bildmaster benutzt und die deutsche Synchro, da es ihn bisher in Deutschland nur auf VHS gab und das Bild der DVD recht ordentlich ist.

Wer nun aber denkt bei den Schnitten handelt es sich größtenteils um nackte Tatsachen der irrt gewalltig. Wie dieser Schnittbericht sehr klar belegt, wurden bis auf einen Schnitt in dem eine liebestolle nackte Nonne an eine Türe klopft, der aber indirekt natürlich auch mit der katholischen Kirche zusammen hängt, inhaltlische Schnitte über eine korrupte politische Landschaft in direkter Verbindung mit der katholischen Kirche entfernt. Wie bereits erwähnt wirkt der Film auf den ersten Blick recht banal und teilweise sogar etwas doof, wer aber genauer hinschaut erkennt hier wirklich eine sehr harte und bittere Satire in der die katholische Kirche alles andere als gut weg kommt.

Der Cast ist recht gut gewählt. Lando Buzzanca spielt recht ordentlich und neben ihm die wunderschöne Laura Antonelli ist nicht nur optisch eine Bereicherung für den Film. Mein persönliches Highlight war jedoch Lionel Stander, den man wohl am ehesten mit seiner Rolle des Butlers in der TV Serie Hart aber herzlich verbindet. Er spielt hier einen Kardinal der sinnbildlich für all das steht, was Lucio Fulci so sehr kritisierte an der katholischen Kirche.

Jeder der auf Grund des wieder grenzwertigen deutschen Titels und der Coverfotos von einer seichten Blödelkomödie mit nackten Tatsachen ausgeht sollte in der Tat einen großen Bogen um den Film machen. Bei der Bewertung bin ich hin und her gerissen. Ich bin mir sicher das in meiner Bewertung auch eine große Portion Fanbrille mit drin steckt, da ich immer wieder aufs neue begeistert davon bin, wie wandlungsfähig Lucio Fulci doch war. Natürlich spürt man auch wieder bei diesem Film das ihm erneut kein großes Budget zur Verfügung stand und er uns hier schon eine sehr zahme Version seiner Ansicht zur katholischen Kirche präsentiert hat. Das wiederum finde ich schade, denn hätte er ihn wirklich ernsthafter inszeniert, also einen lupenreinen Politthriller daraus gemacht, hätte der Film etwas ganz großes werden können. Andererseits, wenn bereits diese Version damals für so einen großen Skandal gesorgt hat, hätte eine andere Version wahrscheinlich nie das Licht der Welt erblickt. Ich finde also den Grundgedanken, den Mut und die Tatsache das nun ein weiterer bisher fast verschollner Film aus seiner Filmographie nun endlich in meiner Sammlung steht und ich ihn sichten konnte sehr gut. Andererseits merkt man leider schon an der ein oder anderen Stelle die Schnitte was etwas den Sehfluss zerstört. Aber ich bin froh auch diesen Film von Lucio Fulci gesichtet zu haben.

Wertung: 5/10
 
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