Der Hauptmann von Köpenick

Die wilde 13

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Filmkritiken
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AW: Der Hauptmann von Köpenick

"Ab dem Gefreiten beginnt der Darwinismus, aber der Mensch fängt erst beim Leutnant an!"

"Bei uns in Deutschland jibts gar keen Unrecht. Bei uns herrscht Recht und Ordnung über alles!"


"Ach was, Militär is nich alles, es kommt immer auf den Menschen an!"
Alles Zitate aus dem Film


Der Hauptmann von Köpenick


Berlin, zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Der Kleinganove Wilhelm Voigt (Heinz Rühmann) sucht nach seiner 15jährigen Haft Arbeit als Schuster und eine Bleibe. Doch ohne Pass keine Arbeit und ohne Arbeit keinen Pass!
Aus völliger Verzwfeifelung bricht er mit einem Kumpanen in ein Passamt ein, wird dabei in flagranti erwischt und "darf" sodann weitere 10 Jahre bei Vater Staat verbringen. Doch dieser Zuchthausaufenthalt wird die Keimzelle eines spektakulären Coups...

Diese Köpenickiade beruht auf den wahren Begebenheiten des historischen Wilhelm Voigt, die der Schriftsteller Carl Zuckmayer für sein Drama in drei Akten geringfügig abänderte, wobei der 1. Akt frei von Zuckmayer dazu erfunden wurde.

Aber gerade dieser 1. Akt bildet die Hauptgrundlage der Verfilmung von Helmut Käutner aus dem Jahre 1956. Die preußische Disziplin und die widerstandslose Hörigkeit gegenüber dem Militär wird hier fast schon karikaturhaft vorgeführt. Alles hat eben sein Recht und seine Ordnung auch wenn dadurch solch ein Unrecht geschieht wie gegenüber dem Schuster Voigt. Doch darüber hat der kleine Bürger oder Zivilist nicht zu urteilen. Der damalige Militarismus bestimmt das Leben bis in die kleinste Wohnstube. Da bricht schon Panik aus, wenn die Reserveuniform nicht mehr passt...

Heinz Rühmann spielt diesen vom Schicksal arg gebeutelten Wilhelm Voigt mit einer wunderbaren Mischung aus Verzweiflung, Melancholie und Verschmitztheit, wie nur er es vermag. Schließlich erging es ihm persönlich nach dem Krieg ähnlich, da er als "Schauspieler von Goebbels Gnaden" nun jahrelang gebrandmarkt war und kaum wieder auf die Beine kam. Er, der ehemals gefeierte Komödiant der UFA und Held der Massen, war am Ende. Erst auf Drängen von Regisseur Käutner erhielt Rühmann die Rolle und er machte sie zu der seinen. Er überzeugte auf ganzer Linie, ob als kleiner Mann, der gegen die Obrigkeit protestiert oder schließlich als Hauptmann. Donnerwetter, der Mann kann nicht nur lustig sein!!

Der Film ist bis in die Nebenrollen wunderbar besetzt (Martin Held, Maria Sebaldt, Wolfgang Neuss, Walter Giller oder Siegfried Lowitz) und wird neben dem alles überragenden Heinz Rühmann besonders durch eine dichte Atmosphäre des Berlins der Jahrhundertwende geprägt. Austattung (auf wenn es zuweilen erkannbare Kulissen sind), Frisuren und Kostüme und es wird berlinert, das es eine wahre Freude ist, auch wenn man ab und an als Nichtberliner etwas überfordert wird. Aber gerade das macht den Film so authentisch. Dies alles gepaart mit der humorvollen Kritik an dem preussischem Zack-Zack-Staat, machen aus Der Hauptmann von Köpenick eine sehr sehenswerte Satire, die zum einen für den Oscar nominiert wurde und zum anderen auch heute noch aktuell ist.
Denn den Behördenirrsinn hat sich unser Vaterland bis in die Gegenwart noch unbeirrbar fest auf die Fahne geschrieben. Nicht denken, sondern hinnehmen, wie es kommt, ist meist die Devise des kleinen Mannes in diesem, unserem Lande. Es wird mal wieder Zeit für eine kleine Köpenickiade...

10/10
 
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