Der Einzelgänger

Sam Spade

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Der Einzelgänger


Endlich konnte ich eine Lücke schließen und mir den ersten Spielfilm von Michael Mann aus dem Jahre 1981 zu Gemüte führen. Mann hat vor allem deshalb einen besonderen Stand bei mir, da er es immer wieder schafft, Charaktere mit Ecken und Kanten zu kreieren die in diese Welt scheinbar nicht reinpassen wollen, auch wenn man deren Motivation meistens nachvollziehen kann und irgendwo das Gute in ihnen steck. Zu nennen sind hier vor allem Neil McCauley (Robert de Niro in Heat), Vincent (Tom Cruise in Collateral) oder John Dillinger (Johnny Depp in Public Enemies). Nun durfte ich also auch noch Frank (James Caan) kennenlernen, der sich oben natürlich prima einreiht. Der Filmtitel (im Original übrigens Thief), deutet das natürlich schon an.

Frank ist ein Dieb und ein Meister darin Tresore zu knacken. Zusammen mit seinem Freund Barry (James Belushi) bringt er die Banken um ihr Geld. Dabei interessieren ihn vor allem Diamanten. Nach einem weiteren erfolgreichen Diamantenraub wird seine Beute von einer Gangsterfamilie gestohlen woraufhin er diese zur Rede stellt. Der Kopf der Familie, Leo (Robert Prosky) bietet Frank an, für ihn zu arbeiten, um größere Jobs mit einer noch höheren Beute zu erledigen. Widerwillig nimmt Frank das Angebot an, jedoch möchte er nach dem ersten großen Ding sofort wieder aussteigen und sich mit der Beute zu Ruhe setzen. Nach dem erfolgreichen Coup stellt sich jedoch heraus, dass Leo ganz und gar nicht von dieser Idee begeistert ist, und droht Frank seine junge Familie zu zerstören, sollte er nicht weiter für ihn arbeiten…

Ich war zunächst skeptisch und wusste nicht inwiefern mich Mann mit seinem Erstlingswerk hier überzeugen kann. Doch schon nach den ersten Minuten wird einem klar, dass hier der Grundstein gelegt wurde für alles was man an seinen späteren Filmen so schätzt und was ihn als Regisseur ausmacht. Der – wie schon beschrieben – stille Einzelgänger, viele tolle Aufnahmen bei Nacht (der Film spielt in Chicago) und ein Soundtrack der diese Bilder großartig unterlegt. Gerade auch durch den Soundtrack entsteht eine tolle 80er Atmosphäre und man wünscht sich diese Epoche beinahe zurück. Auch wird einem hier deutlich klar, wo sich Nicolas Winding Refn für Drive inspirieren ließ. Dies gilt sowohl für die Handlung, die Charaktere als auch für eben den Soundtrack und diverse Kameraeinstellungen.

Die Story ist simpel, was aber nicht negativ ins Gewicht fällt. Davon lebt der Film und kann sich entsprechend entfalten. Die Bankraub-Szenen sind detailliert und gut dargestellt, dies gilt auch für die tollen Planungssequenzen vor dem entsprechenden Coup. Die Actionszenen kommen richtig gut rüber und haben Stil. Das Finale ist dann so genial, dass ich heute extra dafür nochmal die Bluray einlegen musste. Die Darsteller machen ihre Sache durch die Bank weg gut. Vor allem James Caan hat mir sehr gut gefallen. Kenne ihn bisher nur aus recht wenigen Filmen und da spielte er meistens den „Bösewicht“. In „Der Einzelgänger“ ist er kühl und ruhig, sagt aber trotzdem das passende wenn es gesagt werden muss( die Sprüche im typischen Underground-Slang (keine Ahnung wie ich das gerade beschreiben soll) sind teilweise genial), und man erkennt seine menschliche Seite. Auch die Rolle von Belushi zeigte mir, dass ich ihn gern öfter in solchen Rollen gesehen hätte. Vielleicht kenne ich aber auch hier noch zu wenige Filme. War immer ein Schauspieler dem ich (leider) keine große Beachtung schenkte.

Insgesamt hat mich „Der Einzelgänger“ durchgehend überzeugt und genau sowas würde ich mir nochmal von Michael Mann wünschen. Eine bodenständige Story, ein interessanter Protagonist, atmosphärische (Nacht)aufnahmen und eine passender Soundtrack. Was will man mehr?

9/10
 

Sam Spade

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AW: Der Einzelgänger

@Dwayne

Danke für dein Durchhaltevermögen. Hattest mir ja den Film schon lange empfohlen und zum Glück nicht locker gelassen. Hat sich gelohnt :):hoch:
 

Dwayne Hicks

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AW: Der Einzelgänger

Freut mich das du gleich nach eintrudeln der BD dir den Film gegönnt hast :D:hoch:

Eigentlich wollte ich schon längst mal eine KK geschrieben haben, aber habs bisher doch net auf die Reihe bekommen...

Ich häts auch nicht besser schreiben können denn Mann hat mit seinem Debüt den Grundstein gelegt und eigentlich schon sämtliche Themen reingepackt die er in seinen späteren Filmen immerwieder aufgreift.
Vorallem die Hauptfigur die irgendwie nicht in diese Welt passen will aber trotzdem das beste daraus macht.
Oder auch die Detailverliebtheit!
So wurden beim Dreh echte Werkzeuge verwendet und auch sind die Heistszenen jederzeit nachvollziehbar.
Manntypischen wurde Caan geschult wie er sich mit Waffe im Anschlag in Räumen bewegen muss.
Überhaupt wurde viel mit ehmaligen Polizisten und sogar Dieben zusammengearbeitet und sogar gedreht.
Meistens gegensätzlich Besetzt...so spielt Farina welcher mal Polizist war hier ein Handlanger oder John Santucci welcher ehmals Dieb war ein Polizist

Auch gabs es hier schon viele Kleinigkeiten die man in späteren Mann Filmen sieht wie das Prüfen ob die Waffe fertig geladen ist oder die 2 Schuss in die Brust, 1 in den Kopf Methode.
Oder die Art und Weise wie Caan versucht sich eine Familie aufzubauen erinnert an John Dillinger oder Neil McCauley.
Auch findet hier das Motiv des "los lassen" bereits Verwendung.

Ebenfalls hat jeder Charakter seine Prinzipien die er ähnlich wie in Heat knallthart durchzieht.
Das Finale selbst kommt ohne große Worte aus und lässt Bilder und Musik sprechen......überhaupt ist das Ende absolut grandios :hoch:

Der Großteil des Soundtracks kommt von der deutschen Band Tangerine Dream wo auch ein sehr interesantes Interview auf der Criterion Blu dabei ist.
So zeigen die ersten 10 Minuten ein sehr Dialogarmen Heist begleitet von "Diamond Diary" und ein nächtliches verregnetes Chicago.

Dialoge gibts in dem Film viele die im allgemeinen viel auf den Punkt gebrachter "businesstalk" sind und/oder die menschliche Seite der jeweiligen Charaktere gut unterstreichen.
Großartig vorallem der Dialog zwischen Caan und Tuesday Weld im Diner welcher sich nicht hinter dem zwischen De Niro und Pacino von Heat verstecken braucht.

Seltsamerweise hat der Film bei mir erst bei der Drittsichtung so richtig eingeschlagen, daher freuts mich das es bei dir Sam gleich gefunkt hat :D:hoch:

Von mir gibts daher auch klare 9/10
 

Sam Spade

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AW: Der Einzelgänger

Freut mich das du gleich nach eintrudeln der BD dir den Film gegönnt hast :D:hoch:

Ja, das musste sein :hoch:

Oder auch die Detailverliebtheit!
So wurden beim Dreh echte Werkzeuge verwendet und auch sind die Heistszenen jederzeit nachvollziehbar.
Manntypischen wurde Caan geschult wie er sich mit Waffe im Anschlag in Räumen bewegen muss.
Überhaupt wurde viel mit ehmaligen Polizisten und sogar Dieben zusammengearbeitet und sogar gedreht.

Jep, diese Detailverliebtheit bemerkt man permanent und sie lässt den Film sehr authentisch wirken.

Ebenfalls hat jeder Charakter seine Prinzipien die er ähnlich wie in Heat knallthart durchzieht.
Das Finale selbst kommt ohne große Worte aus und lässt Bilder und Musik sprechen......überhaupt ist das Ende absolut grandios :hoch:

Volle Zustimmung!

Der Großteil des Soundtracks kommt von der deutschen Band Tangerine Dream wo auch ein sehr interesantes Interview auf der Criterion Blu dabei ist.

Ja, der Soundtrack macht hier soviel aus. Das Interview muss ich noch abchecken. Hab eben auch gelesen dass Tangerine Dream sogar am GTA 5 Soundtrack mitgearbeitet haben. Wusste doch, dass mir der Stil sehr bekannt vorkommt. :)

Großartig vorallem der Dialog zwischen Caan und Tuesday Weld im Diner welcher sich nicht hinter dem zwischen De Niro und Pacino von Heat verstecken braucht.

Richtig, auch ein ganz klares Highlight im Film.

Generell muss ich auch nochmal sagen wie sehr mit Caan, trotz anfänglicher Zweifel, hier gefallen hat. Diese Mischung aus kühl und trotzdem menschlich ist fantastisch. Das schafft er noch besser als Gosling in Drive.

Von mir gibts daher auch klare 9/10

:rock:
 

2moulins

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Dieser Film ging lange Zeit total an mir vorbei, und ich bin erst durch die bei OFDB erhältliche, fette Edition darauf aufmerksam geworden.

Heute habe ich ihn erstmals gesehen (Director's Cut). Die Handschrift von Michael Mann ist klar erkennbar. Ich fand die unterkühlten - verstärkt ins Blaue gehenden - Aufnahmen sehr stark. Überwiegend spielt der Film nachts, so dass es reichlich Gelegenheiten gibt, Neonlichter, sich in Pfützen spiegelnde Leuchten und nächtliche Stadtansichten zu zeigen.

James Caan sah ich schon immer gerne, und ich assoziiere mit seinem Namen 70er-Jahre-Filme wie "Der Pate", "Rollerball" und "Die Killer-Elite". Auch hier fand ich ihn gut und passend besetzt.

Die relativ langsame Erzählweise und teilweise akribische Herangehensweise an die Einbruchtechniken gefiel ebenfalls. Dazu entwickelte sich eine latente Spannung, die sich dann im Finale entlud. :hoch:

Der Soundtrack von Tangerine Dream ist ein weiteres Highlight des Films.

Bei 9/10 bin ich dabei. :hoch:

Werde in nächster Zeit mal sehen, was die Edition noch an Zusatzmaterial bietet.
 
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Tarantino1980

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Endlich habe ich diese Lücke auch schließen können. Die Edition gab es zu einem sehr günstigem Kurs bei Amazon, da musste ich einfach zuschlagen.

..und mir den ersten Spielfilm von Michael Mann aus dem Jahre 1981 zu Gemüte führen.

Unfassbar das dies Michael Mann´s erster Spielfilm war. Der Film ist nahezu perfekt inszeniert und hat eine sehr schöne und dichte Atmosphäre!

Mann hat vor allem deshalb einen besonderen Stand bei mir, da er es immer wieder schafft, Charaktere mit Ecken und Kanten zu kreieren die in diese Welt scheinbar nicht reinpassen wollen, auch wenn man deren Motivation meistens nachvollziehen kann und irgendwo das Gute in ihnen steck.

Das hast Du wirklich schön beschrieben! In seinen Filmen sind selbst die "Bösen" noch symphatisch. Mal abgesehen das es Robert De Niro war, der in Heat den Bösewicht verkörpert hat war es dennoch ein Chrakter mit dem man mitgefühlt hat und desssen Motivation man teilen konnte. Ähnlich ging es mir hier in Thief auch mit Frank. James Caan hat die Rolle wirklich super gespielt!

Das Finale ist dann so genial, dass ich heute extra dafür nochmal die Bluray einlegen musste.

Das Finale selbst kommt ohne große Worte aus und lässt Bilder und Musik sprechen......überhaupt ist das Ende absolut grandios :hoch:

Mir hat das Finale auch extrem gut gefallen. Sehr kompromisslos und audiovisuell pferfekt inszeniert. Generell merkt man hier deutlich das Michael Mann ein sehr talentierter Regisseur ist. Was er hier teilweise an Kamerewinkeln, Spiegelungen und Atmosphäre in düsteren Straßen geschaffen hat, erfreute mein Filmherz wirklich sehr!

Der Film bekommt von mir im Directors Cut auf jeden Fall eine gute Note!

Wertung: 8.5/10
 
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