Chosen Survivors

Russel Faraday

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Chosen Survivors


Elf Menschen unterschiedlichster sozialer Herkunft werden mit einem Militärhubschrauber in die Wüste gebracht und fahren dort mit einem Fahrstuhl in die Tiefe. Es erwartet sie nicht nur ein unterirdischer Komplex, sondern auch die Botschaft, dass es auf der Erde zu einem Atomkrieg gekommen ist und sie zu den wenigen Auserwählten gehören, die unter der Oberfläche den nuklearen Winter abwarten sollen. Bald kommt es in der Gruppe zu Spannungen untereinander, die nicht gerade dadurch vereinfacht werden, dass das Militär die Station in einer uralten Höhle erschaffen hat, die von Fledermäusen bevölkert wird, welche rasch in den Komplex eindringen und einen erstaunlichen Blutdurst entwickelt haben.

„Chosen Survivors“ aus dem Jahre 1974 ist ein heutzutage mehr oder weniger vergessener Mix aus Psychothriller und Tierhorror, der nicht einmal eine deutsche Bearbeitung erfahren hat. Im Prinzip ist dies schade, denn die ungewöhnliche Mischung der beiden Genres mag nicht immer perfekt funktionieren, aber die futuristischen Dekors, in denen sich die Gruppe bewegt, ist einen zweiten und dritten Blick durchaus wert, denn auf der visuellen und atmosphärischen Ebene kann der Film wirklich gut punkten.

Ohne sich lange bei der Vorrede aufzuhalten, ist man schon während des Vorspanns mitten im Geschehen: die Erde ist ein atomarer Schlackehaufen, der einzige Kontakt nach draußen besteht über Satelliten, die ein düsteres Bild der zukünftigen Welt zeichnen und vor allem Feuersbrünste und zertrümmerte Landschaften präsentieren. Das zehrt natürlich an den Nerven der Überlebenden, und man ist sich einig, dass man zusammenarbeiten muß, um die Katastrophe überstehen zu können. Doch den guten Vorsätzen stehen ziemlich kaputte Egos gegenüber, die alsbald für allerhand Spannung sorgen. Als es die ersten Toten zu beklagen gibt, liegen die Nerven blank.

Ohne große Prominenz, aber mit doch sehr bekannten Gesichtern besetzt, entstand der Film hauptsächlich in Mexiko und spielt fast ausschließlich in dem unterirdischen Komplex, in dem große Aluminiumflächen und krasse Blautöne (während den Alarmszenen) dominieren. So wird eine bemerkenswerte Atmo erschaffen, die nicht an die sterile Umgebung von „Andromeda“ erinnert (der entstand 3 Jahre zuvor), sondern ein ganz eigenes Gefühl vermittelt, das erheblich positiven Gesamteindruck des Films beiträgt. Dieses und der gelungene Score von Fred Karlin (über den Soundtrack bin ich erst auf den Film aufmerksam geworden) sind auch definitiv die besten Seiten des Films. Vor allem die bereits erwähnten Szenen im Blaulicht sind beeindruckend und bleiben im Gedächtnis (praktisch „Suspiria“, nur blau und nicht rot :D ).

Auch wenn die Handlung nach etwa 2/3 eine gehörige Korrektur erfährt, so kommt diese nicht ganz so überraschend, wie man vielleicht im Sinn hatte. Aber der Twist stellt doch einen angenehmen Aspekt dar, der 1974 vermutlich wirklich gut funktioniert hat.

Leider gibt sich der Film irgendwann keine Mühe mehr, auf die Probleme innerhalb der Gruppe einzugehen, sondern konzentriert sich ganz auf den Horrorteil mit den Killer-Fledermäusen. Diese Szenen sind zwar unheimlich und überzeugend ausgefallen, aber der Film hat zu Beginn eine völlig andere Richtung vorgegeben, so dass es schade ist, dass man den Pfad der Psychostudie verlassen musste. Überhaupt kommt es zu gewissen Ungereimtheiten; so wird eine Vergewaltigung in einer kurzen Szene abgehakt und findet später praktisch keine Erwähnung mehr, was schon sehr störend ist, da man gerade hier hätte ansetzen können und müssen. Aber vermutlich war dies in der Laufzeit nicht mehr drin, und man wollte unbedingt dem Horrorteil zu größerer Gewichtung verhelfen.

Die Darsteller agieren nicht oscarverdächtig, gehen einem aber auch nicht so sehr auf die Nerven, dass man ihnen die Pest an den Hals wünscht, von diversen typischen „arme, schwache Frau sieht Fledermaus und kreischt sich die Seele aus dem Leib, bis sie errettet wird“-Klischees mal abgesehen, die der Film bedauerlicherweise nicht vermeidet, sondern gar ein wenig überstrapaziert.

Wie schon gesagt, heute kennt den Film vermutlich kaum noch jemand, aber wer dem Kino der 1970er Jahre nicht abgeneigt ist, kann hier eine kleine Perle entdecken. Keine große Kunst, auch kein übersehenes Meisterwerk, aber doch ein kleiner, feiner Film, der einem gute Abendunterhaltung bereitet. Am ehesten könnte man ihn vielleicht mit „Phase IV“ vergleichen, wobei die „Survivors“ natürlich nicht dessen optische Raffinesse erreichen, aber einen ganz eigenen, fast einzigartigen Stil entwickeln, dem man ruhig eine Chance geben sollte.
 

Willy Wonka

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AW: Chosen Survivors

Wie schon gesagt, heute kennt den Film vermutlich kaum noch jemand, aber wer dem Kino der 1970er Jahre nicht abgeneigt ist, kann hier eine kleine Perle entdecken.

Ich habe von dem Film vorher auch noch nichts gehört, aber deine Kritik hört sich ganz interessant an und vielleicht habe ich ja irgendwann die Möglichkeit und die Zeit mir diesen Film anzusehen. Wenn ja, werde ich an dieser Stelle natürlich eine Rückmeldung geben.
 
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