Casablanca

deadlyfriend

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Casablanca



Es gibt diese Filme, deren Existenz jedem bekannt sind, die zitiert und vergöttert werden. Filme, in denen Stars einer längst vergangenen Epoche mitspielen, wobei kaum einer der Beteiligten noch am Leben ist und trotzdem einen unzerstörbaren Bekanntheitsgrad haben. "Casablanca" gehört zu dieser Gattung und das völlig mit Recht. Obwohl doch eine Menge kleinere Film- und Anschlußfehler zu finden sind, erliegt man nach wenigen Minuten einem ungewöhnlichen Zauber. Sei es die fantastische Atmosphäre von "Rick`s Café Américain" oder die brillanten Dialoge, die seinen Status bis heute untermauern. In Casablanca fühlt man sich wohl, auch wenn dort jeder Probleme hat bzw. es davon eine Menge gibt. Es war nun mal keine schöne Zeit und ich bin mir sicher das der Film bei seiner Uraufführung wesentlich beängstigender wirkte. Durch den Wandel der Zeit hat sich zu diesem Film aber eine romantische Beziehung gebildet. Verliebt in einen Film sozusagen. Man sehnt sich danach wieder Sam bei "As time goes by" zu hören, die im Regen verwischenden Buchstaben auf dem Abschiedsbrief zu lesen, oder imaginär einen Cointreau bei Carl zu bestellen. Ja, aus meiner nostalgisch verklärten Sicht, entwickelt man eine Art Sehnsucht nach dieser Melancholie, die über dem Film schwebt.

Das Besondere ist natürlich die Entstehungszeit, da er mitten im 2.Weltkrieg gedreht wurde. Zu einer Zeit, bei der man als Produzent nicht wusste, ob man nicht gerade Schnee von gestern dreht, der möglicherweise schon bald überholt wird. Immerhin fielen die Deutschen gerade in Nordafrika ein. Kurioserweise startete der Film in den Kinos zur gleichen Zeit als die "Casablanca Konferenz" stattfand, was mit Sicherheit so nicht beabsichtigt war.

Bleiben noch die beiden Hauptdarsteller, die neben den hervorragend agierenden Nebendarstellern den Kult um den Film begründeteten: Humphrey Bogart und Ingrid Bergman. Vielleicht begründete aber auch der Film den Kult um die Beiden. Das wird man wohl heute nicht mehr feststellen können. Die unglaublichen Dialoge und magischen Momente zwischen ihnen sind aber heute nicht mehr wegzudenken. Insgesamt gibt es Vieles, das heute in unseren Köpfen verankert ist. "Schau mir in die Augen, Kleines", was nur in der ersten Synchro verwendet wurde oder "Verhaften sie die üblichen Verdächtigen", sowie "Spiel es einmal, Sam" sind Zitate die fast jedem bekannt sein dürften. Interessanterweise sind die gleichen Zitate im O-Ton in den USA genau so bekannt, wie die deutschen Pendants bei uns.

In der ersten deutschen Fassung wurde übrigens der Nazi-Bezug und seine komplette Propagandawirkung dieser Zeit entstellt und abgeändert. Erst über 30 Jahre später kam die "richtige" Fassung in Deutschland auf den Markt.

Für mich ist "Casablanca" ein unverzichtbares Stück Filmgeschichte, das jeder mal gesehen haben sollte. Ich bin mir auch sicher, das der Kult um diesen Film auch in weiteren Generationen Bestand haben wird und sei es nur durch Überlieferungen.
 
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TheBjoern

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AW: Casablanca

Du hast es geschafft eine Kritik zu einem so bedeutenden Film zu schreiben, ohne epische Ausmaße anzunehmen. Ich dachte das sei nicht möglich. Deine Kritk ist überaschend kurz und doch bringt sie das wesentliche auf den Punkt und beschreibt den Film sehr treffend ohne etwas von seiner großen Bedeutung in der Filmgeschichte einzubüßen. Top!

Ich hoffe sie ist ein Ansporn für eine fruchtbringende Diskussion.
 

deadlyfriend

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Du hast es geschafft eine Kritik zu einem so bedeutenden Film zu schreiben, ohne epische Ausmaße anzunehmen. Ich dachte das sei nicht möglich. Deine Kritk ist überaschend kurz und doch bringt sie das wesentliche auf den Punkt und beschreibt den Film sehr treffend ohne etwas von seiner großen Bedeutung in der Filmgeschichte einzubüßen. Top!

Vielen Dank für das Lob:o:kiss: Mir war auch nicht ganz klar, was ich da alles schreiben soll. Da gäbe es ja nun noch wesentlich mehr zu erzählen, aber


Ich hoffe sie ist ein Ansporn für eine fruchtbringende Diskussion.


....da ich da ehrlich gesagt nicht dran glaube, wollte ich auch nicht zuviel Arbeit investieren;)
 

TheBjoern

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AW: Casablanca

....da ich da ehrlich gesagt nicht dran glaube, wollte ich auch nicht zuviel Arbeit investieren;)

Ich kann ja zumindest schon mal einen Ansporn geben, indem ich zugebe, dass der Film für mich nicht das Meisterwerk darstellt, wie ihm die ganze Welt betitelt. Sicherlich ist Casablanca weltberühmt. Vor allem wegen der Dialoge und den Charakteren.
Ich hab ihn zum ersten Mal (und bis jetzt das einzige Mal) vor zwei Jahren gesehen. Der hohe Bekanntheitsgrad und der Titel "Der Klassiker" hat ihm bei der Sichtung nicht gut getan.
Dennoch ist man ein bischen Stolz darauf ihn gesehen zu haben.
Die Qualitäten des Films liegen weit in der Vergangenheit zurück und dürften eigentlich heute kaum jemanden überzeugen. Der Film wird heute nur noch von den vielen Bezügen, Parodien, Zitaten und Gesprächen um "Klassiker" genährt und gibt mehr vor zu sein, als er ist.
 

deadlyfriend

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AW: Casablanca

Der hohe Bekanntheitsgrad und der Titel "Der Klassiker" hat ihm bei der Sichtung nicht gut getan.

Ich kann mir gut vorstellen das der Ruf des Films, eine heutige Erstsichtung erschwert. Zuviel hat man darüber gehört. Ich bin mir sogar sicher das die Zweitsichtung immer gewinnen wird, weil man jetzt weiß was einen erwartet. Vorher war das dann eventuell ein übergroßes Mysterium.

Die Qualitäten des Films liegen weit in der Vergangenheit zurück und dürften eigentlich heute kaum jemanden überzeugen.

Das sehe ich selbstverständlich völlig anders;) Ein guter Film ist ein guter Film, da spielt das Alter keine Rolle. Es ist meines Erachtens nur schwieriger geworden einen zu erkennen, wenn man seit Jahren mit Bombast beworfen wurde. Viele sind gar nicht mehr dazu in der Lage einen alten Film vernünftig zu schauen, da ihnen die emotionsgesteuerten Blockbuster mit Hypereffekten das Hirn butterweich geklopft haben. Das beziehe ich natürlich nicht auf dich, da ich ja weiß das du und auch dein Bruder euch mit Filmen wirklich beschäftigt.

Ich sehe und bewerte Filme nun mal auch nach dem Entstehungsjahr. Ich kann keinen Film aus dem Jahr 1943, der sich mitten im 2.Weltkrieg befindet, mit einem Film von heute vergleichen, da die Intension und die Inhalte zu weit auseinander driften. Auch die Authenzität ist einfach eine andere. Nehmen wir "Private Ryan". Ein unsäglicher Mist den das Publikum hervorragend fand. Warum? Wegen Krach-Bumm und einer hirnverbrannten Story, die das Publikum scheinbar benötigt um sich diesem Thema zu nähern.
Das macht "Casablanca" völlig anders. Das liegt daran das dieser Film in der damaligen Atmosphäre lebt. Der Film ist ein Zeitzeuge. Er wurde nicht nach dem Krieg gedreht, sondern hat eine aktuelles Weltgeschehen wiedergegeben. In Casablanca herrschte nunmal das, was wir im Film vorfinden. Alleine das macht ihn für mich um vieles besser, als das was heute gedreht wird. Zusätzlich eine unglaublich intensive und tragische Liebesgeschichte, die in der damaligen Zeit nicht unregelmäßig war. Der Film berührt mich durch seine Intensität wesentlich mehr, als es viele Filme heute schaffen. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel.
Hinzu kommen die brillanten Dialoge, die für mich heute wie damals, ein wichtiges Element im Film darstellen. Auf diesem Terrain kann ich sogar Filme von Damals mit den Heutigen vergleichen. Nicht vom Inhalt, sondern von ihrer Wirkungskraft.

Der Film wird heute nur noch von den vielen Bezügen, Parodien, Zitaten und Gesprächen um "Klassiker" genährt und gibt mehr vor zu sein, als er ist.


Der Film gibt niemals vor etwas zu sein. An keiner Stelle. Obwohl, natürlich gibt er auf der einen Seite vor ein Film zu sein, wobei sich im Hintergrund auch viel Anti-Nazi Propaganda verbarg. Das kann ich ihm aber nicht ernsthaft krumm nehmen. Besonders weil im Entstehungsjahr der Ausgang des Krieges völlig offen war. Er war auch ein wenig dafür zuständig, den Betroffenen Mut zuzusprechen. Er gab Hoffnung und das war damals wohl sehr viel Wert. Allerdings keine blauäugige Hoffnung, denn das Schwert des Damokles war allgegenwärtig.
 
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Despair

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AW: Casablanca

Ich muss zugeben, dass ich den Film erst vor kurzem zum ersten Mal gesehen habe (müsste letztes Jahr gewesen sein). Warum? Weil ich aufgrund der bekannten Szenen einen reinen Liebes-Schmachtfetzen erwartet habe. Ich musste aber erstaunt feststellen, dass der Film weit mehr zu bieten hat. Die Story ist zu keinem Zeitpunkt langweilig. Die Dialoglastigkeit stört nicht, weil ebenjene Dialoge von hervorragender Qualität sind. Ebenso der feine Humor, der immer wieder aufblitzt. Ich kann nur jedem Filminteressierten empfehlen, sich diesen Klassiker mal reinzuziehen. Militante Nichtraucher und Anti-Alkoholiker könnten sich aber etwas schwertun... ;)
 

TheBjoern

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Ich bin mir sogar sicher das die Zweitsichtung immer gewinnen wird, weil man jetzt weiß was einen erwartet.

Ich nehm dich beim Wort und werde ihn mir bald ein zweites Mal anschauen. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Film in meiner Gunst steigt.


Das sehe ich selbstverständlich völlig anders;) Ein guter Film ist ein guter Film, da spielt das Alter keine Rolle.

Absolutes Dito

Der Film ist ein Zeitzeuge. Er wurde nicht nach dem Krieg gedreht, sondern hat eine aktuelles Weltgeschehen wiedergegeben.

Das rechne ich den Film auch nach wie vor hoch an. Es erschauert einem nahezu bei dem historischen Kontext. So etwas ist steht bei mir ganz hoch im Kurs.

[...] eine unglaublich intensive und tragische Liebesgeschichte, die in der damaligen Zeit nicht unregelmäßig war.

Das ist der Knackpunkt: Trotz seines historischen Alters, dass bei mir immer berücksichtigt wird, empfand ich diese Liebesgeschichte eine wenig zu kitschig und doch kam sie mir so vertaut vor, auf dass sie mich eher langweilte.


Der Film gibt niemals vor etwas zu sein. An keiner Stelle. Obwohl, natürlich gibt er auf der einen Seite vor ein Film zu sein, wobei sich im Hintergrund auch viel Anti-Nazi Propaganda verbarg. Das kann ich ihm aber nicht ernsthaft krumm nehmen.

Da habe ich mich wohl falsch ausgedrückt. Es ging mir nicht um die Intention des Films, sondern um den Status in meinem sozialen Umfeld, den Casablanca inzwischen eingenommen hat. Damit meine ich das "Casablanca" zu den ganz Großen zählt und nicht gar "Der Klassiker" schlechthin ist. Aber wie du bereit geschrieben hast, kann sich diese Sicht der Dinge änderen, indem man ihm einer zweiten Sichtung widmet.

Das er beim ersten Eindruck damals nicht so gut wegkam, lag vieleicht daran, dass dieser Film etwas konsequent anders gemacht hat, als die vielen "Klassiker" die bereits zuvor gesehen habe. Damit meine ich insbesondere die Liebesgeschichte.
 

deadlyfriend

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Ich nehm dich beim Wort und werde ihn mir bald ein zweites Mal anschauen. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Film in meiner Gunst steigt.


Ich bin mir da irgendwie sicher. Zumindest könnte ich es mir anders echt nicht vorstellen:)




Das ist der Knackpunkt: Trotz seines historischen Alters, dass bei mir immer berücksichtigt wird, empfand ich diese Liebesgeschichte eine wenig zu kitschig und doch kam sie mir so vertaut vor, auf dass sie mich eher langweilte.

Seltsam! Ich fand sie gar nicht kitschig, sondern angenehm anders. In den meisten Filmen dieser Zeit wird eher auf das Happy End wert gelegt, was auch heute meistens noch so ist. Hier hat man etwas größeres und wichtigeres über die Liebe gestellt. Man konnte nachvollziehen weshalb sie so entschieden haben, obwohl man es sich als Zuschauer natürlich anders gewünscht hat. Wenn man die Liebesgeschichte im Vordergrund hätte haben wollen, wäre der Film anders, nämlich ohne Laszlo, angelegt worden. So, war die Liebesgeschichte nur ein Teil des Gesamten und nicht das Haupthema. Das fand ich persönlich ungewöhnlich und finde das heute noch herausragend. So präsent, das man es als absolut wichtig empfindet, aber so angenehm verarbeitet das es trotzdem nicht das Kernthema ist.




Das er beim ersten Eindruck damals nicht so gut wegkam, lag vieleicht daran, dass dieser Film etwas konsequent anders gemacht hat, als die vielen "Klassiker" die bereits zuvor gesehen habe. Damit meine ich insbesondere die Liebesgeschichte.


Könnte sein das er genau deshalb bei mir extrem wirkt. Unter vielen anderen Aspekten natürlich, da ich das Gesamtkonzept einfach nur als wunderbar empfinde.
Ich bin jetzt echt auf deine zweite Sichtung gespannt. Wie gesagt, der Film schleppt halt durch seinen Status einen riesigen Brocken mit sich rum. Den sollte man natürlich zur Seite schieben und ihn offener betrachten, ohne ständig daran zu denken, welche Bedeutung er in der Filmwelt hat.
 

TheBjoern

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Seltsam! Ich fand sie gar nicht kitschig, sondern angenehm anders.

Boah, ich zweifle gerade an mir selbst. Ich muss nochmal erwähnen, dass ich gerade zwei Jahre alte Eindrücke niederschreibe. Ich werde es konkretisieren können sobald der Film noch einmal geschaut wird. Ich denke das bin ich im jetzt schuldig.

Ich bin jetzt echt auf deine zweite Sichtung gespannt.

...und ich erst. :D Werde mich dann nochmal melden.
 

deadlyfriend

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Boah, ich zweifle gerade an mir selbst. Ich muss nochmal erwähnen, dass ich gerade zwei Jahre alte Eindrücke niederschreibe. Ich werde es konkretisieren können sobald der Film noch einmal geschaut wird. Ich denke das bin ich im jetzt schuldig.


Ich freu mich aber das du dich trotz der 2 Jahre, über den Film unterhalten willst:)
 

deadlyfriend

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Ich muss zugeben, dass ich den Film erst vor kurzem zum ersten Mal gesehen habe (müsste letztes Jahr gewesen sein). Warum? Weil ich aufgrund der bekannten Szenen einen reinen Liebes-Schmachtfetzen erwartet habe. Ich musste aber erstaunt feststellen, dass der Film weit mehr zu bieten hat. Die Story ist zu keinem Zeitpunkt langweilig. Die Dialoglastigkeit stört nicht, weil ebenjene Dialoge von hervorragender Qualität sind. Ebenso der feine Humor, der immer wieder aufblitzt. Ich kann nur jedem Filminteressierten empfehlen, sich diesen Klassiker mal reinzuziehen.

Darüber hatte ich es ja auch gerade mit Bjoern. Der Film hat so viel mehr zu bieten, als "nur" eine Liebesgeschichte. Alleine als die Marseillaise den deutschen Gesang übertönte, war ein unglaublich großartiger Moment. Insgesamt auch die Musikthemen, die je nach Lage anders verwendet wurden. Immer dabei im Hinterkopf das der Ausgang des Krieges bei Entstehung völlig ungewiss war.



Militante Nichtraucher und Anti-Alkoholiker könnten sich aber etwas schwertun... ;)


Allerdings! :D Wobei ja Rick nie mit Gästen trinkt. Mit einer Ausnahme;)
 

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AW: Casablanca

Nur damit hier keiner denkt, dass ich mich mit diesem Thema nicht befasse: eine sehr interessante Diskussion!
Da ich jetzt auch die Ultimate-BD hier habe, wird der Film demnächst mal wieder geguckt und dann folgt auch hier eine ausführliche Besprechung meinerseits! :)
 

TheBjoern

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Casablanca


Der große Klassiker – der große Kult. Als jemand, der mit diesem Film nicht groß geworden ist, wie so viele Leute in unserer aktuellen Gesellschaft, wurde ich beim ersten Mal Anschauen des Films von der Flut an Vorschusslorbeeren so überschwemmt, dass mir nichts anderes übrig blieb als gegen den Strom zu schwimmen.
Das war er jetzt? Der große Klassiker? Beim betrachten des Films hatte ich einen geradezu „mainstreamingen“ Blick auf das Werk und stempelte ihn ab, als einer von vielen Klassikern dieser Zeit, oder auch von ein paar Jahren später.
Die Sicht war vernebelt, der Kult war zu groß, die Erwartungen waren ins unermessliche gestiegen und konnten nur enttäuscht werden. Der Film wurde von mir als Standart deklariert…

Der zweite Eindruck
Nach zwei Jahren widmete ich mich erneut diesem klassischen Projekt und das mit einer viel neutraleren Haltung. Der große, besondere Klassiker ist weit in die Ferne gerückt und es wurde nun ein Film geschaut, der nur im Kontext seiner Zeit Berücksichtigung fand.

Kontext und Kult
Zu der Handlung muss nicht viel erzählt werden. Wer den Film noch nicht kennt, so wird derjenige überrascht sein wie viel er eigentlich doch vom Film kennt. Es gibt zahlreiche Hommagen und auch Parodien, von den Zitaten ganz zu schweigen, nur hat man sie als solche nie erkannt.
So viel sei gesagt: Casablanca ist eine Stadt in französisch Marokko, in der zu Zeiten des zweiten Weltkriegs Flüchtlinge versuchten illegal in die Staaten zu fliehen.
Der Film thematisiert diese Situation und das zu einer Zeit, in der der zweite Weltkrieg noch anhält und der Ausgang dieses Krieges ungewiss ist. Die dadurch erzeugte Brisanz ließ den Film sicherlich einmal mehr in die Gunst der Zuschauer steigen, was wahrscheinlich den Kult des Films noch heute ausmacht.
Dabei hat der Film noch so viel mehr zu bieten. Ganz weit vorne stehen dabei die charmanten Charaktere, die vor allem einem Zweck dienen: Ricks Person zu formen. Doch dazu später mehr.

"Casablanca" ist Theater
„Casablanca“ spielt nicht in Casablanca sondern in „Ricks Cafe Amercain“. Fast die gesamte Handlung spielt sich dort ab, ähnlich einer Bühne im Theater. Die Handlung wird von seinen Dialogen und ihren Charakteren getragen. (Es wird nur Erzählt wie die deutschen Offiziere ermordet wurden – ein Film hätte dies als Aufhänger gezeigt.)
Die Dialoge habe in ihrem ganzen Zynismus einen so hohen Qualitätsstandart, dass sie so, nur überwiegend in Theateraufführungen wieder zu finden sind. Die Interaktion zwischen den Charakteren ist dabei maßgebend.
Doch „Casablanca“ ist besser als ein Theater. Während dieser Film alle qualitativen Vorteile einer Handlung eines Theaterstücks nutzt, so nutzt er zusätzlich die stilistischen Vorteile des Mediums Film. Da seien die besonderen Kameraperspektiven, die so nur auf Celluloid gebannt werden können. Dem Theaterpublikum bleibt nur die frontale Beobachtung. Was wäre „Casablanca“ ohne eine Nahaufnahme eines niedergeschlagenen Ricks, wie er rauchend tief in sein Glas schaut.
Somit bleibt mir nur zu sagen:
„Casablanca ist nicht nur großes Kino sondern vielmehr großes Theater.


Die Romanze von „Casablanca“
So mancher beschränkt sich nur auf die Romanze zwischen Rick und Ilsa, die in ihrer ganzen Tragweite dem einen mehr, dem anderen weniger gefällt. Einst empfand ich die Beziehung als kitschig, doch hatte das einen bestimmten Grund. So viele andere Filme und Projekte jeglicher medialer Machart haben sich kräftig von „Casablanca“ bedient. Mal gut mal schlechter. Dass das den Eindruck auf die Romanze schmälert, ist nachvollziehbar. Doch schaut man genauer hin ist sie weder kitschig noch bestimmt sie den ganzen Film. Die Beziehung zwischen Rick, Ilsa und László, dient letztendlich einem höheren Zweck…

Die wahre Handlung von „Casablanca“
Sicherlich geht es um die Ausreise einer wichtigen Persönlichkeit aus dem Krisengebiet, doch ist dieser Handlungsstrang nur Sekundär. Der wahre Fixpunkt dieser Geschichte ist Rick. Sein Charakter in der Handlung ist maßgebend. Nach und nach wird der Charakter seiner Person entwickelt.
Kühl, verbittert und distanziert gibt er sich zu Beginn. Rick ist ein Mysterium. Im umgibt ein Geheimnis, dass der Zuschauer gewillt ist zu entdecken. Nach und nach gibt er mehr und mehr von seiner Seele preis. Dies geschieht, indem er mit den Charakteren in seiner Umgebung in Kontakt tritt. Jeder Charakter reflektiert einen Teil seiner Persönlichkeit und erst das ganze Bild dieser verschiedenen Reflektionen lässt uns erahnen, was für ein Mensch er ist.
Einen großen Teil seiner Persönlichkeit gibt er preis, wenn er mit Ilsa in Kontakt tritt. Sie ist die wichtigste Person in seinem Umfeld und lässt ihn einmal mehr seine Geheimnisse preisgeben. Capitan Renault ist nicht minder bedeutsam für den Charakter „Rick“, denn die beiden verbindet bereits zu Beginn „eine wunderbare Freundschaft“.
Diese einmalige und besondere Charakterentwicklung wäre nie so gut gelungen, wenn Humphrey Bogart nicht so hervorragend gespielt hätte. Ihn umgab eine Aura von Rätselhaftigkeit und Sturheit, die doch einen Blick auf seinen weichen Kern zuließ.


Fazit:
Die zweite Sichtung hat gut getan. Die kleinen Details haben sich nun offenbart, für die ich eins kein Auge hatte. Ich habe nur wenige Dinge aufzählen können. Die Musik hatte an dieser Stelle keine Erwähnung gefunden. Doch sei versichert, dass diese das Gesamtkonzept harmonisch unterstützt. Im Schatten des Kults ist er nur Durchschnitt und wird im heute gar nicht mehr gerecht. Doch blendet man diesen aus, so offenbart sich ein Film als eine Theateraufführung, die in ihrem ganzen Handlungsfeld etwas Besonderes fürs Kino darstellt.
Trotz seines alters weiß „Casablanca“ noch heute mit seinen zynischen, dynamischen Dialogen zu überraschen, die nicht gealtert sind und so in mancher aktuellen Filmen verwendet werden könnten.
Für die, die den Film noch nicht kennen sei gesagt: Lasst euch nicht vom Kult blenden. Betrachtet ihn als ganz normalen Film. Erst dann entfaltet sich sein Zauber, der sich besonders in den Charakteren widerspiegelt.
 

deadlyfriend

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AW: Casablanca

Ich bin völlig begeistert von deiner Rezension und noch mehr weil du dich wirklich nochmal damit beschäftigt hast. Den Worten folgten Taten und dafür schonmal meinen absoluten Respekt! Das betrachte ich nicht als selbstverständlich.
Besonders gefallen hat mir deine "Theater-Sichtweise", die mir erst beim Lesen deiner Rezi richtig bewußt wurde. Natürlich war klar das es dazu ein Theaterstück gibt, aber das habe ich irgendwie unbewußt ausgeblendet. Warum auch immer:confused: Es gibt also auch nach mehreren Sichtungen immer noch etwas zu entdecken;) Auch deine Aufteilung innerhalb der Rezi fand ich stark.
Vielleicht ergeht es dir irgendwann ähnlich wie mir und du sehnst dich an diesen "Ort" zurück. Das ist seltsam zu beschreiben, aber das ist wie der Wunsch in eine Kneipe zu gehen in der man lange nicht war. Weil Erinnerungen daran hängen und man in Nostalgie schwelgen möchte. Für mich bleibt der Film einfach etwas ganz Besonderes.
 

TheBjoern

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AW: Casablanca

Ich bin völlig begeistert von deiner Rezension und noch mehr weil du dich wirklich nochmal damit beschäftigt hast. Den Worten folgten Taten und dafür schonmal meinen absoluten Respekt! Das betrachte ich nicht als selbstverständlich.

Oh, Mann! Das geht runter wie Öl. Ich werd' noch ganz verlegen. Aber bitte, gern geschehen. :kiss:

Besonders gefallen hat mir deine "Theater-Sichtweise", die mir erst beim Lesen deiner Rezi richtig bewußt wurde. Natürlich war klar das es dazu ein Theaterstück gibt, aber das habe ich irgendwie unbewußt ausgeblendet.

Ich wusste gar nicht, dass es ein Theaterstück von Casablanca gab. Das war nur mein Gefühl, was mir das zuflüsterte. Was war den eher da: Film oder Theaterstück?

Auch deine Aufteilung innerhalb der Rezi fand ich stark.

So sind 'se die Naturwissenschaftler. Gegliedert und strukturiert muss sein. ;)

Vielleicht ergeht es dir irgendwann ähnlich wie mir und du sehnst dich an diesen "Ort" zurück. Das ist seltsam zu beschreiben, aber das ist wie der Wunsch in eine Kneipe zu gehen in der man lange nicht war. Weil Erinnerungen daran hängen und man in Nostalgie schwelgen möchte.

Da muss ich dich leider enttäuschen. Obwohl ich dieses Gefühl bei bestimmten Filmen kenne, so konnte sich das bei "Casablanca" nicht einstellen. Zu neu ist für mich die Erfahrung mit diesem Klassiker. Doch empfinde ich, dass dem Film etwas anhaftet, das ihn hervorhebt. Selbst wenn jemand nie etwas von diesem Film gehört oder gesehen hat, so glaube ich, dass auch diese Person eine gewisse Magie spüren wird. Vergleichbar mit einer Symphonie von Beethoven, die sofort ins Ohr geht.
 

Leatherface

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AW: Casablanca

sollte ich mir evtl. den Film doch noch mal antun. Nachdem nach dem Kultgehabe eine sehr schwere Ernüchterung nach dem ersten ansehen folgte?
 

Vince

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AW: Casablanca

Also ich hab ihn mir drei mal angesehen und finde ja nach wie vor, dass das einer der überbewertetesten Klassiker der Filmgeschichte ist... mehr als 5/10 ist der mir nicht wert.
 

deadlyfriend

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AW: Casablanca

Also ich hab ihn mir drei mal angesehen und finde ja nach wie vor, dass das einer der überbewertetesten Klassiker der Filmgeschichte ist... mehr als 5/10 ist der mir nicht wert.



Ich befinde seinen Status als völlig gerechtfertigt;) Ich kann mich auch nicht daran erinnern wann ich das letzte Mal ein brisantes Thema, während es passierte, auf der Leinwand gesehen habe. Meist sind Filme in solchem Kontext reine Aufarbeitung der Vergangenheit und keine Gegenwartsbewältigung. Alleine das macht ihn schon besonderer als andere Filme.
 

Kratos666

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AW: Casablanca

Hätte ich also auch diese Bildungslücke geschlossen.
Was soll ich groß sagen, ich fand ihn einfach nur stink langweilig, absolut nicht mein Fall.
Wie schon gesagt wurde halte auch ich diesen Klassiker für vollkommen überbewertet.
(4/10)
Schön ist nur das ich keine Probleme mehr mit s/w Filmen zu haben scheine.:)
 
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