Brennt Paris?

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Brennt Paris?

Orson Welles, Jean-Paul Belmondo, Kirk Douglas, Alain Delon, Anthony Perkins, Yves Montand, Glenn Ford, Gert Fröbe, Francis Ford Coppola, Maurice Jarre, Rene Clement!


Allein die Aufzählung der beteiligten Leute in "Brennt Paris?" reicht normalerweise aus, um Interesse am Film von 1966 zu wecken. Trotzdem ist er anscheinend irgendwie in Vergessenheit geraten und wird bei Aufzählungen thematisch verwandter Filme kaum genannt.

Wolfsschanze 1944. Hitler beordert Generalleutnant Dietrich von Choltitz in den Bunker. Sein Vertrauen ist durch das jüngste Attentat auf ihn ziemlich erschüttert, weshalb er Choltitz zum General der Infanterie befördert und ihn gleichzeitig zum Stadtkommandanten von Paris erklärt. Dort bekommt er den Auftrag die Stadt an der Seine unbedingt zu halten, da die Alliierten inzwischen an der Westfront auf dem Vormarsch sind. Allerdings auch mit dem Notfallplan versehen, die Stadt komplett zu zerstören, falls sie nicht zu halten ist. Vor Ort gerät er in eine Zwickmühle, da er weiß, dass der Krieg verloren ist aber auch die Sinnlosigkeit erkennt, historische Gebäude wie Notre Dame, Louvre und Sanit Chapelle dem Erdboden gleich zu machen. Dabei gerät er aber auch in eine Zwickmühle, da durch die sich nähernden Alliierten die Resistance neu entflammt wird, die gleichzeitig versucht die Stadt wieder an sich zu reißen und ihn dadurch zum Handeln zwingt.

Das fast 3 Stunden andauernde Epos ist kein ganz einfacher Film. Erstens weiß man natürlich, das Paris nicht zerstört wird, weshalb der Spannungsaufbau nicht wirken kann. Zudem beleuchtet der Film viele verschiedene Facetten weshalb die meisten der namhaften Darsteller eben in Nebenrollen zu finden sind. Spricht aber auch für das Thema, da gefühlt jeder an der Befreiung von Paris mitwirken wollte und ich habe bei weitem nicht alle genannt. Durch diese episodenhafte Struktur wird man allerdings ständig an wechselnde Schauplätze versetzt. Mal ist man bei den Unruhen in der Stadt, dann wieder bei den amerikanischen Streitkräften um General Patton, dann wieder bei der französischen Armee um General Leclerc. Zudem noch in verschiedenen Parteien der Resistance, die aus unterschiedlichen politischen Lagern stammen und sich deshalb öfter uneinig sind, da man gedanklich bereits in den Starlöchern für die Zeit nach der Besetzung steht. Bei all den Personen die kurzzeitig zu sehen sind, kann man ohne geschichtliche Vorkenntnisse möglicherweise durcheinanderkommen. Französische Zuschauer haben hier mit Sicherheit Vorteile, da man dort die Helden von damals besser kennt als hierzulande oder in den USA. Wenn man dieses Kapitel der Geschichte trotzdem kennt, wird man wahrscheinlich besser zurechtfinden. Eine weitere Hilfe ist die Stadt Paris selbst. Zumindest wenn man mit ihr vertraut ist. Dadurch wird es nochmal deutlich einfacher, da man weiß, wo sich die Protagonisten in den verschiedenen Momenten befinden. Gerade wenn man die Inseln der Seine gut kennt, kann man sich dort geographisch besser in die jeweilige Szenerie einfühlen. Das heißt, Leute, die mit diesem Teil der Geschichte und gleichzeitig den Örtlichkeiten verbunden sind, könnten ihre helle Freude am Film haben. Ich fürchte viele andere könnten damit überfordert sein, da der Film in vielen Teilen auch als eine Lobeshymne auf die Resistance zu sehen ist und damit eben auch diese Sicht verstärkt eingenommen wird, was eben außerhalb Frankreichs nicht komplett bekannt ist. Aber auch General von Choltitz wird hier gewürdigt, der nach dem Krieg sogar zum Ritter der französischen Ehrenlegion ernannt wurde. Ich persönlich finde den Film wirklich stark und kam mit dieser Herangehensweise problemlos zurecht, auch wenn er nicht wirklich spannend ist. Da er aber sehr nah bei der Historie bleibt und zusätzlich noch Originalaufnahmen in die Spielszenen integriert, ist der Film wirklich beeindruckend. Die Aufnahmen von damals erkennt man zwar durch die unterschiedliche Qualität aber sie passen wirklich perfekt in das jeweilige Szenario. Etwas schade ist die Ausstattung der deutschen Panzer, aber hier hat man möglicherweise keine mehr zur Verfügung gehabt, weshalb man auf amerikanische M41 zurückgegriffen hat, was dann etwas unglücklich aussieht, sofern man sich da ebenfalls ein wenig auskennt. Die wurden nämlich erst nach dem Krieg gebaut.
Mein Oscar bei den Darstellern geht aber ganz klar an Gert Fröbe! Er verleiht dem Stadtkommandanten eine Menge Autorität und Wärme zugleich, während die anderen Weltstars durch ihre Rollen etwas eindimensional bleiben. Nur Orson Welles kann als schwedischer Generalkonsul noch wirklich mithalten. Der kurze Auftritt von Romy Schneider hat es dagegen nicht in die Endfassung geschafft. Insgesamt also eine klare Empfehlung für Leute die sich mit Geschichte oder auch mit Paris an sich befassen. Wer lieber Schlachtengetümmel sehen will oder innerhalb der Narrativen einen Held an seiner Seite braucht, dem man folgen kann, ist woanders wahrscheinlich besser aufgehoben.
 
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