Memories of Murder

Despair

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Memories of Murder

Südkorea im Jahr 1986: Auf dem Land werden nacheinander mehrere Frauenleichen entdeckt, die auf dieselbe, fast schon rituell anmutende Weise ermordet wurden. Die ortsansässige Polizei ist mit den Ermittlungen heillos überfordert. Insbesondere Kommissar Park Doo-man sucht seine Tatverdächtigen sehr willkürlich aus und versucht, ihnen mithilfe brutaler Verhörmethoden und "kreativer" Beweisfindung Geständnisse aus dem Kreuz zu leiern. Mit dem geistig zurückgebliebenen und körperlich entstellten Baek Kwan-ho scheint zudem schnell der passende Täter gefunden zu sein. Doch der aus Seoul in die Provinz entsandte Detective Seo Tae-yoon beweist Kwan-hos Unschuld. Seos scharfer Verstand und seine rationalen Ermittlungsmethoden stoßen bei Park, der den Fall schnellstmöglich abschließen möchte, auf wenig Gegenliebe. Man geht sich gegenseitig auf die Nerven, was einer fruchtbaren Zusammenarbeit nicht gerade förderlich ist...

Bong Joon-hos düsterer, auf realen Ereignissen basierende Serienmörder-Thriller steht in der Tradition von David Finchers "Sieben" oder "Zodiac", dürfte aber aufgrund einiger eigenwilliger Entscheidungen in seiner Erzählweise polarisieren. Denn trotz des ernsten Themas gibt es besonders in der ersten Hälfte diverse humorige Einlagen, die nicht jedem Zuschauer schmecken dürften. Das betrifft insbesondere das dilettantische, manchmal fast schon slapstickhafte Verhalten der örtlichen Polizei. Da werden aus Unvermögen am Tatort Spuren zerstört, Verdächtige nach Gutdünken ausgewählt (Kommissar Park bildet sich ein, Straftäter am Blick zu erkennen) oder gar die Dienste einer Wahrsagerin in Anspruch genommen. Vom Saufgelage mit dem Dienststellenleiter fange ich gar nicht erst an. Das wirkt gelegentlich etwas drüber, aber glücklicherweise wird von darstellerischer Seite auf übertriebenes Overacting verzichtet, sodass man nie ins Alberne abgleitet. Die ernst gemeinte Kritik am Polizeiapparat ist auf jeden Fall mehr als deutlich erkennbar.

In der zweiten Filmhälfte wird der Ton zunehmend rauer und die ohnehin schon farbarmen Bilder noch düsterer. Obwohl viel geredet wird und man dem Täter nie bei der Ausführung seiner Verbrechen zusieht, kommt es während der gut zweistündigen Laufzeit nur selten zu kleineren Längen. Die dichte Atmosphäre hält bis zum Finale gut bei Laune. Das Finale an sich dürfte wiederum nicht jedem zusagen, da es nicht unbedingt gängigen Krimi- oder Thrillerkonventionen entspricht. Mir hat's hervorragend gefallen, da es den Film nochmal auf eine andere Stufe hebt, seine Vielschichtigkeit betont und auf einen billigen Twist verzichtet. "Memories of Murder" mag ein ungewöhnlicher und manchmal sperriger Genre-Vertreter sein, aber gerade das macht ihn in meinen Augen so sehenswert.

8,5/10 Punkte
 

deadlyfriend

Casting
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Bong Joon-hos düsterer, auf realen Ereignissen basierende Serienmörder-Thriller steht in der Tradition von David Finchers "Sieben" oder "Zodiac", dürfte aber aufgrund einiger eigenwilliger Entscheidungen in seiner Erzählweise polarisieren.

Ersteinmal spitzenklasse, das der Film hier Einzug erhalten hat und dann auch noch so interessant rezensiert wurde! :respekt: Genau aus diesem zitierten Satz ist der Film für mich absolut interessant aber wegen.......

Denn trotz des ernsten Themas gibt es besonders in der ersten Hälfte diverse humorige Einlagen, die nicht jedem Zuschauer schmecken dürften. Das betrifft insbesondere das dilettantische, manchmal fast schon slapstickhafte Verhalten der örtlichen Polizei. Da werden aus Unvermögen am Tatort Spuren zerstört, Verdächtige nach Gutdünken ausgewählt (Kommissar Park bildet sich ein, Straftäter am Blick zu erkennen) oder gar die Dienste einer Wahrsagerin in Anspruch genommen. Vom Saufgelage mit dem Dienststellenleiter fange ich gar nicht erst an.

......diesen Dingen, habe ich ihn bislang stehen gelassen, da ich sowas öfter gelesen habe. Da besteht bei mir ein hohes Potential, um genervt zu sein.
 

Despair

Filmvisionaer
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Ersteinmal spitzenklasse, das der Film hier Einzug erhalten hat und dann auch noch so interessant rezensiert wurde! :respekt:

Danke, dass du kein "stümperhaft" eingebaut hast. :D

Die Humoreinlagen wirken zwar anfangs etwas befremdlich, aber man gewöhnt sich dran. Da hat man speziell bei asiatischen Filmen schon weitaus schlimmeres gesehen.

Falls also jemand mal ein Auge riskieren will: Der Film ist aktuell bei Amazon Prime zu sehen. Wer allerdings schon mit "Parasite" nichts anfangen konnte, der wird sich hier noch schwerer tun.
 

Sam Spade

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Viele Dank für diese wunderbare Kritik, Despair. Habe mir den Film letztes Jahr zugelegt und ihn dann auch gesehen. Kann dir komplett zustimmen. Finde die beiden unterschiedlichen Stimmungen innerhalb des Films sehr interessant, auch wenn ich nach der ersten Hälfte damals tatsächlich ein wenig irritiert war. Das Gesamtbild welches man am Ende erhält finde ich jedoch grandios und somit hat der Film auch Eindruck hinterlassen. Bong Joon-ho sprengt wohl gerne Genre-Ketten, was ich ebenfalls auch bei Parasite genial finde, daher ist Memories of Murder ein besonderes Werk. Hab nach der KK jetzt auch direkt wieder Lust auf den Film bekommen. :):hoch:
 
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