Verstehen Sie die Bèliers?

Die wilde 13

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Verstehen Sie die Bèliers?

Ein Bauernhof mitten in Frankreich, der von einer 4-köpfigen Familie bewirtschaftet wird. So weit, so normal, doch in dieser Familie sind alle bis auf die 14-jährige Tochter Paula (Louane Emera) taub. Sie fungiert für ihre Familie als Übersetzer in allen (auch peinlichen) Lebenslagen und geht natürlich auch noch zur Schule. Als Paula wegen dem süßen Phillipe in den Schulchor eintritt wird sie kurze Zeit später vor einer Entscheidung stehen, die das Leben aller völlig auf den Kopf stellen würde...

Ja, die Franzosen haben es drauf. Verstehen Sie die Bèliers ist eine flotte, mitunter freche Komödie, die schon nach kurzer Zeit mitten ins Herz trifft. Sympathische, aber auch skurrile Figuren bevölkern die turbulente Szenerie auf dem Lande und das Thema Taubheit bzw. Behinderung im allgemeinen wird gar nicht an die große Glocke gehängt. Es ist eben so und man muss das Beste daraus machen.

Die absolute Entdeckung dieses Films ist aber die fabelhafte Louane Emera. Die junge Sängerin, die erst kurz zuvor in einer französischen Castingshow bis ins Halbfinale kam, begeistert hier in ihrem Film-Debüt sowohl mit einer traumhaften Selbstverständlichkeit als auch mit einer liebenswerten Natürlichkeit, das es zu jeder Zeit eine helle Freude ist, ihr zuzuschauen. Dazu noch ihre wunderbare Stimme, die des öfteren erklingt zu den lyrischen Chansons von Michel Sardou. Dessen Texte sind sehr poetisch und obwohl sie teilweise fast 40 Jahre alt sind, passen sie vor allem zum Ende hin wie die Faust aufs Auge zu dieser lustigen aber auch berührenden Geschichte. Ich habe selten einen schöneren Abschluss einer Komödie wie diesen gesehen, der mich zu Tränen gerührt hat, dessen ich mich aber in keinster Weise schäme. Ich hoffe sehr, das man Louane, die mittlerweile ja völlig zurecht ihre ersten musikalischen Lorbeeren ("Avenir") in halb Europa eingefahren hat, auch bald wieder auf der Leinwand bewundern darf. Ein Naturtalent!

Alles in allem ist Verstehen Sie die Bèliers eine wunderbare Komödie, die sich zum Beispiel hinter französischen Highlights wie Willkommen bei den Sch'tis überhaupt nicht verstecken braucht. Einziger Kritikpunkt bleibt, das die Bürgermeisterwahl leider ins Leere läuft.

9/10
 

Willy Wonka

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Eine fabelhafte Kritik, die sehr gut diese sympathische und lockere Komödie beschreibt. :hoch:

Mir hat der Film auch sehr gefallen, aber ich habe mir den Film vollkommen anders vorgestellt. Ich hatte vom Trailer irgendwie in Erinnerung, dass der Fokus des Films auf die Bürgermeisterwahl läge und mit welchen Schwierigkeiten ein gehörloser Kandidat konfrontiert wird. Der Plot um die 14-jährige Tochter Paula ist natürlich auch schön anzusehen, aber der schwierige Einstieg in einer musikalischen Laufbahn und wie Musik das Leben eines jungen Menschen verändert wurde eben schön sehr häufig erzählt. Insbesondere im europäischen Kino.

Ärgerlich war für mich, dass die Bürgermeister-Wahl zwar am Anfang durchaus Raum einnimmt, aber ab Mitte des Films in der Narration des Films vollkommen fallengelassen wird. Diese Nebenhandlung hätte man meiner Meinung nach dann komplett weglassen können. Als Nebenstrang zum Musik-Chor hätte man stattdessen ein wenig mehr die Schwierigkeiten einen kleinen Bauernhof in der aktuellen Zeit wirtschaftlich zu führen in den Blick nehmen können. Angerissen wurde das Thema ja bereits u.a. durch die Telefonate der Tochter in Bezug auf Einkauf und Verkauf von Waren, aber das hätte als stringente Nebenhandlung neben dem Chor-Plot vollkommen ausgereicht. So wirkte der Film stellenweise inhaltlich ein wenig überladen. Auch der Aspekt, dass der Bruder der Hauptperson mit der besten Freundin seiner Schwester rummacht, wurde ohne großen Konflikt schnell wieder fallengelassen.

Ich habe selten einen schöneren Abschluss einer Komödie wie diesen gesehen, der mich zu Tränen gerührt hat, dessen ich mich aber in keinster Weise schäme.

Ja, das Ende war wirklich berührend. Auch wenn die Inszenierung bewusst kalkulierend auf die Gefühlte abzielte und bewusst diese Emotionen beim Zuschauer hervorrufen wollte, konnte ich mich dem auch nicht gänzlich entziehen.

Alles in allem ist Verstehen Sie die Bèliers eine wunderbare Komödie, die sich zum Beispiel hinter französischen Highlights wie Willkommen bei den Sch'tis überhaupt nicht verstecken braucht. Einziger Kritikpunkt bleibt, das die Bürgermeisterwahl leider ins Leere läuft.

„Willkommen bei den Sch'tis“ hat mir dagegen gar nicht so gut gefallen, was aber vielleicht auch am Komödien-Typus liegen kann. Die Sch'tis sind wesentlich alberner und überdrehter und zielen mehr auf Pointen ab und bei den Bèliers ist der Humor einfach ein stetiger Begleiter der Coming-of-Age-Handlung und drängt sie nicht häufig in den Vordergrund.
 

Die wilde 13

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Mir hat der Film auch sehr gefallen, aber ich habe mir den Film vollkommen anders vorgestellt. Ich hatte vom Trailer irgendwie in Erinnerung, dass der Fokus des Films auf die Bürgermeisterwahl läge und mit welchen Schwierigkeiten ein gehörloser Kandidat konfrontiert wird.
Ist natürlich doof, wenn im Trailer einen ganz anderen Fokus hat als der Film selbst. Das dämpft natürlich erstmal die Stimmung. Das das Thema der Bürgermeisterwahl am Ende gar keine Rolle mehr spielte, gefiel mir ja auch nicht und ist mein einziger Kritikpunkt an diesem Film. Ich habe den Trailer gottseidank nicht gesehen und konnte....
er Plot um die 14-jährige Tochter Paula ist natürlich auch schön anzusehen, aber der schwierige Einstieg in einer musikalischen Laufbahn und wie Musik das Leben eines jungen Menschen verändert wurde eben schön sehr häufig erzählt. Insbesondere im europäischen Kino.
...mich voll und ganz auf Paula und deren Kollision zwischen Alltag und (musikalischen) Träumen konzentrieren. Dank der wunderbaren Louane und der flotten Inszenierung spielte es für mich auch keine Rolle, das dieses Thema eigentlich ziemlich ausgelutscht ist.

Ja, das Ende war wirklich berührend. Auch wenn die Inszenierung bewusst kalkulierend auf die Gefühlte abzielte und bewusst diese Emotionen beim Zuschauer hervorrufen wollte, konnte ich mich dem auch nicht gänzlich entziehen.
Selbstverständlich war dies beabsichtigt, stand ja so im Drehbuch! :ugly: Aber ja, es ist Kalkül aber trotzdem wunderschön. Der Text von Michel Sardou passte aber auch so genial auf Paulas aktuelle Situation und vielleicht waren es eben diese lyrischen Worte, die die Inspiration für diesen Film waren
„Willkommen bei den Sch'tis“ hat mir dagegen gar nicht so gut gefallen, was aber vielleicht auch am Komödien-Typus liegen kann. Die Sch'tis sind wesentlich alberner und überdrehter und zielen mehr auf Pointen ab und bei den Bèliers ist der Humor einfach ein stetiger Begleiter der Coming-of-Age-Handlung und drängt sie nicht häufig in den Vordergrund.
Klar, die Scht'is sind wesentlich direkter und mehr eine klassische Komödie während die Bèliers wesentlich subtiler ans Werk gehen. Ich finde beide klasse und mit dem Vergleich wollte ich nur sagen, das die Franzosen schlicht und ergreifend tolle und auch erfolgreiche Komödien jedweder Couleur drehen können. Ich hätte auch Ziemlich beste Freunde oder Die fabelhafte Welt der Amélie als Beispiel anbringen können, von Tati oder Louis de Funès mal ganz zu schweigen. :)

Auf jeden Fall schön, das dir der Film auch gefallen hat. :hoch:
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