Invasion USA

Russel Faraday

Filmvisionaer
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„Invasion USA“

„Hey Chuck! Wieviele Liegestütze schaffst du?“ – „Alle.“

Weihnachten, 1985: der Terrorist von Welt ist nicht dumm und weiß, dass es zur Adventszeit am einfachsten ist, imperialistische Großmächte in ihren Grundfesten zu erschüttern und überzieht das Land deshalb zu just jenen Tagen der Besinnlichkeit und Nächstenliebe mit Angriffen auf amerikanische Werte und Institutionen: das Kaufhaus, das traute Heim oder die Mexen-Bar an der nächsten Ecke. Denn nur dort tut’s dem ehrlichen Jim und Joe (nun ja: und Miguel) richtig weh. Die Regierung scheint machtlos, das Vertrauen in die Behörden ist zerrüttet. Da hilft nur noch ein Mann: Matt Hunter. Alligatorbauer. Waldschrat. Bartträger. Mit einem bzw. zwei Worten: Chuck Norris, der mit zwei UZIs und ein paar Handgranaten in den Krieg zieht. Let’s rock!

1985 war die Actionwelt noch in Ordnung: John Rambo hatte eben erst das Vietnamdebakel in einen Sieg der Herzen verwandelt, Ronald Reagan saß im Weißen Haus und wollte sein „Star Wars“-Programm, und Chuck Norris? Nun, der war noch kein wandelnder Internet-Fakt, sondern einer von Menahem Golan selig und Yoram Globus‘ größten Stars, der jüngst mit den Action-Kloppern „Missing in Action“ und „Missing in Action II“ ordentlich Kohle in die Cannon-Kassen gespült hatte. Was lag da also näher, als Mr. Roundhouse-Kick nun gegen böse Terroristen (im O-Ton übrigens vom Russen Rostov angeführt, aus dem man in Teutonien, warum auch immer, einen gewissen Hames machte) ins Feld ziehen zu lassen? Er und sein Bruder Aaron legten am Drehbuch letzten Schliff an (hihi) und machten das Ganze zu einer bleihaltigen Ein-Mann-Show des späteren Texas Rangers.

Golan & Globus machten für Cannon-Verhältnisse sogar ordentlich Kohle locker: stattliche 6 Mio. flossen in die Produktion, das US-Militär stellte generös Mann und Material zur Verfügung, so dass man es vor allem im Finale wirklich ordentlich krachen lassen konnte. Mit dem Cannon-erfahrenen Joseph Zito nahm ein echter Routinier auf dem Regiestuhl Platz, der zwar im ersten Drittel ruhig etwas mehr auf die Tube hätte drücken können, aber die Chose insgesamt doch recht angenehm am Kacken hält, bis dann im letzten Akt die Zügel durchgehen und die Maschinengewehre und Panzerfäuste draufgehalten werden, als gäbe es kein Morgen (was ja für die Terroristen auch tatsächlich so ist :D ).

Chuck Norris bekleckert sich als Hauptrolleninhaber ebenso wenig mit Ruhm, wie er eine totale Katastrophe ist: mit nur einem Gesichtsausdruck und stets frisch gestärkten Jeanshemden, das Brusthaar ansprechend toupiert, machst du eben nie was verkehrt. Da gibt es weitaus Schlimmeres in den Annalen des Actionfilms zu ertragen. Auf der Gegenseite glänzt Narbengesicht Richard Lynch (den ich persönlich eigentlich immer gern gesehen habe) als Oberschurke Rostovhames, bei dem es lediglich etwas nervt, dass er mit seinen Genossen der Sozialistischen Volksfront etwas zu oft in der Gegend rumsteht und darüber sinniert, dass seine potentiellen Opfer doch keine Ahnung haben, in was für einer drohenden Scheiße sie bereits mit einem Bein stehen. Und er selber ihnen zeigen wird, wo Barthel den Most holt. Nun ja, zum Glück ist er Mistbock genug, den Worten stets Taten folgen zu lassen und sich überdies sofort ins Hemd zu machen, sobald er den Namen Matt Hunter auch nur von einem Floh im Hotelzimmer flüstern hört. Billy Drago, Cannon-Eigentum der frühen Stunde, schaut als ekelhafter Drogendealer kurz vorbei (und büßt linkes, rechtes Ei und Henkel ein), sonst gibt es eher wenig B-Film-Prominenz zu bewundern.

Komponist Jay Chattaway, der sich später einige „Star Trek“-Lorbeeren in diversen TV-Serien verdienen sollte, plündert freizügig seine „Missing in Action“ und „American Fighter“-Bibliotheken und trifft damit eigentlich immer ins Schwarze.

Sieht man von seiner absoluten Blödigkeit einmal ab, macht „Invasion USA“ eigentlich gar nicht so viel falsch. Zumal der Plan der Terroristen, Chaos und Panik im Land zu schüren, so dämlich nun auch wieder nicht ist. Vielleicht ein wenig aufwendig, da wir heute, leider, wissen, dass es nur zwei Flugzeuge braucht, um die Welt in ein ohnmächtiges Durcheinander zu stürzen, aber im Kern durchaus nachvollziehbar.

Matt Hunters Quasi-Alleingang gegen eine Hundertschaft an Söldnern und böse Buben im allgemeinen ist natürlich totaler Schwachfug, sein Auftauchen immer da, wo gerade die Kacke am Dampfen ist, grenzt an Hellseherei, aber in sich funktioniert das recht gut und macht, was mir persönlich bei einem solchen Film stets am wichtigsten ist, irre viel Spaß. „Invasion USA“ ist eben eine Spaßbombe ohne Ende.

Okay, meist eher auf unfreiwillig komischer Basis, aber immerhin. So manch späterer, größerer, besser rezensierter Actionfilm (die Kritiken seinerzeit waren, gelinde gesagt, eine Katastrophe) kann sich da eine Scheibe von abschneiden. Von aktuellen Intentionen, einer Hauptfigur mindestens drei Kindheitstraumata, eine tödliche Krankheit und noch einen Arschvoll an Familien-/Beziehungsproblemen mit auf den Weg zu geben, ganz zu schweigen: Matt Hunter ist einfach da und hat keine andere Funktion, als ordentlich Ärsche zu treten, wenn ihm etwas nicht passt. Ende.

Fragen/Gedanken bleiben dennoch offen, die ich zusammen mit meiner Frau, mit der die Sichtung am Wochenende erfolgte, dieserart zusammengetragen habe:

1) Taschen. Gewaltige Taschen. Schaut euch den Film mal an und achtet auf Hosen- und Jackentaschen aller Beteiligten. Die sind gewaaaaaltig groß, wenn man bedenkt, was da alles untergebracht werden muss: riesige Telefone, enorme Sprengzünder, noch enormere Funkgeräte usw. usf. Das ist bemerkenswert.
2) Woher hat olle Chuck immer die blitzeblank sauberen Hemden? Er hat in seiner Bruchbude nichtmal fließend Wasser, von Strom ganz zu schweigen. Wer also bügelt ihm die Klamotten? Oder könnt ihr ihn euch in einem Waschsalon vorstellen, wie er Münzen einwirft und darauf wartet, dass der Schonwaschgang, damit die Hemden nicht auf des Chucks zarter Haut kratzen, fertig ist?
3) Masterplan. Kurz vor dem Finale arbeitet Chuck dem CIA-Typen (der übrigens, ebenso wie die handlungsirrelevante Journalistin, urplötzlich komplett aus dem Film verschwindet) ein paar A4-Seiten zu, auf denen er seinen großen „So kriegen wir die Bande am Arsch“-Plan formuliert. Mal ernsthaft: wann hat er Zeit gefunden, diesen aufzuschreiben? Hat er ein paar Skizzen dazu gemacht? Könnt ihr euch vorstellen, wie Chuck mit ein paar Öko-Buntstiften an einem Tischchen sitzt und in einfachen Chuck-Worten formuliert, was der CIA-Typ für ihn organisieren soll? Macht er dabei Explosionsgeräusche mit den Lippen und freut sich schonmal diebisch im Voraus, wenn er was in die Luft sprengen wird?
4) Wie konnte anno 1985 irgendwer ohne Handy und Internet überleben?

Gesamtfazit: „Invasion USA“ ist einer der blödesten Actionfilme überhaupt. Er ist auch einer der unterhaltsamsten, spaßigsten, geilsten, der mit gutem Tempo, ordentlichem Bleigewitter und viel Pyrotechnik aufwarten kann. Und natürlich mit Chuck Norris. Damit hast du schon die halbe Miete.

„Chuck Norris hat bis unendlich gezählt – zweimal.“
 
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