A World Beyond

Willy Wonka

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A World Beyond


Brad Birds zweiter Realfilm nach dem leider etwas enttäuschenden „Mission Impossible 4“ kann leider auch nicht an die frühere Qualität von Birds Animationsarbeiten anschließen, obwohl die Optik des Films durch die leuchtenden Farben und das fantasievolle Setting in der Welt von Tomorrowland seine Vorliebe für Animation zum Vorschein bringen. Der kindliche Abenteuerfilm versucht alles daran zu setzen, Kindern, aber auch Erwachsenen, wieder den Moment des Staunens, den Zustand des Fasziniert-Seins näher zu bringen. Das offenbart sich vor allem in den langen Einstellungen in in der fantasievollen Welt von Tomorrowland, wo die Kamera analog zum kindlichen Blick alles auf einmal aufsaugen möchte und sich scheinbar gar nicht entscheiden kann, wo sie zuerst hinschauen soll. Tomorrowland: das ist der Entwurf einer Zukunftsutopie aus kindlicher Sicht. Wenn Nimmerland die Vergangenheit repräsentiert, dann steht Tomorrowland sozusagen für die Zukunft.

Nur währt der Zustand des Staunens nicht ewig und irgendwann kommt man wieder auf den Boden der Tatsachen, wo die Geschichte und vor allem die Idee mit einem gesunden Menschenverstand betrachtet wird. Das bricht dem Film dann vor allem gen Ende das sprichwörtliche Genick. Bei dem hohen Tempo, den vielen Ortswechseln und den beiden unterschiedlichen Erzählperspektiven reißt der Film viele Ideen nur an, formuliert sie nicht aus und denkt sie nicht zu Ende. Viele Hintergründe bleiben unklar, sodass daraus Kontextfehler entstehen, die bei genauerer Betrachtung auch zu Logiklöchern mutieren. So wird zwar erklärt, was Tomorrowland ist, aber nicht wie es entstanden/entdeckt worden ist. Die Motivation des Schurken bleibt schwammig und selbst die Motivation der Hauptprotagonisten Tomorrowland zu retten, bleibt im Film meines Erachtens nebulös. Viel genauer möchte ich an dieser Stelle gar nicht auf die Dinge eingehen, da ich ansonsten zu viel vom Inhalt des Films vorwegnehme. Denn genau dieses „Nichtwissen“ in Bezug auf den Plot des Films hat für mich die Sichtung unterhaltsam gestaltet*. Zwar ist man durch unzählige Filme mit diversen Erzählmustern vertraut und in dieser Hinsicht bietet „A World Beyond“ auch nichts Neues, aber zumindest Abwechslung. Ich war jedenfalls während des Films gespannt, wohin die Reise gehen wird und welche Themen als nächstes angerissen werden.

Als Science-Fiction-Freund wird man zweifelsfrei viele Elemente und Motive aus anderen Filmen erkennen und viele Referenzen sind auch deutlich als solche wahrzunehmen. Dass viele aktuelle Filme – vor allem Filme aus dem CGI-Animationsfilm – regelrecht mit Reminiszenzen überzogen werden und die Zitate als solche immer deutlicher gekennzeichnet werden, scheint Brad Bird in „A World Beyond“ mit einer Sequenz in einem Geschäft für Merchandising und Fan-Artikeln beinahe ins Groteske zu überzeichnen. Hier wimmelt es nur so von populären Symbolen, Marken und ganz allgemein gesprochen von populärkulturell konnotierten Zeichen. Alles lässt sich gar nicht mit den Augen aufnehmen und dem entsprechendem Kontext zuordnen, aber für eine spätere Sichtung im Heimkino gäbe es durch die Pausentaste die Möglichkeit, das Bild einzufrieren, um sich auf diese Weise an all dem zu ergötzen. Aber spätestens dann - bei der Inflation der Zeichen und der Reminiszenzen – sollte deutlich werden, dass nicht die Quantität die entscheidende Größe ist. Abgesehen von dieser Sequenz bietet „A World Beyond“ dennoch - sowohl aus quantitativer als auch aus qualitativer Sicht - genug Referenzen an andere Geschichten und Filme. „Terminator“, „Matrix“ einerseits und Disney andererseits treten wohl am deutlichsten zutage, aber darüber hinaus scheinen die Drehbuchautoren auch von wesentlich älteren Werken inspiriert und beeinflusst worden zu sein; im Allgemeinen von den Werken Jule Vernes und im Speziellen von Chris Marker's bekannten Photoroman „La Jeteé“.

Viel lässt sich noch zu den Kontexten des Films und auch der Produktion schreiben. Vor allem zur Einordnung des Films in Disneys mittlerweile seit einigen Jahren bestehenden Agenda zu den Wurzeln des Disney-Images zurückzukehren, indem eine klassische Geschichte (hauptsächlich Märchen und Kinderbücher) in einer synthetisierten Form aus Real- und CGI-Animationfilm erzählt werden. Doch diese Interpretationen versprechen größeren Erfolg, wenn eine größere zeitliche Distanz zwischen dem zu interpretierenden Werk und Interpretation selbst liegen. So bleibt zum Schluss zu sagen, dass „A World Beyond“ zwar durchaus ambitioniert ist, zum Teil einen tollen und zurückhaltenden Humor hat, aber sich im Großen und Ganzen zu oberflächlich anfühlt. Wohlgemerkt ist das das Fazit eines Erwachsenen. Kindern werden den Film mit ganz anderen Augen sehen und vielleicht auch von dem audiovisuellen Abenteuer mehr profitieren als Erwachsene.

* Ich habe nur 1-2 Mal den Trailer gesehen und war dementsprechend in Bezug auf den Inhalt des Films vollkommen unwissend und unvoreingenommen.
 
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Count Dooku

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Das bricht dem Film dann vor allem gen Ende das sprichwörtliche Genick. Bei dem hohen Tempo, den vielen Ortswechseln und den beiden unterschiedlichen Erzählperspektiven reißt der Film viele Ideen nur an, formuliert sie nicht aus und denkt sie nicht zu Ende. Viele Hintergründe bleiben unklar, sodass daraus Kontextfehler entstehen, die bei genauerer Betrachtung auch zu Logiklöchern mutieren.

Klingt imo nach einem typischen Script von Damon Lindeloff.

Ich hab den Film aufgrund des Disney-Boykotts in meiner Region nicht sehen können. War mir auch nicht sicher, ob ich dafür ins Kino gegangen wäre, da die Trailer mich überhaupt nicht angesprochen haben.
 

Willy Wonka

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Klingt imo nach einem typischen Script von Damon Lindeloff.

Ich weiß was du meinst und in diversen Foren oder Fan-Gruppen kommen die Arbeiten von Lindelof ja auch nicht so gut an. Bislang haben mir die meisten Filme und Serien, woran er gearbeitet hat, gefallen, was aber gar nicht unbedingt am Plot oder Dramaturgie lag, sondern vielmehr an der Inszenierung. „World War Z" ist für mich ein herausragender und ziemlich spannender Katastrophenfilm und „Prometheus" ist von der Inszenierung und dem Design absolut erstklassig und hat mir einer der immersivsten 3D-Erlebnisse beschert. Vielleicht sind deswegen die Makel am Drehbuch bei mir nichts in Gewicht gefallen.

Da Lindelof auch meist mit anderen Drehbuchautoren zusammen arbeitet, stellt sich auch die Frage, für was und für viel Lindelof schlussendlich verantwortlich ist.
 
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Louis Cyphre

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Was soll immersivsten bedeuten ?
Selbst Google wusste es nicht.
Ist das so was wie intensivsten ?
 

Count Dooku

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Da Lindelof auch meist mit anderen Drehbuchautoren zusammen arbeitet, stellt sich auch die Frage, für was und für viel Lindelof schlussendlich verantwortlich ist.

Kommt immer drauf an, ob er die finale Drehbuchfassung geschrieben hat wie z. B. bei Prometheus oder nur Teile umgeschrieben wie bei "Word War Z".
"Lost", "Prometheus" oder "Star Trek Into Darkness" haben imo eine Gemeinsamkeit: Es werden spannende Fragen gestellt, aber die Antworten sind nicht sehr zufriedenstellend.
 

Willy Wonka

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Was soll immersivsten bedeuten ?
Selbst Google wusste es nicht.
Ist das so was wie intensivsten ?

Kommt von immersiv bzw. Immersion und bedeutet „eintauchen". Das Wort wird in diversen Kontexten verwendet und auf den Film übertragen, bedeutet es das Eintauchen in eine künstliche Welt durch Auflösung der räumlichen Grenzen. Mit den räumlichen Grenzen war damals - also um 1938 - der Unterschied zwischen Film und Theater gemeint. Heute spricht man wieder vermehrt von Immersion, da durch die 3D-Technik und Dolby Atmos die Bestrebungen deutlicher werden, dass der Zuschauer durch die audiovisuelle Räumlichkeit noch mehr im Film „eintauchen" kann und seine Umwelt komplett vergisst.
 

Tarantino1980

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Eine sehr tolle und vorallem absolut zutreffende Kritik zu diesem Film Willy :hoch:. Ich hatte es leider nicht ins Kino geschafft damals. Ich bin mir sicher, das visuell der Film auf einer großen Leinwand nochmal etwas mehr her macht. Ich habe ihn mir kürzlich via Amazon Instant Video angesehen. Leider war an dem Tag das Internet wohl etwas lahm bei uns in der Gegegend, so das stellenweise der HD Genuss doch sehr getrübt war. Daher werde ich mir diesen Film umbedingt, natürlich einen Nice Price vorrausgesetzt, auf Blu-ray anschaffen weil ich ihn visuell wirklich sehr gut fand. Aber nun zum Inhalt und zu meinen Eindrücken.

Als ich das erste mal den Trailer im Kino gesehen hatte wusste ich das ich diesen Film sehen musste. Visuell konnte man aus dem Trailer ja schon erkennen das man einiges geboten bekommt.

..obwohl die Optik des Films durch die leuchtenden Farben und das fantasievolle Setting in der Welt von Tomorrowland seine Vorliebe für Animation zum Vorschein bringen. Der kindliche Abenteuerfilm versucht alles daran zu setzen, Kindern, aber auch Erwachsenen, wieder den Moment des Staunens, den Zustand des Fasziniert-Seins näher zu bringen. Das offenbart sich vor allem in den langen Einstellungen in in der fantasievollen Welt von Tomorrowland, wo die Kamera analog zum kindlichen Blick alles auf einmal aufsaugen möchte und sich scheinbar gar nicht entscheiden kann, wo sie zuerst hinschauen soll. Tomorrowland: das ist der Entwurf einer Zukunftsutopie aus kindlicher Sicht. Wenn Nimmerland die Vergangenheit repräsentiert, dann steht Tomorrowland sozusagen für die Zukunft.


Das hast Du wirklich perfekt zusammen gefasst. Die Vision von Tomorrowland ist wirklich gigantisch, zeigt aber deutlich eine Vision aus Kinderaugen was ich sehr spannend fand. Zum einen fühlte man sich etwas erschlagen von all dem was man dort zu Gesicht bekam, aber zum anderen waren die Kamerafahrten so schön langsam und alles wurde perfekt in Szene gesetzt, so dass man als Zuschauer genügend Zeit hatte zum staunen.

Leider hat der Film nicht nur Licht zu bieten, sondern auch einiges an Schatten.


Nur währt der Zustand des Staunens nicht ewig und irgendwann kommt man wieder auf den Boden der Tatsachen, wo die Geschichte und vor allem die Idee mit einem gesunden Menschenverstand betrachtet wird. Das bricht dem Film dann vor allem gen Ende das sprichwörtliche Genick. Bei dem hohen Tempo, den vielen Ortswechseln und den beiden unterschiedlichen Erzählperspektiven reißt der Film viele Ideen nur an, formuliert sie nicht aus und denkt sie nicht zu Ende. Viele Hintergründe bleiben unklar, sodass daraus Kontextfehler entstehen, die bei genauerer Betrachtung auch zu Logiklöchern mutieren. So wird zwar erklärt, was Tomorrowland ist, aber nicht wie es entstanden/entdeckt worden ist. Die Motivation des Schurken bleibt schwammig und selbst die Motivation der Hauptprotagonisten Tomorrowland zu retten, bleibt im Film meines Erachtens nebulös.

Das ist definitiv der größte Kritikpunkt am ganzen Film, die Story. Die Grundidee ist phantastisch! Man hätte jedoch zum einen, um alles ausführlich und plausibel dem Zuschauer zu erzählen, den Film mindestens gute 30 - 40 Minuten länger machen müssen und zum anderen, wie Du so schön beschrieben hast, sich vielleicht auf eine Erzählperspektive einigen müssen und vielleicht sogar die ein odere andere Idee streichen müssen, um das Gesamtbild dem Zuschauer besser zu vermitteln. Gerade die Hintergründe zu Tomorrowland, also wie es entstanden und zum ersten mal von einem Menschen entdeckt worden ist, hätten mich noch sehr interessiert.

So bleibt zum Schluss zu sagen, dass „A World Beyond“ zwar durchaus ambitioniert ist, zum Teil einen tollen und zurückhaltenden Humor hat, aber sich im Großen und Ganzen zu oberflächlich anfühlt. Wohlgemerkt ist das das Fazit eines Erwachsenen. Kindern werden den Film mit ganz anderen Augen sehen und vielleicht auch von dem audiovisuellen Abenteuer mehr profitieren als Erwachsene

Auch hier kann ich mich Dir nur anschließen. Ich kann nicht einschätzen wie ich diesen Film bewertet hätte, wenn ich ihn im alter von 10 Jahren gesehen hätte. Aber auch aus erwachsener Sicht gab es sehr viel "Eye Candy" was für mich den Film durchaus sehenswert macht.

Weiß man eigentlich aus Sicht des Studios und aus Sicht von Brad Bird welche Zielgruppe man mit dem Film erreichen wollte? Ich meine wollte man überhaupt den Spagat zwischen Erwachsehenunterhaltung und einem Kinderfilm schaffen oder war er eher für ein deutlich jüngeres Pubikum konzipiert?

Ach ja und ich denke einer der Gründe warum mir der Film auch gefallen hat war die Tatsache das Damon Lindelof sehr an dieser Produktion beteiligt war. Ich mag den Kerl irgendwie. Seine Mitarbeiter in TV Serien fand ich schon immer sehr interessant aber auch seine Kinoprojekte gefallen mir. Ich würde jetzt nicht behaupten das dieser Mann ein Genie ist, jedoch gefallen mir seine Ideen und ich glaube schon, das er in den Projekten wo er beteiligt ist immer einen großen Kreativen Anteil mit zusteuert.


 

Count Dooku

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Ich habe mir jetzt den Film dochmal komplett angeschaut. Er wird zwar nach den ersten zähen 30 Minuten mal besser aber immer noch nicht überwältigend.
Zum einem fehlte mir in diesem Film diese Lockerheit die Bird z. B. noch bei "M:I 4" hatte.
Zum anderen ist die Story ziemlich schwach.
Viele Elemente machen imo keinen Sinn. So ist z. B. der Pin lebensgefährlich, Casey hätte sich beim Treppensturz sonst was brechen können. Wer weiß wieviele der Kandidaten von Autos überfahren wurden. :D
Auch hab ich nicht verstanden, warum es in Tomorrowland eine Regierung gibt, wenn doch die Welt mit der Absicht geschaffen wurde eine Welt ohne Regierungen zu schaffen.
Die von Hugh Laurie gespielte Figur von Nix hat imo zu wenig Screentime.
Am schlimmsten fand ich aber, dass "Tomorrowland" gar nicht richtig zu sehen war. Man sieht es entweder in den Rückblenden von Frank oder in diesem Werbepin, aber wenn die Figuren wirklich dort angekommen sind, sieht man nur eine menschenleere Stadt.
Der Plan am Schluss fand ich aber auch fragwürdig: Man sucht auf der Erde nach Leuten mit Potential und bringt sie nach Tomorrowland. Und auf der Erde bleiben nur die zurück, die die Erde bald in die Luft sprengen. :confused:

Von den Darstellern fand ich Britt Robertson und Raffey Cassidy ganz gut, Clooney war solide und Hugh Laurie unterbeschäftigt.
Die Effekte waren ganz gut aber nicht atemberaubend.
Der Score von Michael Giacchino war sehr gut und versprühte mehr Charme als die dazu gehörenden Bilder.
 
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