Mr. Turner - Meister des Lichts

Die wilde 13

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Mr. Turner - Meister des Lichts


Joseph Mallord William Turner (1775 - 1851) wird im allgemeinen als "Meister des Lichts" bezeichnet. Eine Wertschätzung, die er absolut verdient hat. Seine Aquarelle und Ölgemälde drangen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert in eine neue Ära der (Landschafts)Malerei ein und nicht von ungefähr wird er neben Francisco Goya als Wegbereiter der Moderne bezeichnet. Seine Umgang mit den natürlichen Lichtverhältnissen kombiniert mit wunderbaren Momentaufnahmen zwischen Natur und Mensch hat was magisches an sich. Und es ist genau diese Magie, die Mike Leigh, in seinem Porträt des britischen Künstlers, versucht einzufangen und zu dokumentieren.

Und dieser Versuch ist durchaus gelungen. Mit Hilfe seines Kameramanns Dick Pope gelingen Leigh Bilder, über die sich auch ein William Turner bestimmt gefreut hätte, auch wenn er es bestimmt nicht gezeigt hätte. Denn Turner (Timothy Spall) war ein eigenbrötlerischer, ja ein unsympathischer Zeitgenosse und im Umgang mit seinen Mitmenschen nicht gerade ein Vorzeigetyp. Ganz im Gegenteil. Ob es der Tod seiner jüngeren Tochter, die (finanziellen) Nöte seiner Malerkollegen oder andere emotionale Ereignisse sind, es prallt alles an seinem sturen Dickschädel ab. Einzig zu seinem Vater (Paul Jesson), der ihn schon in seiner Jugend förderte, und u.a. in seinem Friseursalon die Bilder seines Filius ausstellte, hat er eine innige Bindung und dessen Tod macht ihn merklich zu schaffen. Eine ähnliche Nähe zu ihm erlangt nur seine spätere Lebensgefährtin Sophia Booth (Marion Bailey). Eine recht merkwürdige und schroffe Beziehung pflegt er zu seiner langjährigen Haushälterin Hanah Danby (Dorothy Atkinson), die ihm in allen Lebenslagen gütig zur Verfügung steht und doch nur stets respektvolle Missachtung erntet.

All diese und weitere Episoden aus Turners letztem Lebensdrittel reiht Mike Leigh ohne erkennbaren roten Faden oder gar eines Spannungsbogen aneinander, doch Dank der fabelhaften Kamerarbeit, der extrem authentischen Settings und der durch die Bank wunderbaren Darsteller stört das überhaupt nicht. Es macht einfach Spaß, sich in dieser großartigen Bilderflut zu verlieren und Timothy Spall bei seinem aus- und eindrucksvollem Spiel zu beobachten. Da vergehen sogar die 150 Minuten Laufzeit wie im Fluge. Neben Timothy Spall muss man neben den anderen wunderbaren Darstellern vor allem aber noch Dorothy Atkinson herausstellen. Ihr Spiel ist eine grandiose Mischung aus Hoffnung, Liebe und immer wiederkehrenden Enttäuschungen.

Natürlich hätte man sich gewünscht, mehr von Turners Maltechnik oder den Geschichten hinter den Bildern zu erfahren. Doch ausser den zahlreichen Reisen durch Europa zwecks Inspiration und Studium der Elemente (er lässt sich gar an einen Schiffsmast binden, um einen Sturm auf hoher See hautnah zu erfahren) und der zur damaligen Zeit nicht einfachen Beschaffung der (Natur)Farben erfährt man recht wenig Hintergrundinformationen von seiner beeindruckenden Kunst.

Mike Leigh hat es eben vorgezogen, die Ambivalenz zwischen seiner "dunklen" Person und seiner strahlenden Kunst herauszuarbeiten. Dies gelingt ihm eindrucksvoll durch meisterhafte Bildkompositionen, die auch Turner kaum besser hinbekommen hätte.

Mr. Turner - Meister des Lichts ist keine gewöhnliche Biographie geworden, sondern ein Film, der zu einem Gemälde in Cinemascope geworden ist und dabei ebenso unkonventionell mit den Normen und Erwartungen spielt, wie Turner es selbst zeitlebens praktiziert hat.

10/10
 
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Alexboy

Filmvisionaer
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AW: Mr. Turner - Meister des Lichts

:hoch:
Dem kann ich - bis auf die Wertung - nur zustimmen!
Das Film-Gemälde hatte durchaus seine Längen und war wg. der fehlenden Struktur am Anfang doch sehr unverständlich. Trotzdem sehr empfehlenswert, aber nur für absolute Liebhaber dieser Art Unterhaltung.:bart:

7/10
 

Tarantino1980

Screenplay
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AW: Mr. Turner - Meister des Lichts

Endlich habe ich es geschafft diesen schönen Film auch einmal zu schauen. Lief die Tage auf SKY und da konnte ich, dank Deiner tollen Kritik, nicht wegsehen und musste ihn mir anschauen, was ich auch nicht bereut habe!


Und dieser Versuch ist durchaus gelungen. Mit Hilfe seines Kameramanns Dick Pope gelingen Leigh Bilder, über die sich auch ein William Turner bestimmt gefreut hätte, auch wenn er es bestimmt nicht gezeigt hätte.

Das kann ich Dir nur absolut zustimmen! Man hatte als Zuschauer häufig das Gefühl, das, Turner sich gerade in Mitten eines seiner Bilder bewegt. Viele Landschaftsaufnahmen wirkten, aus meiner Sicht, gewollt etwas künstlich dargestellt, so das man wirklich das Gefühl hätte es wäre ein Ölgemälde gewesen. Ich erinnere mich z.B. noch sehr genau an die Szene kurz nach dem Tod von Turners Vater wo er dann auf einem kleinen See mit einem Boot geangelt hat. Das sah für ich einfach nur wunderschön aus diese Bildkomposition. Und davon gab es im Film einige.

Generell haben mir auch die Settings und Kulissen sehr gefallen. Anders wie leider bei vielen häufigen historischen Filmen hatte ich hier absolut das Gefühl mich in dieser Zeitepoche zu befinden. Häufig habe ich nämlich bei dieser Art Film irgendann was Gefühl das man eben Leute in aufgebauten Studiokulissen sieht. Das war bei Mr. Turner - Meister des Lichts zu keinem Zeitpunkt der Fall. Ganz im Gegenteil man konnte sich als Zuschauer wirklich an den schönen Bildern erfreuen und somit komplett Abtauchen in diese Welt.

All diese und weitere Episoden aus Turners letztem Lebensdrittel reiht Mike Leigh ohne erkennbaren roten Faden oder gar eines Spannungsbogen aneinander, doch Dank der fabelhaften Kamerarbeit, der extrem authentischen Settings und der durch die Bank wunderbaren Darsteller stört das überhaupt nicht.

Ich muss gestehen zu Anfang ging es mir auch wie Alexboy das mir die fehlende Struktur etwas Mühe bereitete in den Film einzusteigen. Zwar war ich direkt, wie bereits erwähnt, von den wunderschönen Bildkompositionen des Films begeistert, aber was die Handlung anging viel es mir zunächst schwer in den Film einzusteigen. Aber je länger ich schaute war ich froh, dass sich Mike Leigh für diese Erzählstruktur entschieden hat, eben weil es zum einen etwas neues war und man zum anderen dadurch das Gefühl hatte, lediglich ein Beobachter zu sein und nicht in die Gedankenwelt von Turner einzudringen. Häufig ist es ja so bei Biographieverfilmungen das dem Zuschauer versucht wird ein Bild über die Person zu vermitteln, also nicht nur den Menschen zu zeigen den man durch geschichtshistorische Ereignisse kennt, sondern auch die Privatverson mit seinen Beweggründen. Bei manchen mag dies auch möglich sein, weil diese Gedankenwelt durch Kontakt mit engen noch lebenden Vertrauten oder vielleicht sogar durch eine persönlich verfasste Biographie der Person möglich ist zu verfilmen. Ich bezweifele aber das es soetwas im Falle von Turner gab. Also fand ich es nur mehr als gut, dass man den Zuschauer über die Gedankenwelt von ihm vollkommen im unklaren lies, sondern ihm nur Erlebnisse präsentierte und man sich somit sein eigenes Bild über die Person Joseph Mallord William Turner bilden konnte.

Ich fand es auch sehr gut, dass man sich für sein letztes Lebensdrittel entschieden hat, also man keine Verfilmung von Geburt bis zum Tod gemacht hat. Denn dann hätte der Film mindestens 6 Stunden Laufzeit haben müssen um dem gerecht zu werden, was natürlich nicht der Fall gewesen wäre. Also hätte man als Zuschauer irgendwo das Gefühl bekommen das man gehetzt irgendwelche Ereignisse runterspielt nur um sie auf einer Liste abzuhaken. Und genau dies hat der Film nicht gemacht. Es wurde sich Zeit gelassen, man bekam in einer wundervollen ruhigen Atmosphäre wirklich schöne Einzelepisoden aus dem Leben eines Künstlers dargeboten.

Ich weiß nicht ob es mir nur so geht, aber was mich häufig bei Biographieverfilmungen stört ist entweder eine Off-Stimme der Person, oder eine Erzählstruktur in dem wichtige Meilensteine im Leben der Person von anderen mitwirkenden in irgendeiner Weise kommentiert werden, so dass der letzte Zuschauer kapiert das diese Szene gerade das Ereignis aus dem Leben der Person wiederspiegeln soll. Sowas stört mich immer sehr in solchen Verfilmungen. Das war aber bei Mr. Turner - Meister des Lichts definitiv nicht der Fall, was ich auch als sehr positiv empfang.

Natürlich hätte man sich gewünscht, mehr von Turners Maltechnik oder den Geschichten hinter den Bildern zu erfahren. Doch ausser den zahlreichen Reisen durch Europa zwecks Inspiration und Studium der Elemente (er lässt sich gar an einen Schiffsmast binden, um einen Sturm auf hoher See hautnah zu erfahren) und der zur damaligen Zeit nicht einfachen Beschaffung der (Natur)Farben erfährt man recht wenig Hintergrundinformationen von seiner beeindruckenden Kunst.

Ich denke über Turners Maltechnik hätte man natürlich noch etwas mehr erfahren können, aber das hätte auch wieder dazu geführt, das irgendjemand diese dem Zuschauer erklärt, den es wäre unrealistisch gewesen, hätte Turner selbst im Film diese einem interessierten erklärt. Ich denke jeder Künstler hat so seine Tricks und Kniffe die er ungern verrät. Ich fand daher die Szenen viel eindrucksvoller wo er z.B. ein wunderschönes Bild erstmal, so denkt man jedenfalls, mit Setzung eines roten Punktes total verunstalltet und sich ja auch alle darüber aufregen. Aber anstatt es damit zu zerstören, hat er zum einen eine große Aufmerksamkeit bekommen und zum anderen mit einem sehr kleinen Aufwand den Leuten etwas von seinem Talent gezeigt in dem er mit wenigen Handgriffen eine Schiffsboje daraus machte. Das fand ich sehr beeindruckend inszeniert.

Was die Geschichten hinter den Bildern angeht, so finde ich hat man stellenweise sehr wohl mitbekommen wodurch er inspieriert wurde. Es wurde zwar nicht groß immer angesprochen, aber ich fand es sehr schön wie man sah wie manche realen Bilder ihn inspieriert haben. Das Bild mit der Eisenbahn, oder das Schiffsbild, oder eben das von Dir erwähnte Sturmbild. Ich denke viel mehr Hintergrund hätte man auch nicht verfilmen können, da dazu Turner selbst hätte erklären müssen was er sich bei diesem Bild gedacht hat bzw. warum er sich gerade für dieses Motiv entschieden hat.

Generell hat mir der Film sehr gut gefallen.

Wertung: 8.5/10
 
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AW: Mr. Turner - Meister des Lichts

Es freut mich ungemein, das dir der Film so gefallen hat. :)

Aber je länger ich schaute war ich froh, dass sich Mike Leigh für diese Erzählstruktur entschieden hat, eben weil es zum einen etwas neues war und man zum anderen dadurch das Gefühl hatte, lediglich ein Beobachter zu sein und nicht in die Gedankenwelt von Turner einzudringen.

Neben den fantastischen Bildern, den Darstellern und der Authentizität ist dies ein weiterer wichtiger Aspekt. Man ist wirklich nur Beobachter in eine Welt, die uns heute so fremd und doch faszinierend vorkommt. Dazu dieser komplexe Charakter von Turner. Ich hätte gerne noch mehr davon gesehen und Mäuschen gespielt. Die Laufzeit empfand ich als noch zu kurz. Kommt wohl auch daher, das ich den Film im Kino genießen durfte, wo vor allem die Bildkompositionen ihre ganze Pracht entfaltet haben.
 
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