Quills - Macht der Besessenheit

Die wilde 13

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Quills - Macht der Besessenheit


Frankreich zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Der Marquis de Sade (Geoffrey Rush) sitzt dank seiner Frau im Irrenhaus von Charenton ein und geniesst die Freiheiten, die ihm der Leiter der Institution, Abbe du Colmier (Joaquin Phoenix) gewährt.
So bring er ungeniert seine Phantasien zu Papier und kann sie mit der Hilfe der Magd Madeleine (Kate Winslet) auch unters Volk bringen. Dies zieht Konsequenzen in Form des in seinen Mitteln nicht zimperlichen Psychiaters Dr. Royer-Collard (Michael Caine) nach sich, der auf Geheiß Napoleons weitere Skandale verhindern soll...

Wer auf eine historisch korrekte Handlung wert legt und eine (Teil)Biographie de Sades erwartet, ist hier fehl am Platz, zumindest was den Inhalt betrifft. In Optik und Ausstattung schwelgt der Film hingegen sowohl im Prunk als auch im Elend der damaligen Epoche. Alleine die herrlich schwarzhumorige Anfangssequenz macht deutlich, wohin hier die Reise geht. Mit viel Witz, Sarkasmus und entwaffnender Ehrlichkeit entlarven Regisseur Philip Kaufman und Drehbuchautor Doug Wright die Scheinheiligkeit der damaligen Gesellschaft, die bis in unsere Tage anhält. Themen wie Sexualität, freie Meinungsäußerung, Toleranz und Zensur beschäftigen uns noch heute jeden Tag aufs Neue.

Die größte Stärke von Quills sind aber die durchweg brillanten Darsteller. Angefangen bei einem sich die Seele aus dem Leib spielenden Geoffry Rush, bei dem man in jeder Szene seine inneren Dämonen fast körperlich zu spüren bekommt, von einer fasziniert-verwirrten Kate Winslet, die sich zwischen der Bewunderung zum Marquis und der harten Realität entscheiden muss und dabei ihre eigenes Verlangen vernachlässigt, über dem stoisch seinen eigenen Prinzipien befolgenden Michael Caine, der hier mal seine Boshaftigkeit wunderbar zur Entfaltung bringen darf bis hin zu Joaquin Phoenix, der sowohl an seinen liberalen Werten als auch an seinem Glauben zu Zerbrechen droht. Alle vier liefern hier eine Demonstration ihres wunderbaren Könnens ab und das macht das im Grunde schwere Thema des Films zu einem kurzweiligen Vergnügen. Auch die Nebendarsteller, hier vor allem die weiteren Insassen von Charenton, sind vorzüglich besetzt und versetzten einen immer wieder ins Staunen. In der Rolle als (sexuell) unterdrückte Frau des Doktors fiel mir auch die süße Amelia Warner sehr positiv auf, die aber leider in der Versenkung verschwunden ist. Schade.

Quills ist ein mitunter verstörendes Psychogramm eines Mannes, der an die Grenzen ging bzw. sie gar überschritt. Wo diese Grenzen jedoch liegen, das muss damals wie heute jeder für sich selber entscheiden.

9/10
 

crizzero

Filmvisionaer
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Tolle Kritik, Erpel! :)

"Quills" ist einer der vielen ungesehenen Filme in meinem Regal. Werde den aber irgendwann noch nachholen. Hört ja schonmal richtig gut, was mich da erwartet. :hoch:
 
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