Plötzlich im letzten Sommer

Die wilde 13

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AW: Plötzlich im letzten Sommer

Plötzlich im letzten Sommer


An der, laut ihrer exzentrischen Tante Violet Venable (Katharine Hepburn), wahnsinnig gewordenen Catherine Holly (Elizabeth Taylor) soll eine Lobotomie vom Spezialisten Dr. Cukrowicz (Montgomery Clift) vorgenommen werden. Dem Arzt kommen aber Zweifel an dem Eingriff, als er immer mehr über die dubiosen Familienverhältnisse erfährt...


Völlig unvoreingenommen ging ich an den Film heran. Weder Story noch andere Hintergründe waren mir bis gestern bekannt, nur das alte Kinoplakat mit einer wunderschönen Liz Taylor in einen weißen Badeanzug am Strand verschönert seit einiger Zeit mein DVD-Regal.

Umso mehr wurde ich völlig baff in diese Geschichte voller Andeutungen über die teilweise niedersten Instinkte des Menschen hineingezogen. Wie gebannt lauschte ich den mitunter sehr langen Dia- und Monologen einer fulminanten Darstellerriege (Clift kann jedoch gegen Taylor und Hepburn nicht im geringsten mithalten). Das muss man auch, denn das es ein verfilmtes Bühnenstück von Tennessee Williams merkt man dem Film schon an, denn er hat nur drei Handlungsorte, wenn man die Rückblenden am Schluss außen vor lässt. Jedes Wort, jedes Zucken der Augen kann ein Hinweis sein auf die mysteriösen Dinge, die einer Aufklärung bedürfen. Wer spielt falsch, wer ist das Opfer in dieser Familientragödie? Was ist überhaupt passiert?

Die Auflösung ist zutiefst schockierend und lässt einem das Blut in den Adern gefrieren. Was dieser in s/w gedrehte Psychothriller 1960 bewirkt haben muss, kann man heute nur erahnen. Der Schock muss gewaltig gewesen sein, denn wie sonst ist es zu erklären, das dieses Meisterwerk so unter den Teppich gekehrt wird und heutzutage kaum Erwähnung findet? Oder hatte ich die letzten Jahre Scheuklappen auf, das dieser perfide Film völlig an mir vorbeigegangen ist?

Ansehen und mitfiebern!

9,5/10
 

Russel Faraday

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Hui, eine sehr verwaiste KK zu einer Tennessee-Williams-Verfilmung, wie ich sie per se eigentlich mag.

So richtig warm wurde ich allerdings nie mit dem, was plötzlich im letzten Sommer geschehen ist. Aufgrund des noch gültigen Hays-Codes mußte der Film seine Botschaften freilich ordentlich verschlüsselt rüberbringen, was im Klartext bedeutet: "Sagt bloß nicht, daß Sebastian schwul war! Aber es ist okay, wenn er zerfetzt und aufgefressen wird." Amis halt. Aus diesem Grund wirken Violettes Bemühungen, die Homosexualität ihres Vorzeigesohnemanns unter allen Umständen zu verbergen, reichlich überzogen, zumal sie ohne mit der Wimper zu zucken, Catherines psychisches und physisches Wohl massiv gefährdet, aus heutiger Sicht, komplett daneben. Na und? War er halt schwul.

Aber wir schreiben 1937 bzw. 1960, und da war da ein großes Ding.

Die Darsteller sind in der Tat superb, besonders die Taylor spielt sich im Finale die Seele aus dem Leib. Montgomery Clift, von Elizabeth Taylor höchstselbst für die Rolle des Arztes ins Rennen gebracht, hatte während des Drehs gegen seine Drogen- und Alkoholsucht zu kämpfen und konnte sich kaum seine Texte merken, weshalb seine Szenen nur stückchenweise gedreht wurden, während Liesl und Katherine Hepburn (Meta: in "Vater der Braut" spielte Elizabeth Taylor Spencer Tracys Tochter, im "Sommer" nunmehr Katherine Hepburns Nichte - ich glaube, mein Gehirn explodiert gerade) im Akkord arbeiteten. Das merkt man dem fertigen Film leider auch irgendwie an, auch wenn die Szenen im Dschungelgartenhäuschen und die spitzen Dialoge zwischen ihm und der Hepburn überragend sind.

Für eine Einstieg ins Tennessee-Williams Film-Genre würde ich "Plötzlich im letzten Sommer" nicht empfehlen. Da sind "Endstation Sehnsucht", "Die Katze auf dem heißen Blechdach" und der völlig zu Unrecht in Vergessenheit geratene "Mann in der Schlangenhaut" deutlich besser geeignet.
 
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