J. Edgar

Vince

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Gesamtübersicht aller Kritiken zu J. Edgar:

#02 11.07.2012 Vince
 

Vince

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AW: J. Edgar

J. Edgar
Clint Eastwoods Portrait des Mannes, der das FBI über fünf Dekaden prägte, ist erwartungsgemäß kein konstruiertes Kunstprodukt geworden wie zuletzt "The Iron Lady". Nur scheinbar beliebig, tatsächlich aber mit scharfem Blick zeigt der Altmeister einzelne Stationen Hoovers scheinbar wild durcheinandergemischt. Dabei muss er angesichts der langen Amtszeit des FBI-Direktors zwangsläufig wichtige Passagen streichen, schreckt davor aber auch keineswegs zurück, sondern nimmt die Herausforderung, so hat es den Anschein, sogar dankbar an.

Welche Epoche gerade abgehandelt wird, muss sich der Zuschauer anhand der Masken, die das Alter der Figuren verraten, sowie des Setdesigns und der Dialoge, selbst erschließen. Mit der Nase stößt Eastwood niemanden darauf, was er gerade erzählt. Auf diese Weise bringt er den Zuschauer dazu, die Konzentration aus eigenem Antrieb heraus hoch zu halten, so dass der Regisseur nicht dazu gezwungen ist, unnötig auf spannungsfördernde Stilmittel zurückzugreifen. Das Resultat ist ein differenzierter, komplexer Blick auf eine historische Figur im Zwiespalt zwischen dem starken, konservativen Auftreten nach außen und der gesellschaftlichen Repression privater Bedürfnisse, ohne dass aus diesem Zwiespalt ein naives Kausalverhältnis gesponnen würde. Leonardo DiCaprio entspricht dem hohen Anspruch Eastwoods mit einer facettenreichen Leistung. Nur gegen das künstlich wirkende Make Up muss er eher anspielen als dass es ihn unterstützen würde - hier wiederum hat "The Iron Lady" die Nase vorn.
8/10
 

Willy Wonka

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AW: J. Edgar

Das Resultat ist ein differenzierter, komplexer Blick auf eine historische Figur im Zwiespalt zwischen dem starken, konservativen Auftreten nach außen und der gesellschaftlichen Repression privater Bedürfnisse, ohne dass aus diesem Zwiespalt ein naives Kausalverhältnis gesponnen würde. Leonardo DiCaprio entspricht dem hohen Anspruch Eastwoods mit einer facettenreichen Leistung. Nur gegen das künstlich wirkende Make Up muss er eher anspielen als dass es ihn unterstützen würde - hier wiederum hat "The Iron Lady" die Nase vorn.
8/10

Dem Resümee kann ich mich anschließen. Da ich mit der Person des J. Edgar Hoovers vor dem Film nicht sehr vertraut war und nur einige Eckdaten kannte, vermag ich nicht über die historische Korrektheit der Darstellung urteilen, wobei manche „Mythen" über seine Persönlichkeit vermutlich sowieso nie an das Tageslicht kommen werden.

Bei Biographieverfilmungen ist oft die Gefahr, dass ein Film zu sehr einen Menschen idealisiert oder die Eigenschaften und Handlungen auffallend kategorisiert und am Ende dem Zuschauer ein festgesetztes Urteil präsentiert, aber dieses ist bei Eastwoods Film nicht der Fall. Der Zuschauer bekommt die Aufgabe selbst zu urteilen bzw. zu interpretieren, wer John Edgar Hoover war. Für mich ein faszinierendes Porträt eines der ambivalentesten Menschen des 20. Jahrhunderts.
 

Vince

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[...] vermag ich nicht über die historische Korrektheit der Darstellung urteilen, wobei manche „Mythen" über seine Persönlichkeit vermutlich sowieso nie an das Tageslicht kommen werden.

Eben. Vieles dürfte auch erfunden worden sein, da über Hoovers Privatleben meines Wissens kaum etwas bekannt war, der Film hier aber doch einige Anekdoten zu erzählen weiß. Um bedingungslose historische Korrektheit geht es Eastwood wohl auch gar nicht und das macht er auch sehr gut klar.
 

Willy Wonka

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AW: J. Edgar

Eben. Vieles dürfte auch erfunden worden sein, da über Hoovers Privatleben meines Wissens kaum etwas bekannt war, der Film hier aber doch einige Anekdoten zu erzählen weiß. Um bedingungslose historische Korrektheit geht es Eastwood wohl auch gar nicht und das macht er auch sehr gut klar.

Dennoch fühlte sich der Film ausgesprochen authentisch an und wirkte in seinen Schilderungen für mich schon fast erschreckend realistisch. Das liegt neben der Inszenierung und dem großartigen Drehbuch auch an dem intensiven Spiel der Schauspieler.
 

Vince

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Absolut richtig. Und Eastwood hat das auch einfach raus. Der Mann hat so eine Souveränität und Ruhe in seiner Inszenierungsweise, dem würde man alles abnehmen. Nach den schwächelnden "Invictus" und "Hereafter" hat er mich jedenfalls endlich mal wieder richtig überzeugt.
 

Willy Wonka

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Nach den schwächelnden "Invictus" und "Hereafter" hat er mich jedenfalls endlich mal wieder richtig überzeugt.

„Invictus" fand ich erfrischend optimistisch und sorgte für eine gelungene Abwechslung in seinem Spätwerk und „Hereafter" war vielleicht ein konstruiertes Werk, das mich aufgrund meiner Affinität zum Episodenfilm, aber auch sehr gefallen hat.
 

Vince

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Waren auch beide nicht ganz schlecht, aber irgendwie... neee da hat er bessere Filme gemacht.
 

Willy Wonka

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Waren auch beide nicht ganz schlecht, aber irgendwie... neee da hat er bessere Filme gemacht.

Im Vergleich zu manchen Regiearbeiten in den 1990er Jahren haben mir die Filme wesentlich besser gefallen, denn allein seinen Inszenierungsstil konnte er über die Jahre verfeinern und weiter entwickeln.
 

Vince

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Ist schon richtig, aber das war gerade mein Problem - von der Inszenierung her erinnerte mich gerade "Invictus" stark an Filme der Marke "Space Cowboys".
 

Frankie

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Absolut solider und sehenswerter Film von Eastwood. Er hat viele bessere gemacht, aber Bio Pics sind ja eh immer so eine Sache, da ja nur ein ganz kleiner Ausschnitt aus einen Leben gezeigt wird.

Nur gegen das künstlich wirkende Make Up muss er eher anspielen als dass es ihn unterstützen würde

Stellenweise war das Make Up wirklich furchtbar, besonders von Clyde Tolson, das wirkte schon fast lächerlich.


 

Tarantino1980

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Endlich habe ich jetzt auch einmal die Zeit gefunden diesen Thread nach meiner Sichtung durchzulesen. Eine wirklich schöne Diskussion die hier stattgefunden hat.

Ich denke auch das es nicht Clint Eastwoods Hauptinteresse war hier einen historisch korrekten Film zu drehen. Vielmehr wollte er eine Geschichte erzählen. Die Geschichte eines Mannes der in Amerika, vieleicht sogar weltweit die Ermittlungsarbeit bzw. die Verfahren revolutioniert hat. Er hat zwar gewisse Techniken und Methotiken nicht erfunden, hat sie aber aus meiner Sicht aus Ihrem Schattendasein befreit und somit der Welt bewiesen das man anhand von Spuren und Indizien Verbrecher aufspüren und entsprechend belasten kann. Aber natürlich auch die Geschichte eines Mannes der nicht nur beruflich andere Wege ging sondern auch privat, was zu seinem Zeitpunkt denke ich geselschaftlich ein absolutes Tabu-Thema war. Ich finde das hat der Film ganz gut gezeigt das er es im Prinzip nur geschafft hat so lange und so einflußreich in seinem Amt zu bleiben, eben weil er über alles Privatakten führte und niemand wusste wo er sie aufhebt und was überhaupt über wen an die Öffentlichkeit gelangen könnte, sollte man es wagen ihn seines Amtes zu entheben oder sogar ein Attentat zu planen. Ich denke das war somit ein sehr wichtiger Faktor dafür das er sein Amt und sein Leben so führen konnte wie er wollte. Natürlich gab ihm auch der Erfolg seines Schaffens recht. Aber wie erwähnt denke ich das er unter anderen Umständen es nicht so lange hätte machen dürfen bzw. machen können weil ihm viele bestimmt nicht so wohlgesonnen gewesen wären, hätte er nichts gegen sie in der Hand gehabt, bzw. die Angst davor das er etwas gegen sie in der Hand haben könnte.

Ich habe lange überlegt warum der Film bei mir nicht so gezündet hat wie ich es mir erhofft habe. Ich denke dies kann ich nun an zwei Faktoren ausmachen. Zum einen hat es mich bei diesem Film etwas gestört das die Geschichte nicht linear erzählt wurde. Es gibt Filme da mag ich diesen Erzählstil, aber gerade bei Biographien bzw. Filmen mit historischen Hintergrund mag ich es persönlich lieber wenn man die Geschichte ind er chronologisch richtigen Reihenfolge erzählt bekommt. Wo wir auch schon beim zweiten kleinen Kritikpunkt wären. Ich hatte mir offenbar etwas mehr über das genaue Schaffen von Hoover gewünscht. Ein paar mehr Intriegen in denen er nur mit Informationsbeschaffung es vollbracht hat, diese Angriffe gegen ihn abzuwenden. Einfach mehr von seinem Job zu sehen, auch aus historischer Sicht. Aber wie anfangs erwähnt lag der Fokus von Eastwood da nur sekundär drauf. Es macht den Film nicht komplett schlecht, aber ich hatte einfach etwas anderes erwartet.

Hinzu kam, jetzt auch durch die Diskussion hier, das mir stellenweise das Make Up auch nicht so gefallen hatte. Man denke nur einmal an so Filme wie Der seltsame Fall des Benjamin Button in dem man einen eralterten Brad Pitt sah, was natürlich nur mit CGI möglich war. Ich denke hier wollte Eastwood eventuell auch nochmal ein Zeichen setzen, eben das man auch ohne große CGI Effekte mit "Old School" Mitteln sowas hinbekommen kann. Es hätte halt einfach besser ausgehen hätte man einen CGI gealterten Leonardo DiCaprio gesehen, anstelle einer schlecht sitzenden Maske. Aber es hat mich nicht so sehr gestört wie die beiden anderen Punkte und generell ist das alles von mir meckern auf hohem Niveau, den alles im Allen hat Clint Eastwood hier wieder einen grundsoliden Film abgeliefert!
 
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