Die Fremde

TheBjoern

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AW: Die Fremde

Die Fremde

Die Fremde in diesem Film ist eine türkische junge Frau namens Umay, die mit ihrem Sohn aus Istanbul vor ihrem Mann flieht und Schutz bei ihrer in Deutschland lebenden Familie sucht. Doch die Familienehre wurde durch diese Handlung befleckt und bald ist Umay auch in ihrem Familienkreis die Fremde.

Der Film ist ein Familienportrait über eine türkische Familie, in dem der Zuschauer mit in den engsten Kreis der Vertrautheit geführt wird. Wir sind ganz dicht an Umay und begreifen ihre Beweggründe, die sie dazu veranlasst ihren Mann in der Türkei zu verlassen und auch ihren Wunsch und ihr Bedürfnis Halt in ihrer Familie zu finden. All diese Emotionen werden hauptsächlich über die Bildsprache ausgedrückt. Die Worte, die gewechselt werden bleiben meist nur an der Oberfläche und doch erfahren wir so viel mehr.

Das besondere an dem Film ist, dass wir als Zuschauer (besonders die nichttürkischen) einen Einblick in eine traditionsbewusste türkische Familie bekommen und auch ein Stück weit ihre Position und Haltung verstehen. Oft kommt es vor, dass wir über andere Kulturen vorschnell urteilen, weil sie religiös behaftete Traditionen haben und diese nicht immer mit unseren Vorstellungen von gesellschaftlichem Miteinander im Einklang stehen. Das Verstoßen der eigenen Tochter/Schwester ist ein grausamer Akt der Familie, doch sieht man der Familie auch an, dass sie in ihren eigenen Traditionen gefangen ist und sie ebenfalls durch die Schande gesellschaftlich ausgegrenzt wird.
Der Film zeigt zum einen welch Leid dieses kulturelle Denken an die „Schande“ der Familie hervorruft und bringt zum anderen auch Verständnis für den Erhalt der Familienehre mit sich. So ist man als Zuschauer ein wenig hin und her gerissen. Man hält zwar tapfer zu Umay und teilt ihr Leid, doch möchte man auch keine klaren Schuldzuweisungen aussprechen.

Fazit:
Für gewöhnlich würde ich um solche schicksalhaften Filme, die ihr Leid aus kulturellen Diskrepanzen, wie beispielsweise „Nicht ohne meine Tochter“ oder Ähnliche einen Bogen machen, weil sie meistens Schicksale offen legen, die in dieser Form täglich passieren und einem Machtlos und depressiv zurücklassen. Aufgrund der Cineprojekt Reihe landete der Film doch in meine Sammlung, ohne mich vorher informiert zu haben. Der Film ist dabei anders geworden, als ich es erwartet hätte, sofern ich vorher die Handlung erfahren hätte. Die Inszenierung hat etwas von einem Gemälde, da oft auf erklärende Worte verzichtet wird und sich mehr einer kunstvollere Richtung widmet anstatt das Schicksal sachlich runterzuspulen wie ein typischer Fernsehfilm mit Veronica Ferres.
Ich kann eine klare Empfehlung für „Die Fremde“ aussprechen, auch wenn es jemand nach diesen Worten so ergeht wie mir und lieber einen Bogen um Filme mit einer solchen Thematik machen würde.
8/10
 

Leatherface

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AW: Die Fremde

hab den auf meiner videobuster-wunschliste. Daher hab ich die Kritik (oder ist sie spoilerfrei?) noch nicht gelesen.

Aber Sibel soll hier echt klasse sein. Mal schauen, wann der geliefert wird:)
 

TheBjoern

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hab den auf meiner videobuster-wunschliste. Daher hab ich die Kritik (oder ist sie spoilerfrei?) noch nicht gelesen.

Aber Sibel soll hier echt klasse sein. Mal schauen, wann der geliefert wird:)

Prinzipiell ist sie Spoilerfrei. Die Frage ist nur, wie weit du Spoiler definierst. Ich habe keinerlei Szenen im Detail beschrieben und auch nur die Rahmenhandlung thematisiert (was für mich zuweilen schon als Spoiler durchgeht). Aber mehr Inhalt, als auf der Verpackungsrückseite bekommst du von mir nicht. Das Ende des Filmes ist von mir ebenfalls nicht thematisiert worden.
Die KK beschreibt eher Emotionen und was der Film beim Zuschauer auslösen könnte. Das kann man als Spoiler auslegen, da ich Dir ja vorgeben würde, wie du den Film aufzunehmen hast.
Ich fände es spannender, wenn du meine KK noch nicht durchlesen würdest und deine Eindrücke anschließend mit meinen abgleichst. Vielleicht siehst du das Ganze ja ganz anders als ich.
 

Leatherface

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na gut, dann schau ich wieder rein, wenn der Film gesehen wurde:)

hat ja gar nicht so lange gedauert:D



Anfangs dachte ich, daß arte den Film in türkisch ausstrahlt. Später wurde aber auch deutsch gesprochen:D

Eine der wenigen Ausnahmen, daß deutsche Filmemacher doch in der Lage sind, gute Filme zu drehen!

Die Fremde
gutes und zugleich ruhiges Drama um die allgegenwärtige Thematik um die parallelen Strukturen muslimischer Migrantenfamilien mit einer starken Sibel Kekilli
4/5
 

Leatherface

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Ich fände es spannender, wenn du meine KK noch nicht durchlesen würdest und deine Eindrücke anschließend mit meinen abgleichst. Vielleicht siehst du das Ganze ja ganz anders als ich.

grundsätzlich sehe ich es fast genau so:)

Der Film zeigt die allgegenwärtige Thematik ohne dabei aber Partei zu ergreifen oder gar Fanatiker zu zeigen.

Allerdings sehe ich einen Teil dann doch etwas anders. Es soll keiner, egal wer er ist und egal wo er lebt, seine eigene Herkunft/Identität verleugnen. Allerdings sollte bzw. muß man sich auch anpassen. Tut oder kann man dies nicht, dann sollte man wieder da hingehen, wo man hergekommen ist.
 

TheBjoern

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Allerdings sehe ich einen Teil dann doch etwas anders. Es soll keiner, egal wer er ist und egal wo er lebt, seine eigene Herkunft/Identität verleugnen. Allerdings sollte bzw. muß man sich auch anpassen. Tut oder kann man dies nicht, dann sollte man wieder da hingehen, wo man hergekommen ist.

Ich musste doch noch mal selbst meine Kritik lesen, um zu sehen, was ich denn so geschreiben hatte. :)
Aber ich gehe mit deiner Aussage auch konform und hatte nie behauptet, dass es meine persönliche Ansicht wäre, dass das Handeln der Familie gerechtfertig wäre, bzw. die Ausgrenzung befürworten würde. Ich hatte lediglich die Perspektive der Familie durch diesen Film einnehmen können und sah eher eine Hilflosigkeit von Seiten der Familie, da sie sich auch in Deutschland von einer türkischen Kultur und Gesellschaft umgeben ist.
Ich konnte sehen wie die Familie hin und hergerissen ist zwischen der Liebe zu ihrer Tochter/Schwester und dem gesellschaftlichen Druck, den sie ausgesetzt sind.

Und ich bin auch weiterhin der Meinung, dass sich die fremden Kulturen in Deutschland soweit anpassen sollten, dass unsere Auffassung von Menschenwürde und Menschenrechten eingehalten werden. Doch der Weg dort hin ist schwierig und die Schwierigkeiten werden in diesem Film sehr gut dargestellt.
 

Leatherface

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AW: Die Fremde

jap, ist richtig. Der Standpunkt der Familie selbst wird schon plausibel dargestellt. Allerdings ist das ja dann eher das "Problem" dieser Menschen, die sich nur engstirnig in ihrer Kultur aufhalten und gar nicht bereit sind, sich für anderes zu öffnen. Zumindest soweit, daß ein angepasstes Verhalten überhaupt möglich wäre.

Und dieses Verhalten kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. In dem eigenen Land kann man so ja leben, aber nicht, wenn man woanders leben möchte.

Weiß nicht mehr genau, wo es war. Dänemark, Norwegen? Hatte hier mal eine Reportage über Auswanderer gesehen, die erst Leistungen vom Staat in Anspruch nehmen können, wenn diese die Landessprache sprechen. Und hier leben Familien teils seit Jahrzehnten ohne auch nur ein paar Wörter deutsch zu sprechen. Wie gesagt, ich kann dies nicht nachvollziehen:(
 

TheBjoern

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jap, ist richtig. Der Standpunkt der Familie selbst wird schon plausibel dargestellt. Allerdings ist das ja dann eher das "Problem" dieser Menschen, die sich nur engstirnig in ihrer Kultur aufhalten und gar nicht bereit sind, sich für anderes zu öffnen. Zumindest soweit, daß ein angepasstes Verhalten überhaupt möglich wäre.

Und dieses Verhalten kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. In dem eigenen Land kann man so ja leben, aber nicht, wenn man woanders leben möchte.

Mann müsste mal die Situation für unsere Kultur umdrehen. Stell dir vor, du ziehst mit deiner ganzen Verwandschaft, also eine größere Gruppe unserer Kultur in ein Gebiet, indem es zur Kultur gehört die jungen Mädchen zu beschneiden. Natürlich seit ihr als hingezogene Gruppe dagegen, aber du würdest dich soweit der Kultur anpassen und entscheidest dich deine junge Tochter ebenfalls beschneiden zu lassen. Das entsetzen deiner Familie wäre so groß und würden dich ebenfalls mit Misbilligung und Verachtung strafen und würden dann auch nichts mehr mit dir zu tun haben wollen. Dann wärst du ebenfalls in einer ausweglosen Lage und wärst ziemlich unter Druck gesetzt dich für eine Seite zu entscheiden.
Das Beispiel galt nur zur Veranschaulichung der misslichen Lage sich zwischen zwei Kulturen entscheiden zu müssen und die Kultur, die du verraten willst deine Lieben und Verwanten angehören. Welche Entscheidung für uns die richtige ist, scheint für allen klar zu sein, ich wollte nur eine solche missliche Lage schildern.
 
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