Achteinhalb
„Achteinhalb“ beschreibt als Titel nichts Sinnvolles, sondern steht schlicht für die Tatsache, dass es sich um den achteinhalbten Film des Regisseurs handelt. Frederico Fellini gelingt mit dem Portrait seiner eigenen Schaffenskrise ein interessantes Medienexperiment: Kann ein Film schnell und unreflektiert die Umstände seiner Entstehung zum Thema haben? Kann er also davon handeln, wie er entstand?
Vom italienischen Neorealismus, zu dessen wichtigsten Vertretern Fellini gehört und in dessen Zug auch „La Strada“ entstand, fehlt längst jede Spur: Der fiebrige Wechsel zwischen fließend ineinander übergehenden Traum- und Realitätssequenzen trägt viel mehr surrealistische Züge. Mit einem tragikomischen Grundton markiert Fellini grundwährend autobiografische Eckpfeiler, indem er in kleinen Episoden nacherzählt, was er unmittelbar vor Filmentstehung empfand. Hauptdarsteller Marcello Mastroianni entwirft mit dem in die Enge getriebenen Regisseur Guido Anselmi ein offensichtliches Alter Ego Fellinis. Der Blickwinkel des Films ist ein zutiefst subjektiver: Alle vorkommenden Figuren, mit denen Anselmi interagiert, werden (meist abschätzig) bewertet und eingestuft, und die Traumsequenzen, beginnend bei der klaustrophobischen Eröffnung in einem Verkehrsstau, zwingen den Protagonisten gegenüber dem Zuschauer zum Seelenstriptease.
Fellini lässt das Medium Film mit der Simultanität kokettieren, ohne dass eine endgültige Gleichzeitigkeit von Produktion und Rezeption natürlich je stattfinden könnte; dennoch hat „Achteinhalb“ eher die Struktur eines flachen und breiten Sees als eines tiefen Grabens. So steht eine große Szenenbaut, die Fellinis Alter Ego im Film bauen ließ, in der Schlusssequenz als monströses, unfertiges Gerippe da und symbolisiert die Realisation von Träumen (Filmideen), in deren langwierigem Entstehungsprozess der eigentliche Sinn hinter dem Traum längst verloren gegangen ist, so dass die Fertigstellung keinen Sinn mehr macht.
Man mag „Achteinhalb“ als oberflächliche Aneinanderreihung von Egoperspektiven verstehen können, vielleicht auch als prätentiöses und nutzloses Gedankenspiel eines Narzissten, doch wenn man diesen Film lediglich autobiografisch versteht, greift man zu kurz; tatsächlich kommen nur wenige Filme den Grenzen des Films als Medium so nahe.
8.5/10