Thor - Der unbesiegbare Barbar

Russel Faraday

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Thor – Der unbesiegbare Barbar


In grauer Vorzeit: Barbarpapa und Barbarmama bringen Barbarbaby zur Welt. Nun ja, eigentlich nur Barbarmama, weil Barbarpapa anatomisch nicht dazu in der Lage ist. Thor ist geboren, dessen Erzeuger praktisch noch im selben Augenblick von Barbarschurke gemeuchelt werden, nachdem Barbarbaby noch einen Streifschuß mit 'nem Pfeil am Hals verpasst bekommt. Thor, von nun an wackerer… ähem… Held der Handlung verschwendet nicht viel Zeit und Gedanken an seine Elterlichkeiten und wird vom Schamanen Etna, der die meiste Zeit als Eule auftritt (ehrlich, ist so!) und überdies der Erzähler dieser Geschichte ist (allerdings nicht aus dem Off, wie man vermuten könnte, sondern vor allem in Form von Monologen, die er meist brabbelnd an eigene Adresse richtet), zum Jüngling herangezogen, dem er Sexualität beibringt und Weisheiten über Frauen mit auf den Weg gibt: „Behandle sie nicht wie ein Tier. Sie ist ein Mensch. […] Nimm sie. Sie hat wenig Kraft und ist dumm. […] Das Weib muß dir immer Untertan sein. […]“. Emanzen-Alice’ Lieblingsfilm ist dies sicher nicht. :ugly:

Irgendwie steht noch prophezeit, dass Thor der Menschheit den goldenen Samen (?) bringen und dereinst deren größter Herrscher sein soll. Ein Ziel, welches unser nicht allzu helles Barbarchen von nun an eifrig verfolgen wird.

Bei Crom, ich schwöre, dass ich noch nie, noch nie, noch nienienie einen derart mächtigen Schund gesehen habe. Selbst Joe D’Amatos grenzdebile „Ator“-Klopper sind gegen diesen Schrott allerhöchste Filmkunst. An „Thor – Der unbesiegbare Barbar“ jedoch stimmt rein gar nichts. Dabei ist die Story an sich auch nicht blöder als bei anderen Genrebeiträgen: Familie niedergemacht (gibt es überhaupt einen Filmbarbaren, dessen Eltern an Altersschwäche gestorben sind?), Heranreifen, Rache, Ende. So passiert das in tausend anderen Barbarenfilmen auch. Aber wie dies geschieht, muß man in „Thor…“ einfach gesehen haben, um es glauben zu können.

Mit zwei Euro fuffzich Budget (seinerzeit etwa 15 Lire), das schon zur Hälfte für Hauptdarsteller Bruno Minnitis (wenn ich’s richtig überschaue, ist die talentlose Pflaume noch am Leben, hat aber seit 1999 keinen Film mehr gedreht) Barbarenperücke draufgegangen ist, entstand dieser Italo-Barbaro-Heuler 1983, natürlich im Fahrwasser des enormen Erfolges von John Milius’ “Conan – Der Barbar“. Für die paar Öre waren nichtmal irgendwelche Kulissen zu realisieren, so dass der komplette Film im Wald oder an den Ufern irgendwelcher Flüsse spielt. Ok, später tauchen noch mal zwei oder drei windschiefe Hütten auf, die ein Dorf symbolisieren dürften. Und drei Komparsen. Und zwei Gummischwerter.

Nichts gegen billige Filme, denn ein kleines Budget verlangt von den Leuten vor und hinter der Kamera gewöhnlich etwas mehr Einfallsreichtum. Aber auch davon ist in „Thor…“ weit und breit nichts zu sehen. Stümperhaft geht man zu Werke, lässt Thor in felligem Lendenschurz Fische (natürlich roh) futtern, böse Buben verdreschen (wobei sich nach jedem Kampf seine Waffen verbessern, da er diese von seinen erlegten Gegnern erbeutet; unbeabsichtigt nahm man hier die Mechanismen späterer Videospiele vorweg, in deren entsprechenden Levelstufen man seine Ausrüstung updaten kann) und seine Sexualität entdecken. Hier muß man dem Film zugute halten, dass unser Thor tatsächlich sehr viel mehr von dem allgemeingültigen Schema eines Barbaren hat, als alle seine Filmkollegen im Genre zusammen: er ist wirklich eine stumpfsinnige, hohle Nuss, die kaum einen kompletten Satz formulieren kann und nur auf Mampfen, Verdauen, Ausscheiden, Schlafen und Vögeln aus ist.

Filmisch in jeder Beziehung indiskutabel lässt man seinen Helden stoisch durch die Landschaft stapfen. Mit lächerlichsten „Spezialeffekten“ wird er in Höhlen von Plastikgerippen heimgesucht, der er mit unkoordinierten Herumschwingen seiner Axt vertreibt, während Thor zu kaum mehr als „Uga-uga“-Wortfetzen (und ich würde was wetten, daß ich in einer Szene in der deutschen Synchro genau dieses "Uga-uga" tatsächlich im Hintergrund gehört habe!) in der Lage ist. Immer begleitet von Etna in einem, wie soll ich’s nennen, Reifrockkostüm, nur hat man ihm das Ding lediglich bis zu den Schultern gezogen hat, anstatt es sich etwa in Hüfthöhe zu gürten, der stets einen sinnbefreiten Kommentar zur Lage abzugeben hat, den Zuschauer (so denn noch jemand aktiv anwesend ist) als Erzähler bei Laune hält und überdies ganz und gänzlich überflüssig ist.

Irgendwann paart sich Thor noch mit einer zuvor niedergeknüppelten Amazone, rächt Mutti und Vati und schwingt sich, nachdem Etna ihm ein Pferd vererbt hat, welches bis dato bei den Menschen völlig unbekannt war (und das Thor natürlich sofort reiten kann), zum Herrscher der Menschheit auf, deren Bevölkerungszahl grob geschätzt 10 umfasst… nein, nicht 10 Millionen, sondern zehn. Zehn, wie ihr Finger an den Händen habt. Zwei weniger als ein
Dutzend. Zweimal fünf. Die Hälfte von zwanzig. Zehn also. Zeeeeeeeeeehn!

„Thor…“ (die billige 8-Bit-Pixel-Schriftart, in der Mann den Titel in D in die Credits geklatscht hat, muß man mal gesehen haben) ist ein Film, zu dessen Konsum ich meinen schlimmsten Feind nicht würde zwingen wollen (nun ja, vielleicht doch). Dieser völlig talentfrei inszenierte Schwachsinn ist so übel, dass er nicht einmal als unfreiwillig komisches abschreckendes Beispiel funktioniert. Ja, der Film ist unfreiwillig komisch, aber auf eine Art, die körperlicher Folter gleichkommt. Ich habe ihn mir eigentlich nur deshalb komplett angesehen, weil ich wissen wollte, wie blöd der Film noch werden würde. Und er wurde immer und immer und immer blöder. Selbst, als ich glaubte, der tiefste Tiefpunkt, der filmische Marianengraben, sei erreicht, stapelte „Thor…“ locker noch mal drei Etagen tiefer. Und tiefer. Und tiefer.

Die Darsteller sind erbärmlich, von einer ansatzweise logischen Handlung gar nicht zu sprechen. Die zwei Effekte so billig, dass die dafür Verantwortlichen vermutlich noch Geld gezahlt haben, um sie machen zu dürfen und Kulissen nicht existent. Etwas Klopperei hier, etwas nackte Haut dort. Fertig ist der wohl mieseste italienische Barbarenfilm aller Zeiten. Mieser noch als „Ator“ und „Conquest“ (und, bei Crom, DIE waren schon mies, wobei letzterer, immerhin von Fulci, noch optisch hier und da punkten konnte).

Alle Daumen runter.

PS: ich wiederhole nochmals: ZEEEEEEEEHN!
 

Cable

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AW: Thor - Der unbesiegbare Barbar

Also irgendwie hast du mir Lust auf diesen Film gemacht. :ugly:
 
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