Stroszek

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AW: Stroszek

Stroszek


Eine kleinere Gruppe von Menschen verbindet "Stroszek" nicht nur allein mit dem Film von Werner Herzog. Ein tragisches Ereignis, das sich am 18.05.1980 abspielte, wird nämlich immer untrennbar mit dem Film in Verbindung stehen: Der Freitod von Ian Curtis, Sänger der britischen Formation Joy Division.
Laut Überlieferungen sah Curtis nämlich den Film, in der gleichen Nacht als er sich erhängte. In der Tat ist das auch nicht unbedingt ein Film, der einem suizidgefährdeten Menschen Lebensmut spenden könnte. Die Band stand zudem noch kurz vor ihrer ersten USA Tournee, was zum filmischen Inhalt natürlich passte. Aber der Reihe nach.

Der Straßenmusiker Bruno Stroszek wird gerade aus dem Knast in Berlin entlassen. Er begibt sich in seine alte Wohnung und wird direkt mit den Schatten der Vergangenheit konfrontiert. Einige ihm bekannte Zuhälter drangsalieren nicht nur ihn, sondern auch die Prostituierte Eva, zu der er sich hingezogen fühlt. Misshandlungen sind an der Tagesordnung und Bruno ist nicht der Typ der sich wehren könnte. Er ist etwas einfältig und eher einfach gestrickt. Trotzdem ein netter Kerl, dem das Leben halt nicht die besten Karten zugespielt hat. Eva ist da schon etwas stärker, aber auch sie weiß nicht wie sie aus der Situation rauskommen könnte.
Mit dem Nachbarn Scheitz, faßt man den Entschluß in die USA auszuwandern und setzt den Plan in die Tat um. Allerdings ist im Land der unbegrenzten Möglichkeiten eben doch nicht alles aus Gold was glänzt. Nach kurzer Zeit steht man noch schlechter da, als in Berlin.

Werner Herzog bietet in seinem Film keine ganz einfache Sozialstudie. Aus reinen Unterhaltungsgründen schaut man sich den Film zumindest nicht an. Dadurch das sich viele Dinge der Protagonisten in ihrem Leben so abgespielt haben, Herzog echte Schauplätze wählte und die Darsteller nur Laien sind, kommt eher das Gefühl der Realität durch. Nur das wir hier nicht im Assi TV bei RTL 2 sitzen, sondern uns eher so fühlen, als wenn wir dabei wären. Das ist allerdings ein unschönes Gefühl. Hier gibt es nicht viel zu lachen und Herzog hält den Zuschauer eher auf Distanz. Man beobachtet, sieht das Unglück kommen und kann nicht helfen. Dadurch das die amerikanischen Darsteller gar nicht erst synchronisiert wurden und man den O-Ton hört, kommt noch mehr Realität auf.
In kargen Bildern, die absolut zum Inhalt passen, erzählt uns Herzog keine schöne Geschichte. Die Landschaften sind eher hoffnungslos und Wärme bzw. Zuneigung von anderen Menschen ist eher Mangelware. Deshalb bleibt der Film eher kalt und trostlos. Eben ungeschönt und auf das Leben konzentriert, was unter uns eben auch allgegenwärtig ist.

Werner Herzog hat hier meines Erachtens einen sehr wichtigen Beitrag über das Leben abgeliefert, der nicht immer angenehm zu schauen ist. Trotzdem sollte man ihn sich ruhig ansehen, sofern man sich für die deutschen Autorenfilme der 70er interessiert. Ebenfalls wenn man wissen möchte, mit welchem Film sich Ian Curtis in den letzten Stunden seines Lebens beschäftigt hat.
 

Eclipsed

Filmgott
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AW: Stroszek

Werner Herzog hat hier meines Erachtens einen sehr wichtigen Beitrag über das Leben abgeliefert, der nicht immer angenehm zu schauen ist.

Das ist meiner Meinung nach die große Stärke Herzogs: in den meisten seiner Filme stellt er unangenehme Fragen über den Menschen an sich. "Wie ist der Mensch? Wieso wächst dieser Mensch über sich hinaus, während dieser ein Schattendasein führt?"
So in der kontemporären Realität verwurzelt wie bei Stroszek war er zwar später in seinen Spielfilmen nicht mehr (am ehesten noch bei Bad Lieutenant), doch die Fragen blieben immer die gleichen.
Ich kann in diesem Zusammenhang auch nur noch mal Werbung für seine Dokumentarfilme machen. V.a. Grizzly Man wird dich, so denke ich, umhauen.
 

Despair

Filmvisionaer
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AW: Stroszek

Ein heftiger Film der beweist, dass der berühmte American Dream nicht für jeden in Erfüllung geht. Das gelobte Land wirkt ebenso dreckig und unfreundlich wie das von Stroszek aus diesen Gründen verlassene Deutschland. Die kurz aufblitzende Hoffnung oder gar Komik (die letzte Viertelstunde enthält ab dem "Banküberfall" schon viele tragikomische Momente) wird schnell wieder zu den Akten gelegt. Und trotz seiner seltsam kauzigen Art kann man sich relativ gut in Stroszek hineinversetzen und will seinen Werdegang unbedingt bis zum Ende mitverfolgen.

9/10 Punkte
 
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