Von Menschen Und Göttern

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Von Menschen Und Göttern


„Das Mönchtum ist eine von asketischen Idealen bestimmte Lebensweise, um in Abkehr von der Welt den weltlichen Zielen zu entsagen und das eigene Leben einem spirituellen Ziel zu widmen.“ [1]

Glaube und Weltlichkeit sind in den Köpfen der meisten Menschen, jedenfalls seit der Zeit der Aufklärung, getrennt. Zwar gibt es Zeiten, in denen beide in einen engeren Zusammenhang rücken (siehe: plötzlicher Ansturm auf die Kirchen in Zeiten des Krieges oder auch Terrorismus im Namen des Herrn), doch bleibt die grundsätzliche Aussage, in ihrem Kern und zumeist, unberührt. Was aber, wenn Konflikte des Weltlichen Menschen treffen, für die diese Trennung schon in den Grundwurzeln ihres Daseins nicht existiert: Priester, Nonnen, Mönche? Dieser Frage geht der auf wahren Begebenheiten beruhende Film Von Menschen Und Göttern nach.

1996 in Algerien: neun Mönche fristen ein friedliches Dasein, unweit eines muslimischen Dorfes, geprägt von Gebeten, Selbstversorgung und der Heilbehandlung der armen Bevölkerung. Die Idylle wird gestört, als islamische Fundamentalisten in der Gegend eine Serie von Terror und Mord beginnen. Als auch die Trappisten-Mönche bedroht werden, stellt sich für diese die Frage, ob sie fliehen oder bleiben sollen. Ersteres würde zwar ihre eigenen Leben retten, aber auch den Untergang des Dorfes bedeuten...

„Wohl habe ich gesagt: Ihr seid Götter, ihr alle seid Söhne des Höchsten. Doch nun sollt ihr sterben wie Menschen, sollt stürzen wie jeder der Fürsten.“ [2]

Von Menschen Und Göttern ist ein Film, auf den man sich ganz besonders einlassen muss. Viele werden sich nach 20 Minuten fragen, wann denn der eigentliche Plot losgeht, denn bis dahin wird einzig der Alltag der Mönche beleuchtet. Diese Szenen sind jedoch immens wichtig, zeigen sie doch in aller Deutlichkeit, in welcher Friedlichkeit die Mönche selbst und mit der Dorfbevölkerung leben. Wenn sie bspw. einem traditionellen muslimischen Fest beiwohnen, sieht man, wie wie entfernt die Vorstellungen der Radikalen von denen der Zivilbevölkerung ist.

Schauspielerisch jemanden besonders heraus zu picken wäre verfehlt: so wie bei den Mönchen nur der kollektive Glaube und Wille zählt, ist Von Menschen Und Göttern ein klassischer Ensemblefilm. Auch wenn man das ein oder andere Gesicht kennt, jedenfalls soweit man sich des öfteren französische Filme ansieht, so tut es dem Film besonders gut, dass kein großer Star verpflichtet wurde. Aufgrund der Authentizität und der Ruhe des Gezeigten, hat man so nämlich mehr als ein Mal das Gefühl eine Dokumentation zu sehen.

Besonders erwähnt werden müssen zwei auditive Höhepunkte des Films:
In einer Szene im späteren Verlauf des Films, befinden sich die Mönche beim gemeinsamen Gebet, als über dem Kloster ein Hubschrauber des algerischen Militärs zu kreisen beginnt. Zunächst perplex ob dieser Störung, beginnen die Mönche einen immer lauter werdenden Gesang, der letztendlich die Geräusche der Rotoren übersteigt. Diese Szene erinnert stark an die berühmte „Marseillaise Vs. Die Wacht am Rhein“-Szene in Casablanca. Hier wie dort handelt es sich um einen kleinen Triumph in einem Meer voller Aussichts- und Ausweglosigkeit.
Die zweite Szene findet kurz vor Ende des Films statt. Die Mönche lauschen Tchaikovskys Eröffnungsmusik aus Schwanensee auf einem Kassettenspieler. Gerade letztere Information kommt an dieser Stelle des Films einer kleinen Revolution gleich, da man bis dahin keinen der Mönche beim Benutzen eines elektronischen Geräts gesehen hat. Die Gefühlsausbrüche der Protagonisten schlagen nicht nur auf den Zuschauer über, sondern zeigen auch auf, wie besonders und einzigartig etwas so banales (oder weltliches) sein kann, wenn man eigentlich auf es verzichtet.

Fazit: ein wundervolles, meditatives Drama, welches viele interessante moralische Fragen aufwirft. Wer bereit ist Zeit und Ruhe in diesen Film zu investieren und genügend Empathie mitbringt, um sich in einen solch unbekannten Menschenschlag hineinzudenken, für den ist Von Menschen Und Göttern uneingeschränkt zu empfehlen.

(9/10)

[1] Wikipedia-Artikel „Mönchtum“
[2] Psalm 82, 6-7
 
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Eine großartige Kritik, die meine letzten Zweifel an diesem Film verfliegen lässt. Den muss ich jetzt auf jeden Fall sehen, am liebsten gestern. :)
 

2moulins

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AW: Von Menschen Und Göttern

Gestern abend sah ich den Film. Fand's interessant, zumal ich Filme nach wahren Begebenheiten sehr mag, insbesondere wenn es um beeindruckende Schicksale geht, die einen berühren.

1996 in Algerien: neun Mönche fristen ein friedliches Dasein, unweit eines muslimischen Dorfes, geprägt von Gebeten, Selbstversorgung und der Heilbehandlung der armen Bevölkerung.

Ein kleines Manko besteht nach meiner Meinung darin, dass man am Anfang des Filmes nicht über die Situation, die Zeit und den Ort informiert wird. Weil ich (wie meistens) gar keinen Text auf der Blu-ray-Hülle gelesen hatte, rätselte ich eine ganze Weile, wo das Ganze überhaupt spielt - Marokko, Tunesien, Algerien? Recht spät fiel der Name der Hauptstadt, so dass klar war, dass es Algerien war. Und die Zeit kam erst bei den Schluss-Titeln 'raus.

Die Geschichte beginnt ja eigentlich vor Weihnachten 1993, da die erste Begegnung mit den Isamlisten im Kloster an Heiligabend dieses Jahres stattfand. (Das umfangreiche Begleitheft ist hier - und generell - hilfreich.).

Es hätte sich angeboten zum Einstieg des Filmes auf Texttafeln darzustellen:

"1993 erklärte die FIS (Front islamique du salut), alle Fremden, die Algerien nicht binnen Monatsfrist verlassen, hätten ihr Leben verwirkt. Diese Drohungen wurden fortlaufend wahrgemacht. Im ganzen Land wurden neben vielen Einheimischen auch Fremde ermordet, unter ihnen christliche Laien, aber auch einige im kirchlichen Dienst stehende Menschen, und zwar unter dem ausdrücklichen Hinweis auf ihre Religion und Religionsausübung."

Danach: Bild des Klosters mit dem Hinweis "Tibhirine, Algerien - 1993"

Von Menschen Und Göttern ist ein Film, auf den man sich ganz besonders einlassen muss. Viele werden sich nach 20 Minuten fragen, wann denn der eigentliche Plot losgeht, denn bis dahin wird einzig der Alltag der Mönche beleuchtet. Diese Szenen sind jedoch immens wichtig, zeigen sie doch in aller Deutlichkeit, in welcher Friedlichkeit die Mönche selbst und mit der Dorfbevölkerung leben. Wenn sie bspw. einem traditionellen muslimischen Fest beiwohnen, sieht man, wie wie entfernt die Vorstellungen der Radikalen von denen der Zivilbevölkerung ist.

Stimmt. Es ist wesentlich, dass man den ruhigen Alltag und die Rituale der Mönche kennenlernt. Die selbstverständliche Teilnahme am Beschneidungsfest fand ich in doppelter Hinsicht beeindruckend - einmal aufgrund der Tatsache, dass der Mönch dazu von den Muslimen eingeladen wurde und zum zweiten wegen der Selbstverständlichkeit, mit der er die Einladung annahm und umsetzte. Akzeptanz auf ganzer Linie!

Schauspielerisch jemanden besonders heraus zu picken wäre verfehlt...... Aufgrund der Authentizität und der Ruhe des Gezeigten, hat man so nämlich mehr als ein Mal das Gefühl eine Dokumentation zu sehen.

Alle Schauspieler vermittelten den Eindruck, man hätte es mit echten Mönchen zu tun. Wirklich gut ausgesuchte "Charakterköpfe", die Ruhe und Zufriedenheit ausstrahlen, aber auch Ängste nicht verbergen und offenbaren. Und den Eindruck des Dokumentarischen hat man über weite Strecken.

Die zweite Szene findet kurz vor Ende des Films statt. Die Mönche lauschen Tchaikovskys Eröffnungsmusik aus Schwanensee auf einem Kassettenspieler. Gerade letztere Information kommt an dieser Stelle des Films einer kleinen Revolution gleich, da man bis dahin keinen der Mönche beim Benutzen eines elektronischen Geräts gesehen hat. Die Gefühlsausbrüche der Protagonisten schlagen nicht nur auf den Zuschauer über, sondern zeigen auch auf, wie besonders und einzigartig etwas so banales (oder weltliches) sein kann, wenn man eigentlich auf es verzichtet.

Diese Szene empfand ich am beeindruckendsten im ganzen Film. Neben der Musik, welche Emotionen bei den Mönchen und beim Zuschauer auslöst, fand ich auch die Verkostung des Weines sehenswert. Man spürt und sieht, wie es die Mönche genießen, ein Gläschen Rotwein zu trinken, etwas was offensichtlch schon ewig nicht mehr stattgefunden hat. Die Zufriedenheit und das Glück, das sich hier auf den Gesichtern spiegelt, lässt den Zuschauer nicht unberührt. :hoch:

Ich komme auf gute 8/10.
 
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Ein kleines Manko besteht nach meiner Meinung darin, dass man am Anfang des Filmes nicht über die Situation, die Zeit und den Ort informiert wird. Weil ich (wie meistens) gar keinen Text auf der Blu-ray-Hülle gelesen hatte, rätselte ich eine ganze Weile, wo das Ganze überhaupt spielt - Marokko, Tunesien, Algerien? Recht spät fiel der Name der Hauptstadt, so dass klar war, dass es Algerien war. Und die Zeit kam erst bei den Schluss-Titeln 'raus.

Es hätte sich angeboten zum Einstieg des Filmes auf Texttafeln darzustellen:

Hm...das sehe ich anders! Um ehrlich zu sein wusste ich vor der Sichtung nicht mal, dass der Film auf wahren Begebenheiten basiert. Entsprechend hätte er auch 2007 in Ägypten spielen können...es wäre mir nicht aufgefallen. Entsprechend hatten die Texttafeln am Ende des Films dann aber auch eine noch intensivere Wirkung...

Ansonsten bin ich sehr froh, dass dir der Film auch so gut gefallen hat und du wir zu (schätzungsweise ;)) 99% d'accord sind! :)
 

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Ich habe gestern die Muse gehabt, diesen stillen Film endlich zu schauen und er hat mich tief bewegt.

Wie sich aus einer Gruppe von Mönchen, die mit sich und ihrem Leben im Reinen sind, im Laufe des Films eine sehr individuelle Sichtweise auf jeden einzelnen Mönch mit all seinen Sorgen, Ängsten und dem Mönchsein an sich entwickelt, ist sehr bemerkenswert. Trotzdem oder gerade deswegen sind sie einander gebunden und halten am Schluß bis zum bitteren Ende zusammen. Die von Eclipsed angesprochen Szenen waren wirklich herrausragend, wobei mir die Chöre der Mönche sowieso jedesmal einen Schauer über den Rücken laufen ließen.

Das man zunächst gar nicht so genau weiß, wo und wann diese Geschichte spielt, ist gar nicht verkehrt, da dies leider jederzeit und überall wieder geschehen kann.

Ein wunderbarer Film, der zum Nachdenken anregt und im Grunde die 3 großen Weltreligionen und ihren Kampf gegeneinander ad absurdum führt, da alle ja sowieso an den einen Gott glauben.

Darsteller, Bilder und die Geschichte sind so intensiv, das ich ohne Reue 9/10 gebe. Sehr empfehlenswert!
 
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