Caprica (TV-Serie)

Russel Faraday

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"Caprica"


58 Jahre, bevor die Zylonen die zwölf Kolonien von Kobol zu Staub zerbröselt haben, stehen die Dinge auf der Vorzeige-Kolonie Caprica nicht gerade gut: nach 10 Jahren Abstinenz meldet sich die Terrorgruppe "Soldaten des Einen", ein Haufen monotheistischer Fanatiker, der etwas gegen die kobolonesische Vielgötterei hat, zurück, und sprengt einen Zug in die Luft. Bei der Explosion verliert Super-Erfinder Daniel Graystone Töchterchen Zoe, die mit den "Soldaten des Einen" verbandelt war. Doch die Trauer währt nur kurz, denn das Teenager-Gör hat klugerweise eine virtuelle Kopie von sich angefertigt, die Vati kurzerhand in sein neuestes Projekt stopft - einen Kampfroboter, den er "Zylone" nennt.

"Caprica", schon vor dem Aus der großen Mutterserie "Battlestar Galactica" ein Glitzern in den Augen von Ronald D. Moore (und erst mit dem Autorenstreik wieder auf den Tisch gekommen), hat an gleich mehreren Fronten mit argen Problemen zu kämpfen, die dem Projekt von Anfang an Sorge bereiten und die nicht wirklich im Verlaufe der Serie beseitigt werden konnten.

Da wäre zum einen die völlig uninteressante Grundidee und der Versuch, mit dem Namen Adama wenigstens eine bekannte Größe ins Geschehen einzubringen. Denn mal ehrlich: wie spannend ist es, wenn eine Fünfzehnjährige in einem Roboter-Körper steckt, ihr Vater ein komplettes Arschloch ist und man zudem noch versucht, irgendwie ein Plädoyer gegen Rassismus unterzubringen, unter dem alle auf Caprica lebenden Tauroner (ganz offensichtlich eingewanderte Italiener) zu leiden haben, da sie von der weißen Oberschicht Capricas als Verbrecher gebrandmarkt sind? Das Problem hierbei ist: alle Tauroner sind Verbrecher, selbst Vati Adama hat einiges auf dem Kerbholz und ordnet mal eben den Mord an einer Unschuldigen an. Ganz zu schweigen vom "es gibt nur den einen Gott"-Geschwurbel, das Ronald D. Moore schon in "BSG" bis zum Erbrechen durchkauen mußte (wenigstens erklärt sich nach "Caprica", warum die Zylonen eigentlich so verpeilt sind), bei dem man nicht so richtig weiß, ob Herr Moore hier seine eigene Überzeugung kundtut oder ob er dies als Kritik an der Kirche verstanden haben will.

Wenn die Serie inhaltlich also schon nicht der Bringer ist, machen das die Charaktere vielleicht wieder wett. Figuren, mit denen man fiebert, die einem am Herz liegen... Hm, eigentlich nicht, denn die meisten Leutchen aus und in "Caprica" sind entweder echte Unsympathen, oder aber ihr Schicksal geht dem geneigten Zuschauer gepflegt am allerwertesten vorbei. Da wäre zum einen Daniel Graystone, dargestellt von Eric Stoltz, dem mit Abstand prominentesten Gesicht im Cast. Genialer Wissenschaftler, Vater von Zoe, Chef vom Mega-Konzern Graystone Industries. Jener entpuppt sich als unsympathisches Arschloch, bei dem sich Mitgefühl nach dem Verlust von Tochter Zoe schwer in Grenzen hält, denn diese ist ein klugscheißerisches Wunderkind, bei dem man meinen müßte, daß Mutti und Vati froh sein sollten, die Blage endlich loszusein. Das ändert sich zwar im Verlaufe der Serie etwas, aber richtig warm wurde ich persönlich mit Alessandra Torresani in dieser Rolle zu keinem Zeitpunkt. Sie wirkt ein bißchen zu kaltschnäuzig.

Interessant ist, daß es keinen zentralen Charakter gibt, den man als Hauptfigur ansehen könnte. Vielmehr verteilt sich das Geschehen mehr oder weniger gleichmäßig auf ein halbes Dutzend Figuren, die sich mit ihren Einzelschicksalen herumplagen müssen. Normalerweise sollte das von Vorteil sein, denn nicht jeder Zuschauer hat dieselben Vorlieben für "seine" Figuren und könnte sich so seine Lieblinge aussuchen. Nur gibt es davon in "Caprica" leider keine. Am ehesten nicht als totalen Kotzbrocken habe ich Magda Apanowicz als Lacy Rand, die graue Maus und Zoes beste Freundin, empfunden, die einem Sympathieträger noch am nächsten kommt.

Ein weiterer großer Schwachpunkt von "Caprica" ist die Effektarbeit. Denn die ist, gelinde gesagt, eine Frechheit. Ein Teil der Handlung ist im Cyberspace angesiedelt. Daß die Effekte dort wie aus einem Videospiel gerendert anmuten, liegt in der Natur der Sache und unterstützt die Künstlichkeit der Welt gut (ob beabsichtigt oder nicht, wage ich nicht zu beurteilen... ). Daß die "echte" Welt jedoch mit so unsäglich schlechten Computereffekten dargestellt wird, die selbst auf der Wii besser hinbekommen werden würden, ist einfach nur ärgerlich und stellt die Frage, was an der Serie eigentlich so teuer gewesen ist. Die Effekte sicher nicht.

Richtig ärgerlich ist jedoch, daß die Produzenten oder das Studio den Zuschauer für blöd zu halten scheinen: vor jeder Episode gibt es einen Rückblick auf vergangene Ereignisse, um den Einstieg zu erleichtern. Hier wird zu jeder Hauptfigur der Name eingeblendet, damit der doofe Zuschauer auch ja weiß, wie es um das "who is who" in "Caprica" bestellt ist. Noch ärgerlicher sind die kurzen Einspieler, bevor man in den Cyberspace wechselt: hier gibt es einen "Matrix"-artigen Effekt (nur rot statt grün), um den debilen Zuschauer darauf vorzubereiten, daß das, was nun folgt, nicht in der realen Welt spielt. Geht's noch? Für wie bekloppt halten die einen eigentlich?

Doch nicht alles ist schlecht an "Caprica". Die Mischung aus alt und neu (optisch und modisch in den 1940er und 50er Jahren angesiedelt, kombiniert mit High Tech, oder dem, was Hollywood als High Tech ansieht) ist sehr gelungen und unterstreicht die Andersartigkeit von Caprica; vieles ist vertraut und doch fremd, leider machen die kleinen Gadgets nicht den Eindruck, echte Gebrauchsgegenstände zu sein. Das hat man in "Blade Runner" oder "Alien" besser hinbekommen. Nicht ganz so gut hat man die Fahrzeuge gelöst. War es schon in "BSG" ein Problem, so trifft man in "Caprica" nun an allen Straßenecken auf vorzugsweise europäische Exemplare des Automobils (die Capricanesen scheinen eine besondere Vorliebe für Citroens zu haben), was in den USA vielleicht noch geradeso durchgeht, hierzulande aber eher verhaltenes Belächeln auslösen dürfte. Naja, aber immer noch besser, als die Dinger mit albernen Spoilern oder anderen Aufbauten zu "tarnen".

Richtig gut ist die Musik von Bear McGreary, der einen angenehm zurückhaltenden Score komponiert hat, an den richtigen Stellen kleine "BSG"-Themen einstreut und in den (raren) Actionszenen mit dem aus "BSG" gewohnten Perkussionsgewitter aufwartet. Man könnte ja unken, daß er einfach nichts anderes kann (siehe "Wrong Turn 2"), aber es ist auch hier sehr passend und geht gut ins Ohr.

Warum also habe ich mir die Serie also angesehen, anstatt schon nach drei Episoden das Handtuch zu schmeißen? Nun, weil die Autoren ans Ende jeder Folge einen so nettfiesen Cliffhanger bauen mußten, daß es einen dann doch interessiert, wie es weitergeht. Und dieses Konzept wurde sehr effektiv komplett durchgezogen.

Die KK ist etwas aufwendiger ausgefallen, so daß man natürlich fragen könnte, warum ich überhaupt noch die Energie in ein solch gescheitertes TV-Projekt investiert habe. Aber dazu muß ich sagen, daß es viel leichter ist, seine Meinung zu verbreiten, wenn das zu rezensierende Objekt eine solch persönliche Enttäuschung darstellt. Und ist ja auch besser, als lediglich zu verkünden: "ja, voll geil, Alter!"

Fazit: "Caprica" ist der ganz offensichtliche Versuch, aus einem bekannten Namen noch Geld rauszuholen. Dieser Versuch darf als gescheitert gelten. Man hat aus den Fehlern der Mutterserie nichts gelernt und diese noch potenziert: langweilige, regelrecht unsympathische Figuren. Konnte man bei "BSG" noch argumentieren, daß dies aus der Situation resultierte, in die man nach dem Krieg gedrängt wurde, kann dies bei "Caprica" nicht ziehen: Daniel Graystone (stellvertretend für [fast] alle seine Serien-Kollegen) ist einfach ein Arsch, an dem nichts sympathisches zu finden ist. Sein Leid blieb mir permanent egal, das seiner Frau und der ganzen Sippe ebenso. Zoe hat ihre kleinen Momente, doch die werden permanent wieder zerstört. Die Handlung um Vati Adama ist die mit Abstand Absurdeste, weiß aber optisch ganz gut zu gefallen. Am besten schlägt sich noch die graue Maus, Lacy Rand, die realistisch rüberkommt und gut dargestellt wird. Atmo und Musik sind wirklich gut, die Effekte erbärmlich.

"Caprica" ist keine Action-Serie und will auch gar keine sein. Auch "BSG" war keine Action-Serie und wollte nie eine sein. Aber "Caprica" ist leider auch keine Drama-Serie oder Charakterserie. Dafür fehlt ihr an allen Ecken und Kanten einfach das Format. Keine Intrigen, die nicht sofort als solche zu enttarnen wären, strunzblöde, naive Figuren aus dem Schablonenhandbuch, keinerlei Entwicklung in den Charakteren. Was also wollte man dem Zuschauer mit "Caprica" eigentlich sagen?

Ganz offensichtlich nichts. Dies wurde mit miesen Quoten und schließlich dem Absetzen der Serie quittiert. Kein Verlust.

"So say we all."
 
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Firefly

Filmvisionaer
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AW: Caprica (TV-Serie)

Ich habe mir 6 oder 7 Folgen angesehen und dann total entnervt aufgegeben.
Es hat mich einfach nicht mehr interessiert, was da ablief.
Schade eigentlich, den wie du geschrieben hast, das Potential wäre dagewesen, nur wurde es nicht ansatzweise ausgenutzt.
 

Russel Faraday

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AW: Caprica (TV-Serie)

ich meine, mal irgendwo gelesen zu haben, daß "Caprica" ursprünglich keine SF-serie, und erst recht kein "BSG"-ableger, werden sollte, sondern als drama/krimi-serie konzipiert war. erst vom studio kam der vorschlag, das irgendwie im selben universum anzusiedeln, so daß die idee komplett überarbeitet wurde. aber dafür habe ich keine bestätigung gefunden, weshalb ich es oben nicht weiter erwähnt habe. falls es jedoch tatsächlich so ist, würde dies erklären, warum die serie aus teilen besteht, die nicht so recht zusammenpassen wollen.
 
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