Der 13te Krieger

Russel Faraday

Filmvisionaer
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Der 13te Krieger

(saublöde Schreibweise übrigens… )

Wir schreiben des Jahr 922: der Araber Ahmad ibn Fadlān ibn al-'Abbās ibn Rāschid ibn Hammād (ok, ich geb’s zu: den Namen habe ich ausm www rauskopiert), im weiteren Text kurz „Ibn“ genannt, führt in Bagdad ein sorgenfreies Leben, bis er sich mit der Frau eines anderen einlässt. Als Strafe schickt man ihn in den Norden, wo er diplomatische Dienste verrichten soll. Begleitet von Melchisidek, einem Freund des Vaters, trifft er schon bald auf die finsteren Nordmänner, wohnt einer königlichen Trauerfeier (nebst Wikingerbegräbnis) bei und findet die Barbaren ganz und gänzlich abstoßend in ihrem Benehmen und ihren Sitten. Doch als der Krieger Buliwyf und seine Mannen vom alten König Rothgar, dessen Reich von Dämonen terrorisiert, um Hilfe gebeten wird, schließt sich Ibn den wackeren Kämpfern an (denn die alte Dame, die die Wahrsagerknochen schmeißt, macht deutlich, daß der Krieger dreizehn an der Zahl zur Mission aufbrechen müssen, aber: "Der dreizehnte Krieger darf kein Nordmann sein.") und zieht gegen einen geisterhaften Gegner zu Felde, während er sich der Kultur der Wikinger langsam annähert.

1999 vom erfolgsverwöhnten Regisseur John McTiernan inszeniert (mehr oder weniger zumindest) und mit Antonio Banderas, dem neuen aufstrebenden Stern Hollywoods, in der Hauptrolle besetzt, dürfte „Der 13te Krieger“ zu einem der größten Flops überhaupt zählen. Dank schwieriger Dreharbeiten (McTiernan und Autor und Produzent Michael Crichton überwarfen sich während des Drehs so sehr, dass der Regisseur irgendwann den Stinkefinger zeigte und abrückte und Crichton selbst auf den Regie-Stuhl kletterte und nach endlosen Nachdrehs schließlich einen halbwegs fertigen Film zusammenbekam) explodierte das Budget auf gemunkelte 160 Mio. Dollar (rund das Doppelte der ursprünglich veranschlagten Ausgaben). Was heute fast als normal bei Großproduktionen gilt, war damals eine abartig gewaltige Stange Geld, und der Erfolg blieb leider aus. Erst im Heimvideobereich konnte sich der Film schließlich etablieren.

Ein doch recht angenehm unverbrauchter Antonio Banderas dürfte die Idealbesetzung für den arabischen Diplomaten darstellen. Er nimmt sich selbst nicht allzu ernst und schlägt sich wacker zwischen den nordischen Kriegern, die ihn meist um einen guten Kopf überragen. Ich kaufe ihm seinen Ibn von Anfang an ab; seine Wandlung vom pikierten „zivilisierten“ Edelmann, der am Ende, wie seine Weggefährten auch, in Blut und Eingeweiden seinen Mann an vorderster Front steht, ist überzeugend und entwickelt sich zu jedem Zeitpunkt nachvollziehbar. Mindestens ebenbürtig ist ihm Vladimir Kulich als Buliwyf (Beowulf; es hat eine Ewigkeit gedauert, bis ich die Brücke zu Beowulf geschlagen habe… manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht), der schweigsame Hüne, der die Nordmänner kommandiert. Der Kerl ist eine Urgewalt. Eine imposante, sehr charismatische Erscheinung. Leider bleiben seine Kollegen etwas blass, da kaum auf die anderen Nordmänner eingegangen wird. Mit Ausnahme von Dennis Storhoi als Herger, der zunächst der einzige ist, mit dem sich Ibn unterhalten kann, da er, wie Melchisidek (immerhin Omar Sharif) Latein spricht (hier gibt es ein paar Logiklöcher, aber die kann man verschmerzen), bis der Araber die Sprache der Nordmänner lernt (hier wendet McTiernan übrigens den gleichen Trick an, wie seinerzeit bei „Jagd auf Roter Oktober“, und es ist für mich eine der besten Szenen im ganzen Film, als Ibn den Nordmännern plötzlich in deren Sprache antwortet).

McTiernans Abgang und Crichtons Aufstieg bedeutete auch das Ende von Graeme Revell. Der neuseeländische Komponist hatte bereits einen kompletten Score für den Film eingespielt, der gar nicht mal so ungelungen ist, neben dem, was nach ihm kam, aber nicht bestehen kann. Denn Michael Crichton griff einmal mehr auf seinen alten Kumpel Jerry Goldsmith zurück, der innerhalb kürzester Zeit ein brachiales, bombastisches Orchestergewitter zusammenstellte, das selbst den Vergleich vor dem absoluten Meisterwerk dieser Gattung nicht wirklich zu scheuen braucht (gemeint ist natürlich Basil Poledouris’ „Conan“, der noch immer das nonplusultra in der Kategorie „Gewaltige Orchesterfilmmusik, bei dem einem die Lautsprecher um die Ohren fliegen und sich Hans Zimmer mit seinem MV-Scheiß gefälligst unter die Terrasse zum Schämen zurückziehen sollte“ ist – ähem, ich schweife ab.) Goldsmith mochte McTiernan nicht, aber da er erst zum Projekt hinzugezogen wurde, als dieser bereits kein Thema mehr war, kann man nicht wirklich behaupten, dass er nach „Medicine Man“ noch einmal einen McTiernan-Film vertont hätte. Ach ja, falls Fragen kommen, woher ich weiß, dass die beiden sich nicht riechen konnten: hat der Maestro in einem Interview in der Royal Albert Hall in London erzählt, bei dem ich in vierter oder fünfter Reihe saß, bevor das Konzert dann losging (*angeb*).

Dieser majestätische Score untermalt den Film denn auch so perfekt, dass man sich ihn mit anderer Musik auch gar nicht vorstellen könnte. Fast immer ist die Musik zu hören, und besonders in den Action-Szenen, den Schlachten und Scharmützeln, könnte die Musik gar nicht passender sein. St. Jerry wusste eben, wie so etwas zu machen ist.

Leider lässt der Film dann doch etwas nach, und dank der turbulenten Entstehung ist die Geschichte nicht gleichmäßig und zu Ende gedacht. Aufgegriffene Handlungen werden irgendwann nicht weitergeführt (Rothgars intriganter Sohn verschwindet ebenso im dramaturgischen Nebel des Nichts wie Ibns Affäre zu einer schnuckligen Wikingerdame, die ihm aber in einer sehr schönen Szene zum Kampfe verabschiedet, welche in ihrer sanften Liebenswürdigkeit kombiniert mit dem Wissen, dass er vielleicht nicht zurückkehren wird, fast gar nicht zum Film passen will [und man sich fragen muß, ob sie von McTiernan oder Crichton stammt]), und die finale Schlacht, die gewaltig hätte werden müssen, wird leider viel zu kurz abgehakt. Wenigstens bekommt Buliwyf seinen heroischen Moment und einen musikalisch beeindruckenden Abgang spendiert.

Michael Crichtons Roman basiert übrigens auf dem Tagebuch des realen Ibn, den es wirklich gab, welches aber nur als Fragment erhalten ist (und etwa mit dem Begräbnis des Königs endet, dessen Thronanwärter Buliwyf ist), ab dort dann stark gemischt mit der „Beowulf“-Sage, was mir wirklich lange nicht aufgefallen ist.

„Der 13te Krieger“ ist sicher kein Meisterwerk. Er ist auch kein verkannter Kultfilm, den es zu entdecken gilt. Aber er ist ein verflucht geiler Wikinger-Film geworden, den man eigentlich wirklich mal gesehen haben sollte und wie es viel zu wenige gibt. Neben der tollen Musik wissen vor allem Antonio Banderas und Vladimir Kulich zu überzeugen, die ihren Figuren Leben und Glaubwürdigkeit verleihen. Da sieht man (ok, ich zumindest) gern über die eine oder andere Schwäche in der Handlungsentwicklung hinweg, die sich aus der schwierigen Entstehung des Films ergeben haben.

Abschließend kann man nur eines sagen:

Dort treffe ich dann meinen Vater
Dort treffe ich meine Mutter, meine Schwestern und Brüder
Dort treffe ich dann alle jene Menschen meiner Ahnenreihe von Beginn an

Sie rufen bereits nach mir
Sie bitten mich meinen Platz zwischen Ihnen einzunehmen
Hinter den Toren von Walhalla
Wo die tapferen Männer für alle Ewigkeit leben.“


Wem da keine Gänsehaut über Rücken und Arme läuft, der sollte mal zum Arzt gehen, ob er nicht schon klinisch tot ist.

Ich habe fertig.
 
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Willy Wonka

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AW: Der 13te Krieger

Eine wirklich tolle und ausführliche Kritik mit vielen interessanten Informationen, welche ich bisher nicht kannte.

Bislang habe ich den Film zweimal gesehen, was bei mir schon etwas heißen kann (;)), und bei der ersten Sichtung fand ich ihn ein bisschen stärker, aber als ich den Film ein zweites Mal gesehen habe, fand ich ihn eigentlich nur noch solide und gewöhnlich. Bei den Darstellern blieb mir nur Antonio Banderas in Erinnerung und beim Film erinnere ich mich an viele dunkle Sequenzen.

An die Musik von Jerry Goldsmith kann ich mich gar nicht mehr erinnern. Vermutlich weil diese extrem pathetischen Orchesterallüren nur schätze, wenn sie adäquate Szenen unterstreichen und diese bot „Der 13te Krieger" in meinen Augen nicht. Aus diesem Grund habe ich die unpassende Musik wohl schnell verdrängt.
 

dax

Filmvisionaer
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AW: Der 13te Krieger

Der Film wird ja meist von den Kritiken zerrissen, ist mir aber egal, ich liebe ihn.
Ich mag die Atmo, die Darsteller, die Story, einfach alles an dem Film.
Toll finde ich wie er schrittweise die Sprache der Wikinger beherrscht und wie das filmisch dargestellt wurde.
Komisch ist aber wie die vielen Pferde auf das kleine Bötchen passten.

9/10
 
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