Import Export

Despair

Filmvisionaer
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AW: Import Export

Import Export

Krankenschwester Olga ist frustriert: zum wiederholten Male bekommt sie von ihrem Arbeitgeber nur 30% ihres Lohnes ausgezahlt. Das Leben in der Ukraine ist hart. Nach dem gescheiterten Versuch, etwas Geld mit Internetpornographie dazuzuverdienen, verschlägt es Olga nach Österreich, wo sie schließlich einen Job findet: als Putzfrau in einem Altersheim...

Paulie ist frustriert: erst verlässt ihn seine Freundin, dann verliert er seinen Job als Securitymann und außerdem schuldet er Gott und der Welt Geld. Das Leben in Österreich ist hart. Unter den Gläubigern befindet sich auch sein Stiefvater Michael, der Paulie nahelegt, die ausstehenden 170 Euro doch gefälligst bei ihm abzuarbeiten. Michaels „Business“: die Wartung und der Export von alten, in Österreich ausgemusterten Spiel- und Kaugummiautomaten nach Osteuropa. Und schon findet sich Paulie in einem alten Transporter auf einem Trip gen Slowakei und Ukraine wieder...

Regisseur Ulrich Seidl fasst in „Import Export“ gleich mehrere heiße Eisen an: die wirtschaftliche Schieflage zwischen Ost- und West, Billigjobs, sexuelle Ausbeutung, das Elend in Altenheimen. Dementsprechend kommen die beiden abwechselnd erzählten Episoden nicht unbedingt positiv, aber erschreckend realistisch und verdammt intensiv rüber. Nichts wirkt filmisch aufpoliert oder überspitzt, alles könnte hinter verschlossenen Türen in Ost und West in jedem Moment genau so stattfinden. Triste Farbwahl und trockene Inszenierung tun ihr übriges dazu, und der Zuschauer schwankt zwischen Mitgefühl, Abscheu, Wut – und gelegentlich einem gepflegten Grinsen. Denn Humor ist durchaus vorhanden, wenn auch sehr schwarz und zynisch. Olga lernt ihr erstes Deutsch beim Internetporno, die Faschingsfeier im Altenheim, Michael beim Erniedrigen einer ukrainischen Prostituierten – überall blitzen neben der offensichtlichen Tragik humorige Untertöne auf. Nicht unwesentlich trägt dazu der herrliche österreichische Akzent und die entsprechende Ausdrucksweise einiger Charaktere bei. Wie sagt Michael so schön zu Stiefsohn Pauli: „Du host anfach kan Schmäh.“ Das geht teilweise so weit, dass man auf Untertitel angewiesen ist, die sporadisch auch vorkommen. Die ukrainischen Dialoge sind natürlich komplett untertitelt.

Fazit: „Import Export“ ist eine provokant-realistische Milieustudie, die ordentlich an die Nieren geht und manch einem sicherlich zu hart ist. Aber genau das macht den Film so wichtig. Hier wird nichts geschönt, aber genauso wenig wird übertrieben. Dadurch entsteht eine Intensität, die mich etwas an „Lilja 4-ever“ erinnert hat. Eine Filmperle aus Österreich.

10/10 Punkte
 

Eclipsed

Filmgott
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AW: Import Export

Hervorragende Kritik zu diesem Juwel!
Da du Import Export emotional ertragen konntest sei dir noch Hundstage ans Herz gelegt...mehr Handlungsstränge bedeuten normalerweise nicht zwangsläufig mehr Emotionen, aber er steht für mich auf einer Ebene mit Import Export! Evt. ist er noch ein bisschen verbitterter und trostloser...
 

Firefly

Filmvisionaer
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AW: Import Export

Tolle Kritik, finde es auch absolut super, dass endlich wieder gute Filme in Österreich gemacht werden.
Und vor allem, dass sie auch international anerkannt werden, auch wenn es nicht gerade wieder um NS Zeit geht ( keine Kritik, finde die Fälscher sehr wichtig ! )
Ich hoffe ihr versteht was ich meine !
 
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