Caché

Willy Wonka

Locationscout
Teammitglied
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
21.970
Ort
Twin Peaks
Filmkritiken
126

Caché


Ein komfortables und angenehmes Leben führt das Ehepaar Laurent mit ihrem gemeinsamen Sohn Pierrot, aber dieses wird schrittweise aufgelöst durch einen stillen Beobachter, welcher ihnen Videobänder von seinen Beobachtungen zukommen lässt.
Es scheint auf den ersten Blick unspektakulär und Michael Haneke nimmt sich genug Zeit, um langsam diesen Film aufzubauen und den Charakteren einen Wandel durchleben zu lassen. In diesem Film wird keine Effekthascherei betrieben und er setzt auch nicht auf bewährte Konzepte oder Muster, denn der Film ist dafür viel zu authentisch angelegt. Haneke inszeniert in einem gewohnt kühlen Stil und verwendet wie schon in „Funny Games“ Verfremdungseffekte wie einst Bertold Brecht in der Literatur. Doch dieses mal noch deutlich subtiler, was schon in den ersten Minuten des Films hervorgehoben wird. Haneke täuscht den Zuschauer mit zwei verschiedenen Ebenen, welche wechseln ohne dass er jedes Mal den Zuschauer darauf aufmerksam macht. Lange Einstellungen lassen die Bildkomposition ihre Wirkung entfalten und dem Zuschauer einige Details offenbaren, wenn der Zuschauer denn genau hinsieht. Denn alles in diesem Film und dieser Geschichte ist, wie der Titel schon verrät, verborgen. Nichts liegt auf der Hand und ist eindeutig. Im Nachhinein können viele Szenen des Films vollkommen anders interpretiert werden und sorgen für zahlreiche Diskussionen. Wer nach diesen Worten einen komplizierten Film erwartet, irrt, denn Haneke versteht dafür sein Fach viel zu gut, um nicht einfach nur Verwirrung zu erzeugen, sondern er kreierte eine ruhige und sehr beklemmende Geschichte mit Charakteren, welche den Schauspielern direkt auf den Leib geschrieben wurden.
Es war Michael Hanekes Wunsch mit Daniel Auteuil zu drehen, da Auteuil etwas Geheimnisvolles an sich habe wie einst Jean-Louis Trintignant. Dieses wird im Film deutlich spürbar und auch sein Charakter ist es, welcher für viele Themen des Films zentral ist.
Schuld, Sühne, Rache. Alle diese Begriffe sind zu sehr gefärbt von Definitionen und Interpretationen aus Literatur und Film und scheinen für diesen Film zu allgemein und gar banal. Denn die Deutung liegt im Auge des Betrachters, es liegt womöglich im gefährlichem Halbwissen, es liegt einfach verborgen...
Am Ende des Films fühlt sich vielleicht jemand vor dem Kopf gestoßen, ein anderer ist fasziniert, wieder ein anderer versucht die übersehenen Details aufzudecken und zu interpretieren. Ich muss gestehen, dass ich all diese Phasen irgendwie durchlebt habe. Ich schreibe „irgendwie“, weil ich meine Einschätzungen nicht ganz trauen kann. Ich weiß, dass ich einen faszinierenden Film gesehen habe, aber ich weiß auch, dass der Aufbau und die Erzählstruktur sehr viel Muße vom Zuschauer verlangt und die 114 Minuten wirken deutlich länger, aber dennoch bin ich nach dem Film um eine Erfahrung bereichert worden, wie gut diese Erfahrung ist, sollte jeder selbst überprüfen.

„Caché‘ ist angelegt wie eines der Gemälde von M. C. Escher, wo all die scheinbar verbundenen Wege und Treppen bei genauerem Hinsehen gar nicht verbunden sein können, eine räumliche Unmöglichkeit, die durch eine optische Täuschung zeitweilig außer Kraft gesetzt wird.“

Die Welt
 

Eclipsed

Filmgott
Registriert
2 Sep. 2008
Beiträge
7.009
Ort
Kölle am Rhing
Filmkritiken
7
AW: Caché

Wer sich wundert wo die Antworten sind und warum Willy die Kritik noch mal gepostet hat: Ich habe an dem Thread herumgebastelt und ihn aus Versehen in die ewigen Jagdgründe gesendet! :o
Entschuldigung, kommt nicht wieder vor! :uff:
 

Willy Wonka

Locationscout
Teammitglied
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
21.970
Ort
Twin Peaks
Filmkritiken
126
AW: Caché

Nachträglich will ich dann auch noch eben die Kommentare von Eclipsed und mir aus vom Zuletzt gesehen-Thema kopieren, damit sie vielleicht auch zur einer Diskussion anregen.


Jetzt sollte auch jeder nur weiterlesen, der den Film schon kennt!


Und...wer hat die Videos gemacht/verschickt?
Ist dir das Treffen der beiden Söhne in der letzten Szene aufgefallen?
Hast du den Schatten der Profi-Kamera in der Szene gesehen, wenn Georges nachts mit dem Auto nach Hause kommt?
Die Selbstmordszene ist ein "Mundoffenstehenlasser", oder?
:)
Ja, Fragen über Fragen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Vater oder sein Sohn die Videos gemacht hat. Das Treffen der beiden Söhne ist mir gar nicht aufgefallen. ( :huh:) Und den Schatten der Profi-Kamera habe ich auch nicht vernommen, was meinst du denn damit speziell?
Bei der Selbstmordszene blieb einem wirklich der Atem stocken - Michael Haneke schafft es einfach, dass Gewalt einfach brutal, schonungslos und real aussieht.
Das Treffen der beiden Söhne ist mir gar nicht aufgefallen.
In der letzten Szene vor der Schule...links in der Mitte! Sie wirken vertraut...
Und den Schatten der Profi-Kamera habe ich auch nicht vernommen, was meinst du denn damit speziell?
Wenn Georges nachts mit dem Auto nach Hause kommt und man die Szenerie aus der Perspektive des "Voyeurs" bzw. dessen Kamera sieht, fallen die Scheinwerfer für eine Sekunde auf die Kamera und der Schatten verrät, dass es sich um eine Profi-Kamera handelt, wie sie nur bei Filmaufnahmen verwendet wird! Eine solche hätte Georges auffallen müssen...
Da Michael Haneke dafür bekannt ist Fehler in seinen Filmen akribisch auszumerzen, halten es viele für unwahscheinlich, dass es sich um einen Goof handelt! Die Szene bietet eine mögliche Interpretation: Michael Haneke hat die Bänder gedreht und verschickt! Sehr verrückt...ich habe dazu aber mehrere lange Posts gelesen und halte diese Interpretation zumindest für möglich
Willy Wonka schrieb:
Ich musste mir jetzt gleich noch mal das Ende ansehen und jetzt habe ich die beiden Söhne auch ganz klar gesehen. Sie sehen vertraut aus, aber nicht so vertraut als wären es Freunde. Es scheint für mich viel mehr so, dass Majids Sohn etwas Pierrot mitteilen wollte.
Ich könnte mir auch sehr gut vorstellen, dass die letzte Sequenz wieder von dem unbekannten gefilmt wurde und daher schließe ich Majids Sohn definitiv aus.
Die Interpretation mit Michael Haneke klingt interessant, aber so recht kann ich es mir noch nicht vorstellen.
 

Despair

Filmvisionaer
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
12.550
Ort
Somewhere in Hessen
Filmkritiken
61
AW: Caché

Wer sich wundert wo die Antworten sind und warum Willy die Kritik noch mal gepostet hat: Ich habe an dem Thread herumgebastelt und ihn aus Versehen in die ewigen Jagdgründe gesendet! :o
Entschuldigung, kommt nicht wieder vor! :uff:

Woher soll ich denn heute noch wissen, was ich gestern hier reingesülzt habe. :motz:;)

Egal, die Kernaussage war: Film gut, anschauen. :D
 

MiriQ

Golden-Globe-Gewinner
Registriert
10 Aug. 2009
Beiträge
2.160
Ort
Zauberwald
Filmkritiken
3
AW: Caché

Im Zuletzt gesehen-Thread bin ich aufmerksam geworden.
Also hab ich ihn gestern gesehen - sehr interessant. Aber auch irgendwie unbefriedigend. Ich bin ja ein Puzzlefan, ein Knotenlöser, ein Auseinandernehmer ... und wenn ich am Ende doch irgendwie nichts zusammen kriege, ist das eben unbefriedigend. Aber deshalb ist ja der Film nicht schlecht.
Den Kameraschatten hab ich auch gesehen und mich gefragt, wieso der Typ den nicht gesehen hat. Auch dass sich die zwei Söhne am Ende vor der Schule getroffen haben, fand ich merkwürdig. Aber ich komme auf keine Lösung.
Wenn mir jemand so ein Video schicken würde, dann würde ich als erstes genau nachsehen, wo die Kamera hätte stehen können und diese Stelle würde ich besonders im Auge behalten, vor allem wenn ich abends von der Arbeit komme. Ich hätte als Ehefrau auch nicht locker gelassen - ich meine, es war ja offensichtlich, dass ihr Mann nicht die ganze Geschichte erzählt hat. Sowas würde mich wahnsinnig machen. Deswegen bin ich auch sauer wegen der fehlenden Auflösung.
Die sehr realistische Darstellung hat mich sehr an skandinavische Filme erinnert. Die fast völlig fehlende Musik und stattdessen zu hörende Alltagsgeräusche machen da eine Menge aus.
 

deadlyfriend

Casting
Teammitglied
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
18.003
Ort
Garma
Filmkritiken
185
AW: Caché

Habe ihn gerade gesehen und bin ja mal wieder ganz begeistert. Erstens fand ich ihn sauspannend, was durch die Realität und die Gegebenheiten hervorgerufen wurde. Dadurch wurde ich merklich unruhiger und immer interessierter was sich dort abspielt.
Der Selbstmord war dann wirklich ein Knalleffekt, mit dem ich absolut nicht gerechnet hatte.

Der Schatten der Kamera ist mir entgangen:o
Dafür habe ich die beiden Söhne am Ende gesehen und da sprang dann die Fantasie ein und mein Hirn begann zu rattern. Klasse Ende!

Deswegen fand ich es sehr gut, das es keine Aufklärung im Film gibt und jeder sich seine Version "zurechtbasteln" kann. Für mich haben die beiden Algerier die Bänder versendet. Da bin ich mir völlig sicher:) Allerdings ohne Beweise, nur Indizien, Logik und mögliche Verhaltensmuster.;)

Zudem fand ich es wieder einmal faszinierend wie der Butterfly Effekt ein Leben beeinflußt.

Interessant fand ich auch das man immer noch nicht weiß was sich in der Kindheit wirklich abgespielt hat. Die Erzählung reicht mir nicht aus, da hat Daniel etwas verborgen:D Zumindest bin ich mir sicher.

Auf jeden Fall herzlichen Dank für den Tipp und die gelungenen Überredungsversuche im "Lost Highway" Thread.;)
 

Eclipsed

Filmgott
Registriert
2 Sep. 2008
Beiträge
7.009
Ort
Kölle am Rhing
Filmkritiken
7
AW: Caché

Der Schatten der Kamera ist mir entgangen:o

Da musst du dich nicht schämen...selbst im Einzelbildmodus musste ich 5x hinsehen um auch nur ansatzweise etwas zu erkennen!

Dafür habe ich die beiden Söhne am Ende gesehen und da sprang dann die Fantasie ein und mein Hirn begann zu rattern. Klasse Ende!

Absolut...wie sehr dort die Fantasie angeregt wird, kann man im Forum bei der IMDb nachlesen oder auch in den Kommentaren hier!

Auf jeden Fall herzlichen Dank für den Tipp und die gelungenen Überredungsversuche im "Lost Highway" Thread.;)

Da ich u.a. gemeint bin, sage ich jetzt mal: immer wieder gerne! :)
 

Despair

Filmvisionaer
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
12.550
Ort
Somewhere in Hessen
Filmkritiken
61
AW: Caché

Ich bin gestern zufällig im TV wieder an dem Film hängengeblieben und nach wie vor fasziniert. Und kein bisschen klüger. :D

Wobei eigentlich nur Majid und bzw. oder sein Sohn für die Videos verantwortlich sein können. Georges Wohnung und sein Elternhaus könnten zwar von irgendjemandem gefilmt worden sein, aber wie hat dann dieser Jemand die Aufnahme in Majids Wohnung bewerkstelligt? Er hätte die Kamera heimlich installieren und zum richtigen Zeitpunkt einschalten müssen. Und wenn es sich auch hier um eine Profikamera gehandelt haben sollte: wo zum Geier wurde die untergebracht? Die Annahme, dass Haneke persönlich ein paar Tage inklusive Kamera im Küchenschrank gehockt hat ist zwar schräg und irgendwie ein wenig gruselig, aber sie entbehrt auch jedweder Logik. :D

Falls Majid für die Videos verantwortlich ist, fehlt mir irgendwie das Motiv. Wieso übt er erst nach so vielen Jahren Rache? Nur weil er zufällig im Fernsehen über Georges Gesicht gestolpert ist und sich an die Vergangenheit erinnert? Ein von Rachegelüsten Geplagter hätte sich doch viel früher ans Werk gemacht. Ich tippe da eher auf Majids Sohn, der Georges dafür büßen lassen will, was er seinem Vater als Kind angetan hat. Aber wieso sucht er ihn erst nach dem Selbstmord seines Vaters auf und bleibt dazu noch so gelassen?

Das Treffen der beiden Söhne am Schluß halte ich für eine Gemeinheit Hanekes, um das Kopfkino seiner Zuschauer erst so richtig zum Rattern zu bringen.

Btw: hat Georges, bevor er in seiner letzten Szene ins Bett geht, tatsächlich nur zwei Tabletten geschluckt..? Oder haben wir vielleicht nur die letzten zwei mitbekommen..?
 
Oben